Nur nicht überfüttern

Pressekonferenzen sind ein beliebtes Marketinginstrument. Journalisten als Multiplikatoren werden schnell und zeitgleich erreicht. Nur: Anlass und Zeitpunkt müssen stimmen, sonst wird die PR-Aktion ein Flop.

Wie der Kopierer funktioniert weiß ich nicht." Die nette Dame am Empfang der Messe ist freundlich, aber hilflos. Schlecht für die PR-Agentur, die kurz vor ihrer Pressekonferenz auf der Messe vom dort ausstellenden Kunden noch einige Änderungswünsche für den Text bekommen hat. Wenn so etwas passiert, dann meistens in letzter Minute. Da heißt es Nerven behalten und schnell sein, um die Pressemappen mit der neuen Rede des Vorstands zu aktualisieren.
Gisa Weingartz, Projektmanagerin der Neusser PR-Agentur Bluemoon, hat mit solchen Wünschen sonst keine Probleme. Aber: "Diesmal war es ziemlich katastrophal, weil die Technik vor Ort nicht stimmte. Das hat viel Zeit gekostet. Von einem Messeveranstalter erwarte ich mehr Service als das, was wir geboten bekommen haben." Nicht nur, dass weder Kopierer noch Drucker im Pressezentrum vorhanden waren, die Journalisten konnten dort auch nicht online gehen. Zusätzlich ärgerte die PR-Frau die unflexible Haltung des Veranstalters. "Wir hatten, wie üblich, die Mappen unseres Kunden in leeren Pressefächern deponiert. Leider wurde uns beschieden, dass wir diese nicht nutzen dürften, da sie reserviert seien." Eine Praxis, die heute nicht mehr unbedingt üblich ist. "Trotz unserer Bitte, sie wenigstens zeitweise belegen zu dürfen, mussten wir die Fächer räumen - die dann während der gesamten Messelaufzeit leer blieben."
PR-Agenturen haben einen explosiven Job. Als Dienstleister für ihre Aussteller und Mittler zum Messeveranstalter sitzen sie oft zwischen Baum und Borke. Was nicht klappt, wird nur allzu gern der Agentur in die Schuhe geschoben. Vor Vorbereitung und Durchführung von Pressekonferenzen (PK) auf Messen sollten daher Agenturen durchaus hinterfragen, ob denn die PK das geeignete Kommunikationsinstrument ist, Produkt oder Neuigkeit an den Mann zu bringen. Oft dient eine kleinere Veranstaltung am Stand der Sache mehr als die große Show. Dieser Rat gilt besonders für mittelständische Unternehmen, die - oft noch inhabergeführt - in der Pressekonferenz das ultimative PR-Instrument sehen.
Aussteller mit Messeerfahrung wissen aber, dass es nicht immer die Pressekonferenz sein muss und haben ihre eigenen Checklisten erstellt, nach denen sie Sinn oder Unsinn einer Presseveranstaltung eruieren können. Und Agenturen als Dienstleister können ihren Kunden einige Fallstricke aus dem Weg räumen.
Profis auf dem Gebiet der Produkt-PR sitzen auch beim Herborner Unternehmen Rittal. Sie organisierten beispielsweise ihre letzte Pressekonferenz selbst, nutzen aber - wo nötig - externe Dienstleister, wie etwa für die Film- und Videotechnik. Auch die Nachbereitung des Ereignisses ist durchgeplant. Clippings werden bei Rittal extern und intern erstellt. Jede Pressekonferenz hat zusätzlich nochmals einen eigenen Pressespiegel. Damit lasse sich über einen klar definierten Zeitraum auch der Erfolg einer solchen Veranstaltung messen. Rittals Maxime: Die Presse wird hauptsächlich zur Vorstellung großer Weltneuheiten eingeladen. "Das machen wir in der Regel direkt bei uns in Herborn. Wir nutzen die Messen eher für den persönlichen und guten Kontakt zur Presse", sagt Martin Kandziora, Leiter Marktkommunikation bei Rittal.
"Die Kommunikation zum Markt via Fachpresse hat in unserem Hause traditionell einen hohen Stellenwert", betont auch Angela Josephs-Olesch, Pressesprecherin und Leiterin der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit bei Phoenix Contact, Blomberg. "Das Instrument Pressekonferenz setzen wir selektiv ein, insbesondere auf Messen." Insofern veranstaltet Phoenix Contact in erster Linie Pressekonferenzen mit globalem, strategischem Inhalt. Bedenken in der Kommunikationsflut einer großen Messe, wie der Frankfurter Light+Building oder der Hannover Messe unterzugehen, haben beide Unternehmen nicht. "Das verhindern wir, indem wir zur Hannover Messe keine strategische Unternehmens-Pressekonferenz veranstalten", erklärt Josephs-Olesch ihr Kommunikationsprinzip.
Kandziora dagegen setzt auf den Neuheitenwert: "Wir stellen jedes Jahr mehr als 500 Neuheiten vor, da ist das Interesse der Presse automatisch gegeben."
Festzustellen, welchen Wert eine Pressekonferenz letztlich für das Unternehmen und die Marke hatte, steht wiederum auf einem anderen Blatt. Kandziora ist überzeugt: "Der Wert einer Marke ist von mehreren Faktoren abhängig, eine Pressekonferenz spielt dabei eine Teilrolle, da wir auf ihr die Meinungsbildner als erstes über ein topaktuelles Thema informieren." Zum Leuchten komme die Marke erst durch echte Innovation, Kontinuität in der technischen Weiterentwicklung oder globalen Präsenz.Auch in Blomberg arbeitet man autark: "Wir planen und organisieren Pressekonferenzen komplett inhouse, so wie wir unsere gesamte Pressearbeit grundsätzlich mit eigenen Kapazitäten - einer siebenköpfigen Abteilung - leisten. Das Prinzip des "Insourcing" gehört zu unserer Unternehmenslinie, da wir überzeugt sind, damit die beste intrinsische Motivation, Identifikation mit der Sache und ein Stück weit Leidenschaft mitzubringen." Dementsprechend funktioniert dort auch die Auswertung: "Gemäß des Prinzips des Selbermachens übernehmen wir auch die komplette Nachbereitung, incl. der Clippings. Diese Auswertung wird der Geschäftsführung, dem Management und den Referenten der beteiligten Fachbereiche sowie den Gesellschaftern zur Verfügung gestellt. Alle Veröffentlichungen sind aber auch tagesaktuell unternehmensweit über das Intranet für alle Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen ersichtlich", schildert die Pressefrau den Ablauf.
Auch ihr ist klar: "Die Evaluation von Pressearbeit ist klassisch ein schwieriges Thema. Die quantitative Erfassung wie auch die Analyse der Berichtsqualität und -inhalte ist ein Mittel. Die werthafte Bedeutung für die Marke Phoenix Contact oder ein neues Produkt halte ich jedoch für schwerlich messbar. Hier greift eher unsere tiefe Überzeugung, dass Pressearbeit ein unverzichtbares Instrument im Kommunikationsmix ist. Die Pressekonferenz als direkte Adresse an die Redakteure, die wir als Partner begreifen, kann dieser wichtigen Zielgruppe der Multiplikatoren den Wert der Marke Phoenix Contact oder die Innovationskraft neuer Lösungen nahe bringen.
Insofern sehen wir diese Veranstaltung durchaus als sinnvollen Invest zur Markenstärkung an."

m+a report Nr.4 / 2006 vom 15.06.2006