Pendeln zwischen Mikro und Makro

Das Ganze im Detail sichtbar machen ist die Aufgabe von kleinen Messeständen. Wer wenig Platz zur Verfügung hat, ist gezwungen, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren. Dieser Umstand birgt durchaus Chancen für das Endergebnis.

Nicht einmal 40 m2 betrug laut einer Erhebung des Ausstellungs- und Messe-Ausschusses der Deutschen Wirtschaft (AUMA), Berlin, im vergangenen Jahr die durchschnittliche Standgröße auf überregionalen Messen in Deutschland. Bei den regionalen Veranstaltungen waren es mit 29,7 m2 noch einmal etwa 10 m2 weniger. Das klingt ernüchternd und wirft gleichzeitig viele Fragen nach den Besonderheiten und Fallstricken des großen Auftritts auf kleiner Fläche auf.
Für Fabian Friedrich, geschäftsführender Gesellschafter von PLAN 3, München, sind kleine Stände nicht gleichbedeutend mit kleinem Budget und schlechtem Design. "Die Kunst beim Designen kleiner Stände ist die Reduktion auf das Wesentliche - der Architekt muss sich fragen, welche Elemente des Corporate Designs, der Ausstattung und aus baulicher Notwendigkeit unbedingt erforderlich sind und was weggelassen werden kann. Kleine Stände können eine spannende Herausforderung für die Architekten sein, weil auch auf einem kleinen Stand alle Wünsche der Kunden umgesetzt werden müssen, ohne dass der Stand überladen und unübersichtlich wirkt." Das mache eine klare Strukturierung und den zurückhaltenden Einsatz von architektonischen und grafischen Elementen notwendig, auch bei dem Wunsch, sich optisch von Mitbewerbern und Nachbarständen abzusetzen.
"Zudem sind messeseitig durch bauliche Vorschriften Grenzen gesetzt", gibt Friedrich zu Bedenken, "zum Beispiel, was die Bauhöhe betrifft. Hier ist ein Perspektivenwechsel gefragt, der diese ,Begrenzungen' durch pfiffige Lösungen ins Positive wandelt. Aus Erfahrung können wir sagen, dass bei der Planung kleiner Stände die sorgfältige Umsetzung der Corporate Identity und die optimale Präsentation der Exponate wichtig sind, denn aus einem kleinen kann immer wieder auch ein großer Stand erwachsen."
Aufgrund der Kundenanforderung, gleiche Qualität auf kleinen Ausstellungsflächen wie auf großen Messen zu zeigen, hat MIKS Konzepte eine eigene "Kleinserie" von Auftritten auf reduzierten Flächen umgesetzt und sich damit denselben Anforderungen gestellt, wie der ausstellende Kunde sie erfährt. So reichte dem Unternehmen ein kleiner Inselstand von 12 m2 aus, um sich 2005 erstmalig auf der EuroShop in Düsseldorf zu präsentieren. In überspitzter Weise gelang es den Hamburgern, einen besonderen Mehrwert - Fläche im Verhältnis zu Aussage - für die Kunden anschaulich herauszuarbeiten. "Eine Fokussierung auf wesentliche Ziele in Verbindung mit einer klaren Strukturierung erzeugt eine stimmige Atmosphäre und die gewünschte Ansprache. Gleichzeitig ist damit die Problematik eines jeden Ausstellers auf den Punkt gebracht: bei minimalem Raum- und gegebenenfalls Kostenaufwand eine maximale Wirkung zu erzielen", so Levke Wieghorst, Assistentin der Geschäftsführung.
"Aus diesem Ansatz heraus wurde für die marketingservices in Frankfurt wenige Monate später ebenfalls nach diesem Prinzip gearbeitet, allerdings in einer Abwandlung, um auch gleich eine zweite Erfahrung mit dem Mini-Max-Prinzip zu sammeln. Relevant ist dieser Ansatz vor allem deshalb, weil aktuell Fachkongress-begleitende Ausstellungen, auch im internationalen Bereich, deutlich an Bedeutung gewinnen. Dort finden viele Aussteller ein sehr hochwertiges, konzentriertes Publikum und favorisieren den größeren Aufwand in Form eines repräsentativen Standes gegenüber einer Pop-up-Lösung." Wenn diese kleinen Anlässe dann noch unter maximaler Wiederverwendung eines Materialsatzes und unter Kostenaspekten optimale Effizienz bieten sollen, seien die Anforderungen an das Konzept und die technische Struktur unter Haltbarkeits- und Logistikaspekten besonders hoch. Für die marketingservices 2006 stand dann ein anderer Aspekt im Vordergrund der eigenen Messeaktivitäten. Diesmal ging es darum, Atmosphäre zu schaffen, es in puncto Charme und USP auf den Punkt zu bringen. Wieder lautete das Motto: "lebe lieber ungewöhnlich", respektive "stelle Dich lieber ungewöhnlich dar". Der nur durch drei türbreite Öffnungen Einlass gewährende Stand bot übergroße Silhouetten der Mitarbeiter und dazu provokant aufgestellte Aussagen und regte dadurch zum Nachdenken und Nachfragen an. Zum Abschluss der Messe konnten sich die Besucher mit den Mobiles der Deckenkonstruktion ein Stück des Standes und damit des Ausstellers mit nach Hause nehmen. Mit den Punkten Verzicht auf hohe Bauweise, Verzicht auf konkrete Kompetenzbeweise (auf Kundenseite wären das beispielsweise breit aufgefächerte Exponate), stattdessen Branding auf Augenhöhe (auch im übertragenden Sinn) und Kommunikation innerhalb des Messestandes abgeschirmt von den restlichen Ausstellern wurde experimentiert und nach eigener Aussage ein besonders gutes Ergebnis erzielt.
Ein weiteres Selbstpräsentationsbeispiel eines Messebauunternehmens auf der marketingservices in Hamburg: kohlhaas messebau, Germering, setzte mit seinem Auftritt ein klares Konzept konsequent um. Die Besucher wurden in die Welt der Vinylschallplatten entführt und von vielen liebevollen Details verzaubert. In einer warmen Atmosphäre wurden Referenzen in aufwendig gestalteten Plattencovers präsentiert, Materialien gezeigt sowie die ein oder andere Scheibe auf dem nostalgischen Kofferplattenspieler abgespielt.
Dominiert wurde der Stand durch eine 3,5 m hohe Rückwand in sonnigem Orange, das die geometrische Linienführung des schwebenden Beleuchtungsbands als Relief aufnahm. Der Fronttresen für die Referenzcover und Materialschübe wirkte wie aus einem Guss und folgte dieser Bewegung. Dunkles Holz kombiniert mit semitransparentem hinterleuchteten Plexiglas und einem grauen hochflorigen Teppich verschmolzen zu einem frischen und sympathischen Standdesign auf gerade einmal 18 m2.
Dass es mehr auf die stimmige Idee als auf die Größe ankommt, bewies auch der Uhrenhersteller Nomos Glashütte mit seinem Auftritt auf der diesjährigen Baselworld. Bei dem Konzept ging es vor allem darum, sich in der Unternehmenspräsentation deutlich von den Mitbewerbern zu unterscheiden. Deshalb stützte es sich auf das "Nomos Universallexikon in Farbe und mit beeindruckendem Kartenteil", ein Buch, das in humoristischer Weise und in Form eines Lexikons über das Unternehmen informiert.
"Es sollte alles ein wenig so aussehen, als hätten wir uns in der Messe geirrt, als wären wir eigentlich auf eine Buchmesse vorbereitet und würden uns nun überraschend auf einer Uhrenmesse wiederfinden", berichtet Pressesprecher Jan Hendrik Montag. "Also haben wir den gesamten Stand als großes Buchregal gestaltet und mit insgesamt 3000 Büchern die Idee eines Verlags mit angeschlossener Uhrenmanufaktur untermauert. Ein kleines Buchregal mit ein paar Beispielbüchern hätte keinesfalls gereicht, die leichte Irritation zu verursachen, die wir nur zu gern auf dieser ansonsten konservativ gestalteten Messe auslösen wollen. Weil im Buch viele Geschichten sind, haben wir eine umgebaute Vitrine mit zwei ipods bestückt, auf denen die Artikel des Lexikons als Hörbuch abrufbar waren, und außerdem auch Bilder, Fernsehsendungen und ein Werbespot. Die zweite Vitrine zeigt selbstverständlich dann doch unser Produkt: die Uhren."
Entworfen wurde der 28 m2 große Stand von dem Mönchengladbacher Künstler Klaus Schmitt, der für Nomos bereits in der Vergangenheit Messestände und sogar Firmengebäude gestaltet hat. (Er leitete den Umbau des Glashütter Bahnhofs, das neue Domizil der Manufaktur.)
"Wir wollten mit der offenen und farbigen Gestaltung unseres Standes alle Messebesucher ansprechen, nicht nur die Fachbesucher", erklärt Montag weiter. "Wir wollten Gesprächsmöglichkeiten auch für die Endkunden schaffen, die sich von der hermetisch abgeschlossenen Bauweise anderer Uhrenhersteller abgeschreckt fühlen. Dennoch sollten unsere Händler und Distributoren eine sinnvolle Gesprächsatmosphäre vorfinden. Dabei half die offene und flexible Gestaltung des Standes bei der Organisation der Gespräche, weil kurzfristig Tische für größere Gruppen zusammengestellt und Gesprächspartner in jeweils andere Gesprächskreise wechseln konnten."
Mit ihrem Auftritt auf der Expo Real 2005 in München wollte die HeLaBa (Landesbank Hessen-Thüringen) einen bleibenden Eindruck auf kleiner Fläche hinterlassen. Das Messebau- und Designunternehmen spacewood, Frankfurt, und mezzo systems, Rottenfuß, waren sich schnell einig: Der Maintower, Teil der imposanten Skyline der Mainmetropole und Hauptniederlassung der HeLaBa, sollte aus dem 87,5 m2 großen Messestand herausragen. Die nahezu realitätsgetreue Nachbildung des Maintowers wurde durch die filigranen Aluminiumprofile des mezzo-Systems ermöglicht. Ein technisches Highlight des Originals - die intelligente Klimaregulierung durch Sonnenschilder - wurde im Design umgesetzt.
Der Messestand des belgischen Leuchtenherstellers Kreon zur Light + Building 2006 in Frankfurt war mit 150 m2 zwar deutlich größer als der durchschnittliche Messestand, bot aber gerade so viel Platz, um einen Überseecontainer und sein ausfahrbares Innenleben zu präsentieren. Vor den Augen der Messebesucher löste sich die Bodenplatte des Containers vom restlichen Gehäuse, um am Boden liegen zu bleiben, während die Hülle hydraulisch in 5 m Höhe gehoben wurde. Der Innenraum und zusätzlich ausgefahrene Flanken bildeten dann die architektonische Bühne für die "tools of light" von Kreon. Die Firmenphilosophie wurde durch die begehbare Architektur des Containers unmittelbar und auf kleinstmöglichem Raum erfahrbar. Durch diese mobile und hoch technische Form der Präsentation, die bereits in über 15 Ländern gezeigt wurde, unterstrich das Unternehmen seinen Anspruch im Bereich Forschung und Entwicklung.
Ein kleiner Messestand, der konzeptionell klein entworfen wurde, richtet die Aufmerksamkeit der Besucher direkt auf die Essenz der Aussage. Der sich öffnende und schließende Container erzeugt eine hohe Spannung und bündelt die Aufmerksamkeit des Betrachters wiederum auf einen einzigen Punkt. Auf einer größeren Fläche wäre die Botschaft des mobilen Containers womöglich untergegangen. Die Menschen, die den Container beschritten, sollten sich zudem auf einer kleinen Fläche begegnen, um so den gemeinschaftlichen Gedanken erfahren zu können.
"Alle Entwicklungen sind aus dem Hause Kreon selbst und beruhen auf unseren Kenntnissen und Erfahrungen", berichtet Kristof Pycke, Leiter Produktentwicklung/Design. "Durch das Verweben unserer Produkte mit Architektur suchen wir grundsätzlich die Interaktion. Indem die Architektur ein Träger für unsere ,tools of light' ist, werden die Leuchten selbst zu Architektur - und umgekehrt. Für uns ist ein Entwurf erst dann gelungen, wenn wir diese ständige Pendelbewegung zwischen Mikro und Makro fühlen: ein- und auszoomen, ein Dialog zwischen dem Detail und dem Ganzen. Dieser Anspruch kommt aus uns selbst und unseren Produkten. Da liegt es nahe, dass Kreon seinen Messeauftritt selbst gestaltet."

m+a report Nr.5 / 2006 vom 14.08.2006
m+a report vom 14. August 2006