Lizenzen in China: Peking hat das letzte Wort

Der Deutschen Messe AG aus Hannover wurden erstmals Lizenzen verweigert. Sie konnte einen Teil ihres Programms in Shanghai nicht so durchführen wie ursprünglich geplant.

Ein Traum für Veranstalter: Das Gelände vollständig ausgebucht, Zelte müssen aufgestellt werden, um die Nachfrage nach Platz befriedigen zu können. Und weil es so gut läuft, sind die ersten Transporte Richtung Messe bereits unterwegs, denn besagte Veranstaltungen finden in Shanghai statt. Doch für die Deutsche Messe AG, Hannover, hat sich dieses Szenario im August in einen Alptraum verwandelt: Ihr wurden die Lizenzen für die vier Fachmessen Metal Working China, Factory Automation Asia, Interkama Asia und Energy Asia zum ursprünglich geplanten Termin verweigert. Folge: Die vier Fachmessen finden jetzt vom 1. bis 5. November auf dem Shanghai New International Expo Centre (SNIEC) statt. Nach den Plänen des Veranstalters hätten sie - wie im vergangenen Jahr - im Verbund und gemeinsam mit den Fachmessen Cemat Asia und PTC Asia vom 10. bis 13. Oktober stattfinden sollen. Und nun: Besagte Fachmessen, denen die Lizenz erst für einen späteren Zeitpunkt gewährt wurden, laufen Anfang des Monats unter dem Dach der China International Industry Fair (CIIF), die ebenfalls im SNIEC durchgeführt wird. Dort stellen die Metal Working China, Factory Automation Asia, Interkama Asia und Energy Asiasie dann ein Drittel der Gesamtpräsentation. Die Deutsche Messe AG sucht betont gelassen zu reagieren und begreift die - nicht ganz freiwillige - Kooperation als "Stärkung der CIIF im Hinblick auf die fachliche Kompetenz und eine Stärkung der eigenen Aktivitäten durch die deutsch-chinesische Partnerschaft." In einem Schreiben an alle Aussteller Ende August wurden die Betroffenen vom Veranstalter über die neue Lage informiert.
Relativ gelassen auf die Mitteilung reagiert Rolf Löffler, Balluff GmbH, Neuhausen, als Aussteller der Metal Working: "Wer lange genug nach China kommt, wundert sich über eine solche Verlegung und über die anderen Partner nicht." Zur CIIF "verschoben" fühlt sich auch Nils Passoter von Weidmüller, Detmold, keineswegs. Aber glücklich mit der veränderten Situation ist der Aussteller der Factory Automation auch nicht: "Zugegeben, wir waren schon überrascht, als wir die Nachricht der Deutschen Messe AG erhielten. Schließlich ist es doch sehr ungewöhnlich, eine etablierte Messe kurzfristig zu verschieben." Ob die CIIF aber tatsächlich ein äquivalentes Forum darstellt, werde sich erst noch zeigen müssen, so der Messeverantwortliche. "Mit Blick auf unsere Marktaktivitäten in China werden wir alles dransetzen, die veränderte Situation für unsere Kunden zu kompensieren."
Terminverschiebung - das klingt harmlos. Doch ist die Art und Weise, die dazu geführt hat, alles andere als das: Obwohl die Deutsche Messe AG auch unter dem Dach der CIIF Veranstalter der vier Fachmessen bleibt ist sie einer gewissen Willkür ausgesetzt. Die chinesischen Behörden haben die Lizenzbedingungen für Messen kurzfristig geändert, die ausländischen Veranstalter darüber aber nicht ausreichend informiert. Das war in diesem Fall für die chinesische Seite praktisch, schließlich entwickelt sich die ihre Industriemesse nicht so, wie es sich deren Veranstalter vorstellen und gleicht eher einem "Gemischtwarenladen". Ihre CIIF scheint - vor allem ausländischen Ausstellern - nicht interessant genug und zieht bislang nur wenige von ihnen an. Auch die Umbenennung von Shanghai International Industry Show in China International Industry Fair änderte daran nicht viel. Die Nachfrage ausländischer Unternehmen, dort auszustellen, blieb gering, die interessanten Firmen tendier(t)en alle zu den Messen der Hannoveraner. Diese hatten von Beginn ihrer Aktivitäten an auf das Wort "Industry" im Veranstaltungsnamen verzichtet und stattdessen mit ihren schon in Deutschland etablierten Fachmessen einzelnen den Weg nach China angetreten.
Mit der Lizenzverweigerung für die Deutsche Messe AG haben die Chinesen das Problem der leeren Hallen während der CIIF nun "elegant" gelöst. Das ist auch eine Möglichkeit des Technologietransfers, schließlich will China in die internationale Hightech-Liga aufrücken. "Kassiert" fühlt sich Rolf Löffler nicht. "Vorher waren es ja auch Chinesen. Der Partner für die deutsche Beteiligung ist der gleiche geblieben." Sein Kollege Passoter ist kritischer: "Letztlich wird die Zukunft zeigen, ob ausländische Unternehmen allein auf einer CIIF ausstellen können oder ob sie die Chance haben, sich auch auf anderen Foren zu präsentieren. Es wird sich ebenfalls zeigen, in welchen Händen die Ausstellerdaten künftig liegen und wie sorgsam damit umgegangen wird." Aufgrund der unerwarteten Terminverschiebung hatte die Deutsche Messe AG ihren Kunden die Möglichkeit eingeräumt, vom Vertrag zurückzutreten. Davon machten aber nur weniger Aussteller Gebrauch. Der Markt in China scheint zu wichtig. "Die Messe und die Messethemen hatten für uns Priorität 1", bestätigt Rölf Löffler für Balluf. Die Ränkespiele, die im Hintergrund abgelaufen sein müssen, interessieren nicht.
Die Terminverschiebung durch die Lizenzverweigerung ist die eine Seite, die andere ist, dass durch die Aufsplittung in zwei Termine der Verbund der sechs Fachmessen aufgehoben wurde, einer der größten USPs der Hannoveraner. "Aufsplittungsprozesse sind weder für die Messeveranstalter noch für die Unternehmen gut - ganz im Gegenteil. Die Erfahrung zeigt, dass dabei vor allem Inhalte und Qualität leiden", sagt Nils Passoter. "Als Aussteller sind wir nicht nur aus Budgetgründen, sondern vor allem mit Blick auf die Synergien für unsere Kunden grundsätzlich an leistungsstarken und qualitativ hochwertigen Messen und der Zusammenführung nahe stehender Branchen interessiert. Wenn an dieser Stelle Mehrwert verloren geht, müssen wir als Unternehmen reagieren", betont der Weidmüller-Mitarbeiter und fügt hinzu: "Wir müssen da sein, wo unsere Kunden sind, denn wir fühlen uns in erster Linie ihnen verpflichtet. Vor diesem Hintergrund werden wir die künftige Entwicklung genau beobachten und entsprechend im Sinne unserer Kunden handeln.
Mit der Lizenzerteilung können sich die Verantwortlichen Zeit lassen, denn die Deutschen müssen früh sagen, wann ihre Messen stattfinden sollen. Wenn es auf nationaler Ebene auch nur eine Reihe von allgemeinen und wenig konkreten Rechtsvorschriften für die Messeindustrie gibt - in Shanghai sieht das anders aus. Dort gibt es detaillierte Regelungen für die Vergabe von Messelizenzen. Diese wurden im Mai vergangenen Jahres still und leise eingeführt. Veranstalter, die in der Boomtown in Sachen Messe dabei sein möchten, müssen jeweils bis zum 30. Mai eines jeden Jahres alle Lizenzen für im Folgejahr vorgesehene Messen beantragen. Werden die Anträge verspätet eingebracht, dann hat das Folgen: Sie könnten verzögert genehmigt werden - wenn überhaupt. Messeexperten meinen in diesem Zusammenhang eine geringere Zulassungspriorität im Vergleich zu Messen erkennen zu können, die rechtzeitig beantragt wurden und bereits eine Lizenz erhalten haben.
Besonders Neuveranstaltungen haben es schwer: Ihr Planungsvorlauf ist oft sehr kurzfristig. Außerhalb Shanghais gilt die nationale Regelung, dass Messen "grundsätzlich" mit einem Vorlauf von zwölf Monaten zu beantragen sind. Shanghai gilt diesbezüglich als eine Art Testfeld für andere Messestädte in der Volksrepublik. Noch gibt es auf nationaler Ebene oder in anderen Provinzen/Städten keine vergleichbare detaillierte Auflistung von Lizenzkriterien.
Wenn sich die Veranstalter auch sputen müssen: Mit den Erteilungen der Lizenzen haben es die Chinesen nicht immer ganz so eilig. Gibt es keine Bedenken gegen eine Veranstaltung, dauert es in der Regel nur einige Wochen, bis die Lizenz bei den Messemachern auf dem Tisch liegt. Ganz anders sieht es allerdings aus bei Themenkonflikten oder -überschneidungen zwischen konkurrierenden, mit wenig zeitlichem Abstand voneinander geplanten Veranstaltungen. Dann dauert das Bewilligungsverfahren länger, es kann sich sogar über Monate hinziehen. Das Hinauszögern hat einen einfachen Zweck. Die "Herren der Lizenzen" hoffen so, die internationalen Wettbewerber motivieren zu können, sich untereinander zu einigen, die Messen zu verlegen oder die Kräfte in einer gemeinsamen Veranstaltung zu bündeln. Die Zusammenlegung von themengleichen und im gleichen Jahr veranstalteten Messen wird durch die Lizenzbehörde unterstützt.
Die neue Shanghai-Regulierung enthält auch eine Liste von ,Basisprinzipien', die bei der Lizenzvergabe durch die Behörde Coftec zu beachten sind: So müssen themengleiche Messen innerhalb eines Jahres einen Mindestabstand von drei Monaten haben.. Und: Jeder Messeveranstalter darf in Shanghai pro Jahr nur zwei Messen mit gleichem Thema veranstalten. Dies ist in der Praxis bisher weniger ausschlaggebend gewesen.
Eine China International Industry Fair, die nicht so richtig läuft, eine Lizenzbehörde, die die Zusammenlegung von themengleichen und im gleichen Jahr veranstalteten Messen unterstützt, mögliche Macht- und Ränkespiele zwischen Peking und Shanghai - die Hannoveraner scheinen mit ihren Messen in diesem Jahr schlicht das Pech gehabt zu haben, zum Spielball chinesischer Wirtschaftspolitik geworden zu sein. Normalerweise werden Messen mit hohem Professionalitäts- und Internationalitätsgrad (Anteil ausländischer Aussteller mindestens 20 %) besonders unterstützt. Es kann aber auch sein, dass den beantragten Hannover-Messen wegen der zeitlichen Nähe zur CIIF diese Unterstützung dieses Mal versagt blieb. Oder aber, für die Verantwortlichen auf chinesischer Seite ist eine Messe in einer Größenordnung von über 100 000 m2 ein Signal, ein- und zuzugreifen.
Lizenzprobleme hin oder her - kein deutscher Veranstalter und auch nur wenige Aussteller werden sich zurückziehen, dafür ist der Markt viel zu reizvoll, die Chancen durch das asiatische Wachstum überwiegen. Denn wo Wachstum ist, kommt die Rendite fast von alleine. Und die Messeveranstalter wissen genau, dass ohne die chinesische Unterstützung nichts geht: Sie bleiben auf Kooperationen angewiesen. Inwieweit sich dabei die Gewichte verschieben, ist eine andere Sache. Die deutschen Veranstalter trifft es ganz anders als die Aussteller.
Nils Passoter geht jedenfalls davon aus, dass es spannend bleibt: "Die Entwicklung der asiatischen Märkte speziell in China schreitet dynamisch voran. Damit intensiviert sich natürlich auch das Messegeschäft und der Wettbewerb wird hier dementspechend zunehmen." Für ihn ist es daher "durchaus wahrscheinlich, dass noch weitere Kooperationsmodelle folgen werden. Wir hoffen sehr, dass dabei Qualität und Effizienz im Vordergrund stehen." Passoter: "Letztlich entscheiden die Kunden, welche Veranstaltungen erfolgreich ihren Platz finden."

m+a report Nr.7 / 2006 vom 27.10.2006
m+a report vom 27. Oktober 2006