Das Ende der Dreißigsekünder

... ist mit dem diesjährigen ADC-Wettbewerb sicher nicht gekommen. Aber nichtklassische Werbeformen gewinnen an Stellenwert und ihre Macher an Selbstbewusstsein.

Zwölf brillante Kommunikationsleistungen wurden beim Art Directors Club (ADC) Wettbewerb in Berlin in diesem Jahr mit Goldmedaillen zu den besten deutschen Kreativarbeiten 2005 gekürt. Silber konnte 33 Mal, Bronze 100 Mal errungen werden. Die Goldgewinner stammen aus den Kategorien Fotografie, Media, TV-Spots, Kinowerbefilme, Editorial sowie Digitale Medien, Kommunikation im Raum und Events. "Dass die nichtklassischen Disziplinen dabei so präsent sind, zeigt das neue Gesicht unseres Wettbewerbs", freute sich ADC-Vorstandssprecher Michael Preiswerk. Spezialdisziplinen waren in den letzten drei Jahren im ADC erfolgreich gestärkt worden und tragen zum immer breiteren Fundament des Kreativclubs bei. Es sei eindeutig belegt, dass diese Disziplinen sich mit Topleistungen einen gleichberechtigten Platz neben der Klassik im Kommunikationskanon erobern konnten. Dass unter den herausragenden Goldarbeiten alleine drei aus den Bereichen Kommunikation im Raum und Event sind, zeigt, wie sehr diese Disziplinen inzwischen ihren Stellenwert im Werbe- und Kommunikationsmix von Unternehmen behaupten können. Dass der klassische Messeauftritt darunter ist, darauf hätte vor einigen Jahren keiner eine - damals noch - müde Mark verwettet. Schon im Vorfeld der Verleihung stellte Preiswerk fest, dass in Zeiten knapper Budgets auch große Unternehmen nach neuen Wegen suchen, um in den Dialog mit den Kunden zu treten. Und davon profitiert nicht zuletzt der "klassische" Messeauftritt, der inzwischen meilenweit von der reinen Produktschau auf ein paar Quadratmetern entfernt ist.
So lobte denn auch Roland Lambrette, Vorsitzender der Jury "Kommunikation im Raum": "Die Qualität der diesjährigen Arbeiten war bemerkenswert hochkarätig. Die Kategorie besitzt eine große Bandbreite an Arbeitsweisen. Hier werden interdisziplinäre und ganzheitliche Konzepte entwickelt. Ebenso weit spannt sich der thematische Bogen zwischen kommerziellen, produktbezogen Ideen, wie dem O2-Messestand, und der Auseinandersetzung mit historischen, sensiblen Themen - die Gestaltung der Gedenkstätte Sachsenhausen. International sind die eingereichten Entwürfe konkurrenzfähig - ohne Zweifel." Insgesamt wünsche sich die Jury aber mehr von den kulturell relevanten Beiträgen, mehr Markenarchitektur, mehr Retail-orientierte Entwürfe. Die beiden Goldträger, O2 und die Gedenkstätte Sachsenhausen, zeigten die Verbindung von Kommunikation und Architektur sowie die inhaltliche Breite der Kategorie "Kommunikation im Raum".
Enttäuschend fand dagegen Matthias Kindler, Vorsitzender der Jury der Kategorie "Events" die "Mutlosigkeit auf breiter Front." Den vielen Schubladenkonzepten ohne Ambition hätten allerdings einige kreative Highlights gegenüber gestanden, die ihre Nägel wert seien. "Diese Nägel sind knallhart und die Arbeiten dahinter haben auch international gepunktet. Kein Wunder, dass die Sieger quasi einstimmig gewählt wurden." Im Bereich der Events ging der einzige goldene Nagel an den VW Fox Launch ,Projekt Fox', der Hamburger Agentur eventlabs für die Volkswagen AG Konzernkommunikation. "Herauszuheben ist das Brockhaus Presse- und Publicevent zur Buchmesse ,Das Wissen der Welt - Sprechoper für 30 + 1 Stimme’ von Milla und Partner/BBDO Campaign. Innovativ, emotional, stark: Hier haben wir ADC Silber gern verliehen", so Kindler weiter.
Außerdem wurden 247 Auszeichnungen verliehen. Die Kreativjury aus 279 Juroren hatte über 6400 eingereichte Exponate unter die Lupe genommen, bevor sie ihre Wahl getroffen hat. Die Trophäen in Form von edelmetallenen Nägeln wurden im Berliner Tempodrom verliehen. Jury-Chairman Michael Conrad: "Innovative Strategien, frische Ideen und Exzellenz in der Ausführung verleihen dem ADC Gold 2006 einen besonderen Glanz." Der Titel ADC Grand Prix, der beim aktuellen ,Kreativ-Oscar' erstmalig seit Jahren wieder hätte vergeben werden dürfen, blieb frei. Grund: Die zwölf Arbeiten, die Gold errangen und sich damit als Anwärter qualifizieren konnten, waren allesamt so hervorragend, dass kein "Gewinner der Gewinner" herausstach. "Jede Arbeit für sich ist schlüssig und spektakulär. Ein Grand Prix hätte die hohe Karat-Zahl der einzelnen Goldstücke gemindert", sagte Conrad. Das Gremium der Juryvorsitzenden habe daher von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, auf die Vergabe zu verzichten.
"Wir haben bei diesem Wettbewerb ein großartiges Ideengut erlebt", konstatierte Michael Preiswerk. "Diese überzeugende Ware sollte deutschen Werbungtreibenden Mut machen, ausgetretene Pfade zu verlassen", so Michael Conrad. "Die ADC Gewinner stellen unter Beweis, dass sie zu immer wieder neuen und überraschenden Lösungen auch bei schwierigen Kommunikationsaufgaben imstande sind."
Die beim ADC Wettbewerb 2006 neu eingeführte Kategorie Integrierte Kampagnen punktete zwar zahlenmäßig gleich bei ihrem ersten Auftritt mit 476 Exponaten, steckte jedoch nach Meinung der Jury qualitativ leider noch in den Kinderschuhen. Medaillen konnten nicht vergeben werden. Für den ADC kein Grund aufzugeben. Preiswerk: "Der richtige Weg ist bereitet. Jetzt fordern wir kreative Einsender auf, besser zu werden. Wir unterstützen den Prozess durch Kontinuität. Integrierte Kampagnen sind die Königsdisziplin der Zukunft." Eine große Idee, in mehreren Kommunikationsbereichen parallel umgesetzt, das sei es, was die Wirtschaft brauche, ergänzte Conrad.

m+a report Nr.3 / 2006 vom 28.04.2006
m+a report vom 28. April 2006