Tradition plus Innovation

Menschen wollen immer etwas probieren, etwas anfassen. Allerdings sind die Verbraucher anspruchsvoller geworden. Mit der Produktpräsentation allein ist es nicht mehr getan. Neue Ideen für Regionalmessen sind gefragt.

Regionale Veranstaltungen sind traditionsreich und in der jeweiligen Gegend fest verwurzelt. Jedoch befindet sich dieses Segment nach wie vor in einer Phase, die größtenteils von Stagnation gekennzeichnet ist, von einigen Ausnahmen abgesehen. Nach Ansicht von Heiko Könicke, Geschäftsführer der AFAG Messen und Ausstellungen GmbH, Nürnberg, ist die Durststrecke der letzten drei Jahre überwunden: "Ausstellerzahlen und vermietete Fläche bewegen sich wieder nach oben. Lediglich bei den Besucherzahlen haben wir noch Stagnation".
Um den Verbraucher zu einem Messebesuch zu animieren und neue Aussteller für eine Teilnahme zu gewinnen, bedarf es also neuer Ideen. Christoph Hinte, Geschäftsführer des Messeveranstalters HINTE, Karlsruhe: "Es geht weniger um Traditionen, sondern um konzeptionelle Innovationen. Eine allgemeine Verbraucherausstellung, wie man sie von früher her kennt, funktioniert heute nicht mehr - trotz des breiten Angebotsspektrums. Heute ist es wichtig, eine gesamtheitliche Marketingstrategie zu fahren." In Richtung Marketing ist Christoph Hinte bereits einen neuen Weg gegangen: Die als Tochtergesellschaft der Hinte Messe zum 1. Januar 2006 gegründete Hinte Marketing & Media GmbH startet noch in diesem Jahr ihr erstes Fernsehprojekt "Messe TV1" bei dem Karlsruher Regionalsender R.TV. Das Projekt ist Bestandteil einer zukünftigen Dienstleistungspalette. "Messe TV1" startet ab September 2006 als 15-Minuten-Magazin mit Reportagen, Interviews, Berichten und News.
Wichtige Faktoren für eine erfolgreiche Regionalmesse sind beispielsweise attraktive Rahmenprogramme. Das Rezept der Messe Sinsheim GmbH: eine ausgewogene Mischung aus Sonderschauen, Mitmach-Aktionen für Besucher, spektakulären Shows/Vorführungen zu verschiedenen Themen und eine qualitativ hochwertige und repräsentative Verkaufsausstellung - ein Erlebnis-Mix, der für beste Unterhaltung der Interessenten sorgt. Die Messe Sinsheim hat sich in den vergangenen Jahren vor allem als Veranstalter von Ausstellungen im Modellbau-Bereich einen guten Namen gemacht. Dafür legt die Hälfte der Besucher sogar einen Anfahrtsweg von mehr als 200 km zurück. Das ist eher die Ausnahme, denn die durchschnittliche Reichweite einer Regionalmesse liegt bei 25 bis 50 km. Auch die AFAG konnte mit einer besonderen Ausstellung viele interessierte Besucher weit über das normale Einzugsgebiet hinaus gewinnen. Heiko Könicke: "Wie viele unserer Kollegen sind wir dazu übergegangen, Top Events mit internationaler Ausstrahlung in die Veranstaltungen zu integrieren. Beispielsweise mit exklusiven Präsentationen wie "Tutenchamun". Erfahrungen ganz anderer Art kommen von der Mannheimer Ausstellungsgesellschaft mbH. Hier ist im Hinblick auf Rahmenprogramme in jüngster Zeit eine Rückbesinnung auf die bewährte Praxis eingetreten. Einige Veranstalter hatten verstärkt auf unterhaltende Begleitveranstaltungen gesetzt, mussten aber feststellen, dass diese keineswegs die Attraktivität der Messen erhöhten, sondern eher vom eigentlichen Messeangebot ablenkten. So sind jetzt wieder Rahmenprogramme angesagt, die das Angebot an Produkten und Dienstleistungen aufgreifen und ergänzen. Die Infa greift in einer Sonderausstellung das Trendthema "Kochen" auf. Und so entstand die "Kochlust - Das Erlebnis für Besserkocher & Schöneresser"; mit Showküche, Kochkunst und Außergewöhnlichem für Tisch & Tafel. Carola Schwennsen, Geschäftsführerin Fachausstellungen Heckmann, Hannover: "Spezialisierungen innerhalb der Veranstaltungen sehen wir als eine zusätzliche Möglichkeit, das Publikum zu fesseln". Ein weiteres Highlight der Veranstaltung ist die Sonderfläche "Lust auf Bad". Durch diese neuen Konzepte wurde aus der ehemaligen "Hausfrauenmesse" mit Kochtöpfen, Blutdruckmessern und Gurkenhobel die heutige Infa, eine der größten Regionalmessen Deutschlands.
Ebenfalls mit einem neuen Messekonzept ging die "House & Lifestyle" in Hannover und Göttingen an den Start. Sie präsentiert sich mit einer Vielzahl an Ideen für drinnen und draußen in einem besonderen Ambiente. Ein Highlight auch in gestalterischer Hinsicht ist die "Giardina", die - nach Karlsruhe - ab 2007 auch Hamburg erobern soll. Die Idee stammt aus der Schweiz. Mit aufwendig gestalteten Showgärten und faszinierenden Sonderschauen sowie hochwertigen Outdoor-Möbeln und ausgesuchten Accessoires wurde die Messe mittlerweile zur europäischen Trendsetter-Veranstaltung.
Die Messe Pirmasens setzt auf Weiterentwicklung ihrer Messen und Veranstaltungen. Beispielsweise wurde die "Angeln, Jagen & Natur" für 2006 um das Thema Reitsport ergänzt und spricht somit die ganze Familie an. Damit wurde ein weiterer, wichtiger Aspekt für den zukünftigen Erfolg einer Regionalmesse erfüllt: die Gewinnung neuer Zielgruppen.
Die Infa hat sich ebenfalls mit neuen Themen neuen Zielgruppen geöffnet: Durch den Bereich "Bauen" besuchen nun verstärkt Männer die Veranstaltung. Auch mit der Organisation von Gala-Abenden zur Sonderausstellung "Lebensart" ist es den Messemachern gelungen, neue Interessenten zu erreichen. Carola Schwennsen: "Mit diesen Events haben wir nicht nur neue Zielgruppen überzeugt, sondern können den Ausstellern auch ein Marketinginstrument an die Hand gegeben. Denn sie können an solchen Abenden ihre Kunden individuell einladen und betreuen." Der Mannheimer Maimarkt spricht mit einer eigens geschaffenen Spielwelt die "Zielgruppe von morgen", die Kinder an. Eine Unterteilung der besonderen Art hat sich die neue Publikumsmesse berlin!berlin! einfallen lassen: Es gibt "hits für teens", "tipps für singles", "infos für familien" und "herz für zwei".
Nicht nur die Fußballweltmeisterschaft hat es geschafft, mit einem bisher eigentlich überwiegend der Männerwelt vorbehaltenen Thema die Zielgruppe "Frau" zu erreichen. Die Tuning World Bodensee zeigt, dass Frauen auch im Bereich "Auto" auf dem Vormarsch sind. Bei der letzten Veranstaltung konnten sich die Veranstalter über einen Besucherinnenanteil von 25 % freuen.
Und wie sieht es mit der Zukunft der Regionalmessen aus? Nach Ansicht der Mannheimer Ausstellungsgesellschaft mbH werden regionale Fachmessen für Verbraucher und Fachbesucher auch in Zukunft wichtige Absatzinstrumente bleiben. Gute Chancen rechnet auch Projektleiter Armin Domdey bei der Stuttgarter Messe- und Kongressgesellschaft mbH aus: "Ausstellungen für Verbraucher müssen in Zukunft mehr bieten als Einkaufsmöglichkeiten. Der Besuch muss einen Mehrwert in Form von Edutainment haben und Zugang zu spezifischen Informationsmöglichkeiten bieten, für die er im Einzelhandel oder auf anderen Veranstaltungen separat bezahlen müsste. Dadurch erhält eine Regionalmesse auch in Zukunft die Möglichkeit, durch ihre Attraktivität viele Besucher anzuziehen."Angela Wiegmann

m+a report Nr.5 / 2006 vom 14.08.2006
m+a report vom 14. August 2006