"Licht lernen": Studienfach mit Zukunft

Viel praktische Erfahrung sammelt ein Lighting-Designer auf dem Weg zum Diplom. Dazu kommen Know-how in Technik und Gestaltung sowie Ökonomie und Ökologie.

War früher nur die Natur in der Lage, Lichtstimmungen und Effekte zu "produzieren", so sind es heute auch die Lichtplaner, die uns mit Blitzen oder Sonnenuntergängen in die jeweilige Stimmung versetzen können. Licht in der Architektur, Licht im Messebau, Licht als verkaufsförderndes Element im Einzelhandel, Licht im öffentlichen Raum - viele Bereiche sind ohne das professionell geplante und angewandte Medium heute überhaupt nicht mehr vorstellbar.

Das Thema Licht ist im Laufe der Jahre zu einer Wissenschaft für sich geworden. Technische Entwicklungen und Erfindungen stellen immer wieder neue Anforderungen. Die Fachleute stammen in der Regel aus den Reihen der (Innen-)Architekten, Designer oder aus den Elektroberufen. Bis jetzt existiert jedoch noch keine anerkannte Berufsdefinition oder gar ein geschütztes Berufsbild für den Lichtdesigner. Schon seit vielen Jahren ist in den Lehrplänen für Innenarchitektur und Architektur Lichttechnik ein Prüfungsfach. Allerdings war - und ist - dies überwiegend nur ein Teilbereich.
Eine Reihe von Hochschulen, zum Beispiel in Wismar und Coburg, oder andere Institutionen bieten zwar inzwischen die Lichtgestaltung als Zusatzausbildung an. Aber bisher gibt es europaweit nur einen einzigen Vollstudiengang: An der FH in Hildesheim/Holzminden/Göttingen werden die Studenten seit dem Wintersemester 2000/2001 zu Lighting-Designern ausgebildet. Der Unterschied: Während die Zusatzausbildungen an den anderen Fachhochschulen auf einem Studium zum Beispiel zum Architekten oder Innenarchitekten aufbauen, studieren hier Abiturienten, die keinerlei fachspezifisches Vorwissen haben und alles von Grund auf lernen.

Iska Schönfeld, Innenarchitektin, ist seit dem Sommersemester 2001 Professorin an der FH in Hildesheim: "Die Studenten lernen nicht gestaffelt erst Architektur und dann Licht, sondern alles gleichzeitig. Sie studieren bei uns Produktdesign und Innenarchitektur im Grundstudium mit, können bei den Architekten mithören und lernen dadurch auf einer breiten Ebene, bekommen ein Gespür für die Verzahnung und lernen, was für sie relevant ist. Umgekehrt können auch die Produktdesigner unsere Vorlesungen besuchen." Am Ende steht dann der Abschluss zum Diplom-Ingenieur Lighting-Design. Die Professorin teilt sich die Stelle mit Andreas Schulz vom Lichtplanungsbüro LichtKunstLicht. Jeder von ihnen betreut die Studenten alle zwei Wochen für drei Tage.
Dieses neue und zukunftsorientierte Studium umfasst eine ganzheitliche Lichtplanung - sowohl die gestalterische und technische als auch die ökonomische und ökologische. Die kreative Lichtplanung beschäftigt sich mit der Formsprache und den speziellen Kenntnissen aus den Bereichen Innenarchitektur, Architektur, Lichttechnik und Produktdesign, aber ebenso mit den Besonderheiten in technischen, medizinischen und psychologischen Disziplinen. Licht kann eine bestimmte Atmosphäre oder Ausdrucksform im Raum erzeugen. Dieser emotionale Aspekt bestimmt maßgeblich das Arbeitsfeld des Lichtdesigners. Die Studienziele sind vom Berufsverband der Lichtgestalter (ELDA - European Lighting Designers' Association) festgeschrieben worden.

Vor dem achtsemestrigen Studium gibt es das obligatorische Praktikum in einem Lichtplanungsbüro, bei Herstellern von Lampen beziehungsweise Leuchten oder im artverwandten Bereich der Forschung und Entwicklung. Iska Schönfeld: "Wir bemühen uns, sehr praxisbezogen zu lehren, das heißt 30 % Theorie und 70 % Praxis." Die Wirkung des Lichts lernen die Studierenden in einem Lichtstudio zu "erfühlen". Im Versuchslabor können Tageslichtmessungen durchgeführt und Installationen realisiert werden. Außerdem gibt es eine eigene Holzwerkstatt für Modellbau, eine weitere mit einer Rapid-Prototyping-Maschine für größere Projekte und eine Schmiede. So kann sich jeder Student bis zur letzten Schraube seine eigene Beleuchtung selbst herstellen.
Da die Studierenden im fünften Semester ein Praxissemester absolvieren müssen, arbeitet die FH auch mit internationalen Planungsbüros zusammen. Die Zusammenarbeit mit der Industrie sieht so aus, dass Vertreter der Industrie an die FH kommen und Vorträge halten, ihr Unternehmen beziehungsweise ihre Produkte präsentieren, Projekte sponsern, zum Beispiel mit Leuchten für eine Installation, oder einfach ihr Know-how zur Verfügung stellen. Unterstützung - auch finanzieller Art - finden die Studenten bei der ELDA, die es ihnen beispielsweise ermöglicht, an Tagungen teilzunehmen, sowie bei der LiTG, der Lichttechnischen Gesellschaft Deutschland.

Wie praxisnah die Ausbildung ist, zeigt sich an folgenden Aufgaben: Eines der zusammen mit dem Atelier Markgraph in Frankfurt, dem Ingenieurbüro Transolar in Stuttgart und dem Lichtplanungsbüro L-Plan in Berlin durchgeführten Projekte war die "Experimental Cloud" auf der Luminale zur Light + Building 2002 in Frankfurt. Eine dynamische Wolke, künstlich im Innenraum eines Gebäudes erzeugt, in atmosphärisches Licht gesetzt - diese außergewöhnliche Inszenierung bildete den Höhepunkt der Sonderausstellung. Peter Uhrig, einer der am Projekt beteiligten Studenten: "Die Besonderheit dieses Projekts lag nicht nur in seiner Dimension, sondern vor allem in seinem beispiellos experimentellen Charakter. Aufgabe war es, eine noch nie zuvor künstlich in einem Innenraum simulierte Umweltbedingung durch den Einsatz von künstlichem Licht erlebbar zu machen."
Ein weiteres Projekt der FH, die Beleuchtung einer Geschäftsfassade, wurde im Rahmen des ICSID-Kongresses im letzten September in Hannover durchgeführt. Die Veranstalter wollten mit den "Designaspekten" auch die Hannoveraner vom weltweit größten Designkongress profitieren lassen und stellten die Innenstadt eine Woche unter das gestalterische Motto: Ein ungewohntes Bild bot sich Passanten, die vom Hauptbahnhof Richtung Georgstraße unterwegs waren. Dort, am Haus mit der Nummer 8, setzten - schon von weitem sichtbar - dynamisch pulsierende Farblichtspiele ein exklusives Lederwarengeschäft effektvoll in Szene.
Hinter der Aufsehen erregenden Inszenierung steckte eine raffinierte Installation. Ziel des Projektes "Licht-Pulsmeter" war, Licht und die spezielle Architektur dieses Geschäfts in Einklang zu bringen. So liefen beispielsweise in der Fensterfassade von innen Lichtbänder, die sich von Rot nach Gelb veränderten. Die Leuchten waren in ein intelligentes Lichtmanagementsystem eingebunden, das den Lichtverlauf nach einer vorprogrammierten Choreographie gezielt steuerte. Die Installation wurde von Studierenden des 2. und 3. Semesters entwickelt, geplant und - mit fachkundiger Unterstützung - selbst montiert. Licht- und Luxmate Steuerungssysteme wurden von Zumtobel Staff gesponsert.

Iska Schönfeld hält die Lichtplanung besonders auf Messen für unverzichtbar: "Ohne Licht gibt es nichts auszustellen. Denn auch eine Tageslichthalle schafft es nicht, ein Produkt so in den Vordergrund zu rücken, dass es sich von der Umgebung abhebt. Licht ist das A und O." Das würde von vielen noch unterschätzt. Häufig würden die Wirkung des Objekts, seine Farbigkeit oder Oberfläche, durch falsche Beleuchtung oder Blenden kaputtgemacht. Das Thema würde immer vielfältiger - auch die Technik. Mit dem Gewinn an Bedeutung käme immer häufiger der Lichtplaner ins Spiel. Um sich den Herausforderungen dieses spannenden Mediums stellen zu können, bräuchte es hervorragend ausgebildete Fachleute.
Gleicher Meinung ist auch der Diplomdesigner Martin Krautter, Pressesprecher der ERCO Leuchten GmbH, Lüdenscheid: "Als führender Produzent anspruchsvoller Lichtwerkzeuge, aber auch als Aussteller auf internationalen Fachmessen, blicken wir auf viele Jahre äußerst erfolgreicher Zusammenarbeit mit professionellen Lichtplanern und -designern zurück. Es ist enorm, wie sehr sich die Aufmerksamkeits- und Erlebnisqualität einer Standarchitektur durch gekonnte Lichtgestaltung noch steigern lässt. Dass nun auch in Deutschland - wie zum Beispiel in den USA schon seit Jahrzehnten - professionelle Ausbildungsgänge für diesen hoch spezialisierten Beruf entstehen, begrüßen wir daher rückhaltlos. Insbesondere, da wir mit vielen der entsprechend engagierten Lehrkräfte wie etwa Professor Andreas Schulz (FH Hildesheim) oder Professor Uwe Belzner (FH Coburg) seit langem intensive Kontakte pflegen und die Ausbildung der zukünftigen Lichtplaner und Lichtdesigner bei ihnen in besten Händen sehen."

Lighting-Designer: ein Beruf mit Zukunft. Durch die breit gefächerte Ausbildung ist es möglich, in vielen Bereichen zu arbeiten. Iska Schönfeld: "Die Absolventen können ins Produktdesign gehen, entweder im Designbüro oder in der Industrie, oder in Lichtplanungsbüros. Eine weitere Möglichkeit bietet die Industrie; je nachdem, wie die Studierenden sich spezialisieren: Wer sich für den technischen Bereich interessiert, geht in die Entwicklung, wer eher eine kaufmännische Ader entwickelt, ins Marketing."
Trotz schlechter wirtschaftlicher Lage seien die Absolventen sehr begehrt. Kein Wunder, gibt es doch niemanden, der so umfassend ausbildet wie die FH Hildesheim/Holzminden/Göttingen. Schönfeld: "Zurzeit müssen die Unternehmen sich ihre Mitarbeiter selbst ausbilden und treiben häufig einen phänomenalen Schulungsaufwand. Aber in der Breite des Wissens kommen sie nicht an diesen Studiengang heran." Angela Wiegmann

m+a report Nr.3 / 2004 vom 23.04.2004
m+a report vom 23. April 2004