Vorurteile können auch Vorteile sein

Mit dem diplomatischen Wortschatz der Eidgenossen ausgedrückt: Die Schweiz ist speziell. Der heimische Eventmarkt profitiert davon kräftig.

Vorurteile, die sich über die Schweiz hartnäckig halten, tragen einen wesentlichen Teil zum USP der helvetischen Veranstaltungsbranche bei. Und die ist hervorragend aufgestellt: Top-Veranstaltungen im Public- und Businessbereich glänzen durch schweizer Präzision wenn es um Konzeption, Organisation und Durchführung geht. Ein Blick auf die Schweizer Eventbranche und deren Erfolgsfaktoren:
Scheint es auf den ersten Blick so, als seien nur die großen Ballungsgebiete rund um Genf, Basel und Zürich Hochburgen der Eventszene, so bietet sich bei näherer Betrachtung ein differenziertes Bild: Das ländlicher geprägte Umfeld steht den bekannten Größen mit vielen kleinen Veranstaltungen und Locations in Nichts nach: Urbanes, modernes Flair vereint sich hier über kurze Distanzen mit landschaftlicher Schönheit und Ruhe. Diese Vielfalt findet ihre Entsprechung im reichhaltigen Angebot. Besucher aus aller Welt haben die Wahl zwischen unterschiedlichsten hochkarätigen Publikumsevents aus Kultur, Musik und Sport: von Filmfestspielen über sportliche Weltmeisterschaften bis zur weltgrößten Techno-Straßenparade. Im Businessbereich sind es vor allem die Corporate Events, Hauptversammlungen oder Incentives, die entweder in trendigen Eventlocations der Großstädte stattfinden oder frei nach dem Motto "back to the roots" ebenso die ländliche Idylle und den einmaligen Charme der Bergwelt miteinbeziehen. "Zwar können wir in der Schweiz nur in begrenztem Maße Events für große Besucherzahlen durchführen, doch was wir im Kleinen aber dafür sehr Feinen anbieten können, ist einzigartig" sagt Georg Twerenbold von t´nt events aus Zürich. "Es liegt im Trend, kleinere Veranstaltungen in Abgeschiedenheit und ruhiger Umgebung durchzuführen." Dass dies nicht unspektakulär sein muss, zeigt zum Beispiel "Rent-a-Village": Das mittelalterliches Bergstädtchen Gruyères ist exklusiv und mit allem vorstellbarem Service und Programm zu mieten. Wo sonst gibt es etwas Vergleichbares? Speziell eben.
Speziell sind auch andere Eigenheiten der Schweizer Eventszene, die sich etwa bei den Businessevents ausmachen lassen. Zum Beispiel, dass es Vorurteile gegenüber der Schweiz gibt, die den Eventmachern gerade recht kommen.
So stammen die wichtigsten Auftraggeber des nationalen Marktes aus jenen Branchen, die man international mit der Schweiz assoziiert: Der Finanzsektor und die Pharmaindustrie zählen zu den wichtigsten und umsatzstärksten Kunden. Hinzu kommen große internationale Institutionen, die wie die FIFA oder das Internationale Olympische Komitee ihren Hauptsitz in der Schweiz haben und ebenso potente wie gerngesehen Auftraggeber sind. Umgekehrt fördern diese renommierten Kunden das exklusive Image des Eventplatzes Schweiz.
Exklusivität und High-Class - dafür steht die Schweiz. Meetings und Events der Eidgenossen genießen einen entsprechenden Ruf, der verpflichtet und den es zu bewahren gilt. Strategische Partnerschaften von Anbietern und Zulieferern zählen im Markt zu den wesentlichen Erfolgskriterien. Bevorzugt werden nationale Partner, die mit "Swiss Quality" die Erwartungen sowohl der Schweizer als auch der internationalen Kundschaft bedienen. "Die Schweiz hat nicht nur als Destination einen ganz besonderen Ruf", so Jörn Wagenbach, am Flughafen Zürich zuständig für die Veranstaltungsräume des ,Eventdocks. "Wer eine Veranstaltung in der Schweiz durchführt, erwartet durchgehend hohe Qualität, einen reibungslosen Ablauf und eben immer ein bisschen mehr als anderswo." Das Vorurteil, Schweizer Partner würden nur beauftragt, um das Geld im eigenen Land zu halten, sei falsch, betonen alle Brancheninternen unisono. Die Branche aber profitiere von diesem Vorurteil; schließlich gingen Kunden immer davon aus, dass diese vermeintliche Konstellation selbstverständlich zu ihrem Besten sei. Das Qualitätsimage der Schweiz ist aber nicht der einzige Pluspunkt für die Eventbranche. Gerade der Eindruck der politischen Neutralität und gesellschaftlichen Stabilität differenziert den Schweizer Markt im internationalen Vergleich. "Wir konnten nach 9/11 eine Re-Location von internationalen Veranstaltungen in die Schweiz dokumentieren - mit der Begründung, man suche einen politisch neutralen und sicheren Ort", erklärt Barbara Albrecht vom Switzerland Convention & Incentive Bureau.
Die Zukunft wird positiv, da sind sich alle einig. Zwar stelle die zunehmende Internationalisierung eine Herausforderung dar. Aber die Schweiz und somit auch ihre Events sollte noch lange von ihrem herausragendem Image profitieren können. Auf den Lorbeeren ausruhen will man sich trotzdem nicht. "Die Fußballeuropameisterschaft EURO '08 steht an und wir haben schon jetzt den Terminkalender für den Zeitraum geblockt", sagt Hugo Mauchle vom Hallenstadion in Zürich.
Nicht nur die größte Schweizer Mehrzweckhalle rüstet sich für das nächste Fußballspektakel, sondern die ganze Branche: "Die WM in Deutschland hat gezeigt, welche positiven Impulse davon ausgehen. Wir nehmen die perfekte Organisation des Großanlasses in Deutschland zum Vorbild und werden versuchen, es ganz Swiss-like mindestens genauso gut zu managen."Marie-Theres Wahle

m+a report Nr.5 / 2006 vom 14.08.2006
m+a report vom 14. August 2006