Wachstumsraten machen Argentinien wieder interessant

Die Messe Frankfurt hat die Wirtschaftskrise in Argentinien ausgesessen und gut genutzt. Das rechnen ihr die Südamerikaner hoch an. Das Ergebnis: Die Gesellschaft zählt dort zu den führenden Veranstaltern.

Schneller als erwartet hat sich Argentinien nach der schweren Wirtschaftskrise erholt. Mit seinen hohen Wachstumsraten könnte das Land auch für deutsche Unternehmen wieder interessanter werden. Für ein deutsches Unternehmen ist es das allerdings schon länger: die Messe Frankfurt. Ihre Veranstaltungen zählen zu den größten und internationalsten Messen von entsprechender Qualität. Das Engagement des Veranstalters in dem zweitgrößten Land Südamerikas kann sich sehen lassen. Nicht erst seit der Organisation der Weltklimagipfels mit 5000 Teilnehmern 2004 in Buenos Aires sind die Frankfurter dort aktiv - übrigens als die einzige deutsche Messegesellschaft, die im zweitgrößten Land Südamerikas tätig ist. "Während der schweren Wirtschaftskrise 1998 bis 2002 verließen andere Veranstalter das Land. Wir haben genau das Gegenteil gemacht: Wir verstärkten unser Engagement", sagt Stephan Kurzawski, Bereichsleiter Business Development bei der Messe Frankfurt. Dass sie den Südamerikanern in den schwierigen Jahren vertraute und ihre Aktivitäten in dieser Zeit verstärkte, rechnen ihr die Landsleute hoch an: 2002 wurde die Messe Frankfurt Marktführer in Argentinien. Während der Wirtschaftskrise war der Veranstaltungsmarkt drastisch eingebrochen. Nach Angaben des argentinischen Messeverbandes AOCA verzeichnete die Anzahl der Messen von 1998 bis 2002 einen Rückgang von 46,4 %.
Im Jahr 2000 startete die Messe Frankfurt in Argentinien mit ihrer Automechanika. 2003 übernahm der deutsche Veranstalter 60 % an der etablierten argentinischen Gesellschaft Indexport S.A, die seit 1990 Messen veranstaltet. Inzwischen sind es 85 % der Geschäftsanteile. Geleitet wird Indexport von Fernando Gobarán. Stephan Kurzawski beschreibt ihn als "lässigen, agilen Südamerikaner mit deutschen Tugenden. Das macht den Erfolg aus." Indexport beschäftigt in Buenos Aires rund 24 Mitarbeiter. Ihre Aufgabe: Entwicklung neuer Messen in Argentinien und Südamerika, Organisation und Betreuung bestehen der Veranstaltungen und Akquise sowie Service für argentinische Aussteller und Fachbesucher auf Frankfurter Messen. Die Tochter Indexport trägt als einer der führenden Messeveranstalter in Argentinien rund 7 % zum Auslandumsatz des Mutterhauses bei. Auch wenn das nicht besonders hoch erscheint: Wichtig dürfte den Frankfurtern der Markt schon aus strategischen Gründen sein.
Viele Branchen haben den Schwung aus der Wiederaufbauphase genutzt. Das gilt für den Agrarsektor, die Bauwirtschaft, den Tourismus und die KFZ-Branche. Mit der argentinischen Wirtschaft hat sich auch der Messemarkt weitgehend wieder erholt. Seit der Überwindung der Krise 2002 legt das Bruttoinlandsprodukt mit Raten von 9 % zu. Experten sprechen von "chinesischen Wachstumsraten". Die Importe steigen, das Liefergeschäft entwickelt sich schwungvoll, die Direktinvestitionen nehmen zu. Zwar läuft noch nicht wieder alles rund (Sorgen bereiten zunehmende Eingriffe der Regierung in die Wirtschaft und Inflationstendenzen), aber die Richtung stimmt. Auch 2006 hat sich das Wachstum bislang nicht verlangsamt. Im Januar hat Argentinien seine Gesamtschulden gegenüber dem Internationalen Währungs Fonds (IWF) vorzeitig zurückgezahlt. Die argentinische Importnachfrage weitet sich rasant aus. Für dieses Jahr liegen die Schätzungen bei einer mengenmäßigen Steigerung von 20 %. "Das hat auch das Interesse deutscher Unternehmen geweckt", weiß Kurzawski.
Das Gorbarán-Team ist gefordert. Der Rhythmus meint es gut mit ihnen. Sechs der acht Messen, die Indexport respektive die Messe Frankfurt in Argentinien veranstalten, finden 2006 statt: die Punto y Seguido, die Bisec (Ausstellung und Kongress zum Thema Sicherheitstechnik), die Seguriexpo (seit 2004 im jährlichen Turnus), die Tecno Fidta als größte Lebensmitteltechnikmesse Südamerikas (seit 1992 alle zwei Jahre), die Cosmesur Beauty (seit 2004 jährlich) und die Automechanika (seit 2000 alle zwei Jahre). Die Expo Ferretera, internationale Fachmesse für Eisenwaren und Werkzeug (seit1991 alle zwei Jahre) und die Biel Light+Building (seit 1989 alle zwei Jahre) kommen im nächsten Jahr ergänzend dazu.
Zwar gilt die südamerikanische Messewirtschaft laut einem Bericht über die Aktivitäten der NürnbergMesse in Lateinamerika im Vergleich zu Europa als "regional ausgerichtet", das Wachstumspotenzial in einigen Staaten wird jedoch als enorm eingeschätzt. Nach Brasilien seien Argentinien, Chile und Ecuador die Hauptmärkte des Kontinents. Als Wachstumsbranchen gelten IuK, Maschinenbau, Chemie, Fremdenverkehr, Kfz und Nahrungsmittelproduktion- und -verarbeitung. Deshalb sind aus Sicht der Frankfurter die Messen Tecno Fidta und Automechanika besonders hervorzuheben. Letztgenannte ist nicht nur eine der größten Messen des südamerikanischen Landes, sie gilt auch als deren beste. Auch wenn der Teilemarkt in Südamerika laut Kurzawski ein interessanter ist: Südamerika gilt in den Augen vieler als "kranker Kontinent", nicht nur wegen der hohen Kriminalitätsrate. "Die Angst, der Markt könne sich als nicht stabil erweisen, war schon groß," erinnert sich Kurzawski an das Bemühen, Aussteller in den Krisenzeiten für die Automechanika zu begeistern. Es sei schwierig gewesen, deutsche Unternehmen zu überzeugen, in Argentinien auszustellen: Über ihre südamerikanischen Tochtergesellschaften seien aber alle Big Player auf der Zuliefermesse Aussteller vor Ort gewesen. So langsam kehrt das Vertrauen in den Markt zurück. "Die Automechanika 2006 ist mit 15 000 m2 ausgebucht. Unter den Ausstellern sind viele deutsche Unternehmen." Für die Veranstaltung 2008 ist im Rahmen des Auslandsmesseprogramms auch wieder eine Förderung durch das Bundesministerium für Wirtschaft im Gespräch. Stattfinden wird sie im größten Gelände Argentiniens, La Rural, nach Kurzawski auch das einzige Messegelände in Buenos Aires, das internationalem Standard entspricht.
Wer nun meint, die Themen Lebensmitteltechnik oder Sicherheit seien keine Kernkompetenzen der Messe Frankfurt, dem widerspricht Stephan Kurzawski vehement: "Nur weil wir diese Themen nicht in Frankfurt haben, heißt es nicht, dass wir keinen Kontakt zu den Kunden haben. In Dubai zum Beispiel veranstalten wir auch Messen zum Thema Sicherheit. Bei uns laufen diese Messen als ,Independent Brands‘." Ein Blick auf die Weltkarte genügt, um zu wissen, dass die Messe Frankfurt daraus noch mehr machen wird.

m+a report Nr.6 / 2006 vom 22.09.2006
m+a report vom 22. September 2006