Das weltweit agierende Familienunternehmen Harting sieht sich als Wegbereiter der Digitalisierung – auch bei seinen Unternehmenspräsentationen, die die Kommunikation stark treiben. Das Thema Integrated Industry wird betont und herausgehoben.

von Christiane Appel

Für Harting kann es derzeit auf der Hannover Messe keinen besseren Lauf geben. Die Konzentration der Industrieschau auf das Thema Industrie 4.0 (seit 2015) – die Technologiegruppe sieht sich als Wegbereiter der digitalen Transformation –, 2016 folgte der Gewinn des Hermes Awards und der Besuch des damaligen US-Präsidenten Barack Obama. Wem das noch nicht emotional genug war: 2017 spielten die Westfalen das Thema „70 Jahre Aussteller auf der Hannover Messe“ – und drückten dem Geschehen damit ihren Stempel auf: Harting gehört zu den wenigen Ausstellern, die seit 1947 ununterbrochen dabei sind. Die Zahl derer lässt sich an drei Fingern ablesen. Lohn des Invests: Das Familienunternehmen verzeichnete auf seinem Stand einen Besucherzuwachs von knapp 30 Prozent. Entsprechend motiviert schauen die Verantwortlichen auf die Hannover Messe 2018. Sie strahlen schon. „Dass die Cemat wieder an die weltgrößte Industrieschau andockt, spielt uns in die Hände“, sagt Guido Selhorst, Leiter Corporate Market Communication. In der Folge rechnet Detlef Sieverdingbeck, Leiter des Zentralbereichs Publizistik und Kommunikation der Technologiegruppe und verantwortlich für das Corporate Marketing, mit „weiter steigenden Besucherzahlen“. Und wenn er von Besucherzahlen spricht, meint er bereits qualifizierte Kontakte.

HARTING TECHNOLOGIEGRUPPE
Die Harting Technologiegruppe in Espelkamp hat im Geschäftsjahr 2016/17 (30. September) einen Umsatz von 672 Millionen Euro und damit den höchsten Wert in der 72-jährigen Unternehmensgeschichte erzielt. Umsatztreiber waren insbesondere die Marktsegmente Verkehrstechnik, Maschinenbau + Robotik, Windenergie und Automation. Die Zahl der Mitarbeitenden (einschließlich Auszubildende) stieg auf 4.639. An den deutschen Standorten (Espelkamp, Minden, Rahden) waren am Stichtag insgesamt 2.500 Mitarbeitende tätig, im Ausland 2.139. Als Erfinder des Rechtecksteckverbinders ist Harting Benchmark für zahlreiche Branchen.

Harting und die Hannover Messe. Das sind nicht nur jetzt bald 71 Jahre Unternehmens- und Messegeschichte, das ist auch Industrie- und Familiengeschichte. Die Messe hat das Unternehmen geprägt, der inzwischen 78-jährige Dietmar Harting die Messe. Das Messe-Engagement hat sich nie nur auf die optische Präsenz beschränkt. Der Unternehmenslenker hat sich über lange Jahre als Vorsitzender des Ausstellerbeirats der Hannover Messe sowie des Bau- und Investitionsausschusses der Deutschen Messe engagiert. Er war auch Mitglied im Aufsichtsrat des Messeveranstalters und Jahre dessen stellvertretender Vorsitzender. Sichtbarer Ausdruck dieses Einsatzes: Geehrt wurde Dietmar Harting für seinen vielfältigen Einsatz mit der Niedersächsischen Verdienstmedaille (2004) und der Messe-Ehrenmedaille in Gold (2006).

Für das Unternehmen Harting ist die Hannover Messe über die Jahre zu einer Art Hausmesse geworden – weit ist es von Espelkamp in die niedersächsische Hauptstadt ja nicht wirklich. Aber das ist nicht der einzige Grund. Der viel entscheidendere: Die Zusammenarbeit mit den Messemachern an der Leine bezeichnet Detlef Sieverdingbeck als ein „gegenseitiges Geben und Nehmen. Mit den Hannoveranern lässt sich richtig gut arbeiten und gestalten.“ Das betont er mehrmals und wünscht sich das auch von anderen Veranstaltern und Geländebetreibern – zumindest aber ein besseres Zuhören.

Die Hannover Messe hatte ja nicht nur Höhenflüge in den vergangenen 70 Jahren. Sieverdingbeck: „Aber die Macher haben es immer wieder geschafft, die Kurve zu kriegen.“ Und mit Integrated Industry punkte sie richtig. Auf Industrie 4.0 setzten jetzt viele Veranstalter, so die Beobachtung der Messemacher. „Aber keiner hat es geschafft, das Thema so gut auf den Punkt zu bringen wie Hannover.“

Das Integrated-Industrie-Thema spielt ihnen in die Karten: die Digitalisierung als Thema, der Weltmarktführer in Sachen Steckverbinder als Enabler. Die Industriemesse, auf der sich die gesamte Technologiegruppe präsentiert, ist auch für Harting keine reine Produktschau mehr. „Hannover ist eine Image-Messe“, sagt Selhorst. Natürlich seien auch hier Leads „ganz klar noch wichtig, aber wir spielen hier mehr und mehr das Awareness-Thema“, so der Experte. Das klare Ziel: Image-Kommunikation.

Die Bühnensituation ist fester Bestandteil des Auftritts

Pushing Performance – das gilt nicht nur für das Unternehmen itself, sondern beschreibt auch treffend die Aufgaben des Marketing- und Messeteams. Das hat seine Hausaufgaben gemacht, eine neue Struktur bekommen und den Workflow weiter verbessert, um auch den Kollegen in den internationalen Märkten mehr Support geben zu können. Der Vertrieb ist in dieses Konstrukt eingebunden, was die gemeinsame Stoßrichtung verdeutlicht. Und Messen werden seitdem im Unternehmen anders verstanden. Sie sind wichtige Kampagnenelemente, mit denen das Thema Integrated Industry nachhaltig gespielt wird – vom Kundenansatz weiterentwickelt wird es einheitlich, ganzheitlich und sehr stringent kommuniziert.

Selhorsts Kollege Alexander Petrusch ergänzt: „Wir haben das Heft des Handelns in die Hand genommen und gestalten die Arbeitsabläufe effizienter, was uns in der Qualität enorm voranbringt. Die Schnittstellen arbeiten super zusammen“, sagt der Messemanager. „Zuerst muss man den gesamten Prozess kennen und verstehen, um eine ganzheitliche Lösung anbieten zu können“, so Selhorst. „Wir haben uns natürlich gefragt, was wir unter Industrie 4.0. verstehen. Das ziehen wir jetzt durch“ – wohl wissend, dass Digitalisierung deutlich mehr Tiefe in der Kommunikation verlangt. „Das haben wir 2015 komplett neu ausgerollt“, sagt Unternehmenssprecher Sieverdingbeck. „Und da ist richtig Drive dahinter.“

In dem Jahr haben sie auch angefangen, ihre Pressekonferenzen auf der Hannover Messe auf dem Stand durchzuführen und nicht mehr dafür das Konferenzzentrum zu buchen. Umgebaut wird der Stand dafür nicht. Die Bühnensituation ist fester Bestandteil des Auftritts, es gibt eine LED-Wand, die Fläche kann bespielt werden. Presserundgänge über die größeren Messestände wie etwa der auf der SPS/IPC/Drives der Mesago Messe Frankfurt in Nürnberg sind seitdem ebenfalls gesetzt – und werden nicht nur begleitet von den Verantwortlichen im Kommunikationsteam, sondern auch immer von einem Familienmitglied. In der Regel übernimmt Philip Harting diese Aufgabe, der Vorstandsvorsitzende. Diese Wertschätzung wissen die Kollegen zu würdigen. Dennoch wird in Espelkamp gerade an einem neuen Konzept gefeilt: „2019 muss etwas anderes her. Wir wollen nicht, dass Journalisten am Rand der Präsentation stehen bleiben müssen“, so Sieverdingbeck. Das sagt viel über den Andrang aus: Harting bespielt in Hannover eine Fläche von etwas über 1.500 Quadratmeter – inklusive Obergeschoss.

Wertschätzung, das soziale Miteinander, das sind ganz große Themen bei den Westfalen. Das gilt auch für die Bewirtung von Kunden und Gästen. Dafür sorgt Gesellschafterin Margrit Harting seit Jahren. „Oben wird gegessen und unten gearbeitet“, so ihre Maxime. Was heute als neu postuliert wird – dass Bewirtung inzwischen ein wichtiger Image-Faktor des Marketings ist – ist ihr als Gastgeberin schon immer ein Anliegen. Deshalb wird am Stand auch frisch gekocht. Davon profitieren auch die, die am Stand Dienst tun. „Nur wer sich wohlfühlt, kann auch gut arbeiten“, so die Unternehmerin zum Thema Corporate Hospitality: analoge Erlebnisse in einem digitalen Umfeld.

Deutschland bleibt für Harting das wichtigste Messeland

Die Messewelt in Deutschland ist für Harting die prägende, auch wenn sich der Weltmarktführer in Sachen Steckverbinder auf den Weg gemacht hat, ein Weltunternehmen zu werden. Deutschland bleibt das wichtigste Messeland für den Technologiekonzern. Guido Selhorst begründet die Fokussierung klar: „Hier haben wir die höchste Durchdringung.“ Dazu kommt, so Detlef Sieverdingbeck: „Wir treiben unsere Kommunikation stark über Messen.“

Sieben bis neun Veranstaltungen stehen in diesem Jahr auf der to-do-Liste von Alexander Petrusch, darunter etwa die Wind Energy in Hamburg, die SPS in Nürnberg oder die Electronica in München: Stände ab 100 Quadratmeter. Die kleinen Auftritte zählt er nicht mit, die Testballons auch nicht, mit denen das Unternehmen Märkte auf Geschäftschancen abklopft. Bei den Messepräsenzen, so Selhorst, „müssen wir aber auch aufpassen, nicht beliebig zu werden.“ Als Wegbereiter der Digitalisierung setzen sie auch bei ihren Messeauftritten auf Digitales. Digitale Einladungskampagnen sorgen bereits im Vorfeld für konkrete Leads. In Hannover waren es 2017 über 1.000 – die Aktivierungsmaßnahmen richten sich stets an High-Level-Kontakte. Über Medienkooperationen „ziehen wir die Messe ins Netz und umgekehrt“, sagt Sieverdingbeck. Virtuell Reality lässt Besucher Datenströme erleben. „Wir betrachten die Messe durch und durch vernetzt“, so der Sprecher. „Die Digitalisierung unserer Produkte, ihre Vernetzung und die darauf basierende Generierung neuer Serviceangebote sind unser Verständnis vom Internet der Dinge und Dienstleistungen. Nur so bieten wir dem Kunden einen echten Mehrwert.“ Die Devise: mit spannender Technologie Aufmerksamkeit erzeugen und zielgerichtet kommunizieren.Mehr Content, mehr Tiefe: Die Digitalisierung stellt neue Kommunikationsaufgaben, unterstreicht aber die Bedeutung der persönlichen Kommunikation: Sie wird wieder wichtiger. Geht es doch darum, Menschen für gemeinsame Ziele zu begeistern, um Vertrauen. „Wie wichtig die persönliche Kommunikation ist, merken wir am Zulauf“, sagt Guido Selhorst. Allerdings kämen die Kunden auch mit einem „höheren Reifegrad“. Den Nutzen eines Produktes zu erklären, dafür reichten dem Kunden „zwei, drei Bullet Points“. Messen sind für Selhorst „Erklärinseln. Da kann ich erzählen“. Im Mittelpunkt der Präsentation steht weniger das Produkt als seine Anwendung. So haben sie die mit einer eigenen Smart Factory Technik, der HAII4You Factory, verständlich darzustellen gesucht und den Prozess von den Komponenten bis zu Industry 4.0. erklärt. Das habe für Aha-Effekte gesorgt. „Ein Stecker ist nicht unbedingt Industrie 4.0. Aber er ist das Verbindungselement. Das macht richtig Spaß, das zu erläutern“ – etwa am Beispiel des „Integrated Industry Demonstrators HAII4You Factory“, der das Thema ganzheitlich aufgreift. Für Selhorst die „sinnvolle Verbindung vom generellen strategischen Ansatz bis zur konkreten Lösung.“ Die Welt erklärten sie dabei nicht, „aber wir zeigen, wo sich die verschiedenen Ebenen vernetzen und ein Stecker eben mehr kann.“ Testimonials bürgten für Glaubwürdigkeit. Es gelte, immer die richtige Balance zu finden aus Schauwert und Kommunikation.

WLAN
Messe 4.0 bedeutet aber auch Digitalisierung. Und das gelte auch für Messeveranstalter und Geländebetreiber. Wichtig sei stabiles WLAN. Es gehe doch nicht an, dass Digitalisierung von den Ausstellern in den Hallen demonstriert werde – und die Macher der Schauplätze es nicht hinkriegen, ihnen WLAN flächendeckend und leistungsfähig zur Verfügung zu stellen. Detlef Sieverdingbeck: „Eine entsprechende Infrastruktur muss Standard sein.“ Daran könnten sich Veranstalter und Geländebetreiber künftig differenzieren, so seine Überzeugung. Bevor die Veranstalter ihre Internationalisierung weiter vorantreiben, sollten sie „hier ihre Infrastrukturen in den Griff kriegen.“

Wie die Zukunft aussieht? Der digitale Wandel bleibt für Harting gesetzt – und die Hannover Messe als „ihr Hotspot“ (Sieverdingbeck) auch. Die Kommunikation spiele eine immer wichtigere Rolle – und „die schieben wir in den Vordergrund, gerade auf großen Zielmarktmessen“, so Selhorst. Das mache sich beim Standbau bemerkbar, konstatiert Alexander Petrusch: „Die alten Besprechungsräume tauchen wieder auf.“ Für Detlef Sieverdingbeck eine logische Entwicklung: „neue Welt, neue Produkte, viel Information, viel Geschwindigkeit. Mit einem ‚gib mir mal den Stecker‘ ist es eben nicht getan.“ Kundengespräche dauerten länger, das Standpersonal sei anders gefordert.

Angst, dass ihnen die Geschichten ausgehen, müssen sie nicht haben. Den großen Vorteil wissen sie zu spielen: Das Unternehmen heißt Harting, die Familie, die Produkte. Viel Stoff also.

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Author Messe 1x1

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