Besucher wissen mehr

Der Transfer von Know-how wird immer wichtiger. Für diejenigen, die wissen möchten und diejenigen, die wissen. Und natürlich für die Messen.

Spiegel-Leser wissen mehr", war mal ein Slogan von Deutschlands Intellektuellen-Magazin Nummer 1. Die "FAZ" zog gleich mit ihrer "dahinter steckt ein kluger Kopf"-Kampagne. Vielleicht wäre es jetzt die Zeit der Messen, den nächsten Werbeclaim zu lauchen: "Wissen aus erster Hand" oder so könnte er heißen. Denn während Politiker in steter Regelmäßigkeit fordern, dass Know-how und Wirtschaft enger zusammenwachsen sollen, hat sich längst eine Plattform gefunden, auf der dieser Anspruch Realität geworden ist: Messen eben. Vor allem Bildungseinrichtungen und wissenschaftliche Institute sehen die Produktschauen zunehmend als Möglichkeit, ihre Forschung einem geneigten und finanzkräftigen Publikum zu präsentieren. "So gut wie jede Universität stellt heute im Rahmen von Länder-Gemeinschaftsständen auf Messen aus", sagt Horst-G. Meier, Geschäftsführer der TU Berlin Servicegesellschaft. Der Grund: "Der Wettbewerb um Drittmittel ist enorm gestiegen und wer Drittmittel haben will, der muss sich zeigen."
Meier muss es wissen, hat er doch 20 Jahre Erfahrung damit, trockenes Hochschulwissen in wirkungsmächtigem 3D zu präsentieren. Die Servicegesellschaft gründete er allerdings erst 2000, um sich professioneller aufzustellen. Damals sollte er einen Techniker-Kongress und eine Messe in vier Hallen der Messe Berlin organisieren. "Eine Pioniertat war das", sagt er heute. Zwar ist die TU Servicegesellschaft eine 100-prozentige Tochter der TU Berlin, doch ist sie mit Nichten nur dazu da, den Know-how-Standort Berlin-Brandenburg im Rahmen von Gemeinschaftsständen zu promoten.
Was mit einer Pioniertat begann, besteht heute aus zehn Festangestellten und macht rund 1 Mio. EUR Umsatz im Jahr. Und noch immer organisiert Meier Messen. Kleine Messen. "Messen in der Messe", wie er sagt. Die Bionik-Plattform, die er auf der Hannover Messe betreibt, ist so eine Minimesse. Auf dem Gemeinschaftsstand haben wissenschaftliche Einrichtungen und innovative Firmen die Möglichkeit, Lösungsansätze aus der Natur und deren Transfer in Technikkonzepte und Produktlösungen vorzustellen. Und diese Möglichkeit nutzen immer mehr Firmen und Organisationen. Angefangen hat Meier vor fünf Jahren mit 100 m2, mittlerweile hat er seine Fläche verdreifacht. Meldeten sich zum Start erst zehn Aussteller bei der TU Servicegesellschaft an, waren es dieses Jahr bereits 30 - aus dem gesamten Bundesgebiet, versteht sich.
Meier setzt bei Ausrichtung und Akquise stark auf Netzwerke mit dem entsprechenden Fachpublikum. "Wir sind schließlich selbst keine Bionik-Experten", räumt er ein. Im Rahmen der Bionik-Ausstellung ist so etwa das Biokon-Netzwerk maßgebend, das das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) eingerichtet hat. Teilnehmer des Netzwerks und des Gemeinschaftsstandes sind Unis aus ganz Deutschland, Forschungseinrichtungen wie das Max Planck Institut und namhafte Firmen aus der Industrie, etwa Daimler Chrysler, Miele, Festo, Speedo und Degussa. Meiers Vision ist es, dass aus einer seiner Forschungspräsentationsplattformen einmal eine eigene Fachmesse wird.
Bis es soweit ist, mietet Meier Quadratmeter bei internationalen Messe an und verkauft sie in einem Komplettpaket an seine Aussteller weiter. 685 EUR mussten Interessierte etwa auf der letzten Bionik-Schau zahlen. Zwar unterstützt die Deutsche Messe Meiers Stand nach wie vor durch Sonderkonditionen, doch fährt sie ihr Engagement Schritt für Schritt zurück. Vor fünf Jahren kostete ein Quadratmeter auf der Bionik-Plattform deshalb etwa 70 EUR weniger. Meier nimmt es sportlich: "Es ist gar nicht unser primäres Ziel, umsonst Fläche von den Messen zu bekommen", sagt er. Die Quadratmeterpreise machten ohnehin nur ein Bruchteil der Messekosten aus.
Meier bieten Vollkostenrechnung: Er addiert alle anfallenden Positionen zusammen und generiert hieraus einen Quadratmeterpreis. Auf der IAA Nutzfahrzeuge im September hatte er so etwa eine kleine Sonderschau mit drei Ausstellern. Mit von der Partie waren die Uni Reutlingen, das Engeneering-Unternehmen IAV und das Softwarehaus EFKON Mobility. Pro Quadratmeter hat Meier auf 570 EUR kalkuliert, inklusive waren Services wie Catering, PR, Werbemaßnahmen wie Flyer und eine Standhostess. Der Preis war auch deshalb möglich, weil es einen Nachlass vom Messeorganisator VDA in Frankfurt gab.
Die Messeorganisatoren wissen, warum sie Forschungsplattformen unterstützen: In einer Auma-Umfrage gab jeder zweite Messebesucher an, dass es das Hauptziel seines Messebuchs sei, etwas über Neuheiten zu erfahren. 34 % sehen sogar schlicht Weiterbildung als Motiv ihrer Teilnahme. Zum Vergleich: Nur jeder vierte Besucher sieht die Pflege von Geschäftskontakten als Hauptziel seines Veranstaltungsbesuchs.
Kein Wunder also, dass die Messen ihre Forschungsinstitute auch ins Ausland mitnehmen. So ist Meier für den Gemeinschaftsstand Laser Vision auf der von der Münchner IMAG veranstalteten Laser in Shanghai verantwortlich. Und er organisiert einen International Pavilion for Research and Technology unter dem Titel "Future Parc" auf der CeBit Asia, ebenfalls in Shanghai. In den ersten beiden Jahren war das BMBF noch Sponsor der Zukunftsschau. Als sich das Ministerium zurückgezogen hat, wollte die Deutsche Messe die Veranstaltung alleine weiterführen - und erteilte der TU Servicegesellschaft den Auftrag. Rund 3000 EUR kostet es für Interessierte, ein Display auf der Sonderveranstaltung aufzustellen.
Die Displays sind klein und haben Platz auf einem Quadratmeter - pompöser Standbau scheint nicht alles zu sein beim Thema Wissensmarketing. Meier: "Das wichtigste ist, dass die Unis mit ihrem Professoren selbst vor Ort sind und persönlich auf Fragen eingehen können." Markus Ridder

m+a report Nr.7 / 2006 vom 27.10.2006
m+a report vom 27. Oktober 2006