Mit dem Handy durchs Drehkreuz

Alles und jeder ist heute mobil. Warum nicht auch Tickets? Auf dem Markt gibt es bereits Angebote für Mobile Ticketing - ein Service, der langsam auch auf Messen Einzug hält.

Mehr Mobilfunkkarten als Einwohner gab es in Deutschland laut einer Meldung des Bundesverbands Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien (Bitkom) zum 1. August mit 82,8 Mio. Registrierungen. Das riesige Potenzial der allgegenwärtigen handlichen Begleiter wird zunehmend von Serviceanbietern entdeckt, und das natürlich nicht nur für den deutschen Markt. So zeigte im Mai die Orbit-iEX, die größte IT-Messe der Schweiz, in diesem Jahr bereits an der Pforte eine Innovation: Veranstalter Reed Exhibitions bot Ausstellern erstmals die Möglichkeit, ihren Kunden ein elektronisches Ticket zur Verfügung zu stellen. Diese konnten ihre Eintrittskarten entweder konventionell ausdrucken oder direkt aufs Handy schicken. Der Service wurde insgesamt 10 000 Mal genutzt. Beim Einlass brauchte dann lediglich das Ticket im Handy aufgerufen und an ein Lesegerät gehalten werden.
Giancarlo Palmisani, Leiter der Orbit-iEX, realisierte den Service mit einem jungen Unternehmen aus Deutschland. Die xsmart AG, Bad Rappenau, die den Innovators Show Award 2006 der CeBIT Hannover in der Kategorie "Mobile Payment / Mobile Application" für das beste Geschäftskonzept gewann, hatte bereits einige Projekte in den Bereichen Mobile Ticketing, Mobile Parking, Mobile Couponing und Mobile Marketing inklusive einer entsprechenden Mobile-Payment-Plattform realisiert. Gemeinsam mit der Mobile-City GmbH betreibt die xsmart AG Deutschlands größte HandyTicket-Community, die gleichzeitig mit www.myHandyTicket.de eine Bezahlplattform bietet. Zusätzlich setzen manche Städte die Mobile-Parking-Lösung ein. Im Jahr 2005 wurden mehr als eine Million Handytickets über den myHandyTicket-Service ausgestellt. In Wiesbaden wird laut xsmart bereits jeder zehnte Parkvorgang in der Innenstadt über Handy bezahlt.
Für Giancarlo Palmisani war es dennoch ein Wagnis, das Mobile Ticketing für seine Messe einzuführen: "In diesem Umfang wurde das System noch nicht genutzt. Zur Sicherheit hatten wir ein HelpDesk neben den Drehkreuzen installiert. Im Großen und Ganzen hat es aber gut funktioniert, und für die nächste Orbit-iEX sind technische Verbesserungen wie etwa bei der Barcode-Erkennung in Bearbeitung." Um den Service künftig für alle Messebesucher anbieten zu können, müsse die Infrastruktur des Messezentrums Zürich noch angepasst werden. "Wir wollten zunächst mit einer Technik-affinen, begrenzten Zielgruppe beginnen. In Zukunft werden wir aber immer mehr auf die elektronische Schiene umstellen."
Mit dem neuen Ticketservice reduziert Reed Exhibitions nicht zuletzt den eigenen logistischen Aufwand. Hinzu kommt der Vorteil der damit verbundenen automatischen Besucherregistrierung. Für die Aussteller bietet er neben der bequemen und papierlosen Abwicklung einen zusätzlichen Marketingmehrwert, indem in den Code der Eintrittskarten zusätzlich Gutscheine oder Coupons für Gewinnspiele integriert werden können, was die Besuchsfrequenz am Messestand erhöht. Damit das Ticket auch auf jedem Handytyp dargestellt werden kann, bestehen die Tickets von xsmart aus Barcodes, die als GIF-Datei aufs Handy geladen werden. Der Link zu der Datei wird per SMS verschickt. Einzige Voraussetzung für das mobile Ticket: Der Nutzer benötigt ein GPRS-fähiges Handy, um das Bild des Barcodes herunterzuladen. Sollte die GPRS-Verbindung nicht funktionieren, ist der Eintritt per Handyticket dennoch gesichert: Die SMS enthält zusätzlich eine Ticket-ID und einen Tagescode, anhand dessen die Eintrittskarte dem Besucher zugeordnet werden kann. xsmart stellt die gesamte Infrastruktur, die für die Handytickets benötigt wird - von den Webseiten für die Registrierung über die automatische Barcode-Generierung und Verschlüsselung bis hin zu den Lesegeräten am Messe-Eingang.
Die Technologie wurde zusätzlich noch auf der Small Business Expo 2006 in Neuseeland sowie bei den x.days 2006 in Interlaken und zum GRID ICT Forum 2006 in Luzern eingesetzt. "Derzeit haben wir umfangreiche Anfragen aus dem In- und Ausland zu weiteren Einsätzen unserer Kerntechnologie", berichtet Marco Mezger, CEO von xsmart, der optimistisch in die Zukunft blickt: "Nach aktuellen Schätzungen des US-amerikanischen Marktforschungsunternehmens Juniper Research werden die Einnahmen aus dem Mobile Ticketing bis 2010 weltweit auf 44 Mrd. US-$ steigen."
Matrix Solutions aus Hamburg bietet ebenfalls mobile Tickets an. Die PicTickets können online bestellt und als SMS direkt auf das Handy des Kunden übermittelt werden. Damit können PicTickets auf nahezu alle Handys geschickt werden und beschränken sich nicht ausschließlich auf MMS-Modelle. Alternativ kann man das Ticket nach wie vor ebenfalls ausdrucken. Sollte es versehentlich gelöscht oder verloren werden, wird es nach einer Identifikation über Benutzername und Passwort ersetzt. In diesem Fall wird ein neuer Code generiert, der alte wird ungültig. So bleibt gewährleistet, dass für jedes bezahlte Ticket auch tatsächlich nur ein Eintritt gewährt wird.
Das System hat sich bei über 200 Veranstaltungen bereits bewährt. Im Kongressbereich wurde es bislang zweimal in Berlin eingesetzt: auf dem Kongress des Wirtschaftsministeriums e-mobility und dem e-Fussball parallel zur e/home. Mit einer großen deutschen Messegesellschaft sei das Unternehmen inzwischen im Gespräch, so Tanja Ackermann, verantwortlich für den Bereich Marketing/Sales bei Matrix Solutions. "Für den Messebereich haben wir eine eigene Lösung entwickelt: Der Besucher erhält als Akkreditierung eine E-Mail mit einem Link, Benutzername und Passwort. Er lädt sich das Ticket auf sein Handy. Dieses hält er am Einlass zur Messe an einen Scanner und aus der Feedbacksäule wird sein Badge gedruckt. Die passenden Hüllen liegen bereit. Vorteil für den Besucher: Er erhält sein Messeticket sofort, auch sehr kurzfristig, und er kann es nicht vergessen. Vorteile für die Messegesellschaft/Veranstalter: Service für den Besucher, Mehrumsatz durch Last-Minute-Akkreditierung ohne Stress am Einlass, geringere Distributionskosten, Mobile-Marketing-Maßnahmen wie Informationen rund um die Messe." Die Zukunft wird zeigen, ob dieser Service genutzt wird.

m+a report Nr.6 / 2006 vom 22.09.2006
m+a report vom 22. September 2006