Der Gewinner ist ...

Wie im Showbiz profitieren auch die Gewinner von Messepreisen von ihren Technik-Oscars. Hilfreich sind Mediapakete, die noch nicht alle Verleiher zur Verfügung stellen.

Michael Marhofer ist keiner, der den Auftritt im Scheinwerferlicht liebt. "Im Mittelpunkt zu stehen, ist nicht gerade meine Passion", sagt der Inhaber und Geschäftsführer von Ifm Electronic in Essen. Zu dieser Einstellung passt die Positionierung des mittelständischen Elektronikunternehmens: "Wir sind eher zurückhaltend in der Kommunikation." Im April vergangenen Jahres musste Marhofer allerdings über seinen Schatten springen. Plötzlich fand er sich neben Niedersachsens Ministerpräsidenten Christian Wulff und der damaligen Bundesforschungsministerin Edelgard Bulmahn auf der Bühne wieder: Marhofer nahm den mit 100 000 EUR dotierten Hermes Award der Deutschen Messe AG entgegen.
Die Preisverleihung fand im Rahmen der Eröffnung der Hannover Messe statt - unter den Augen und Ohren des internationalen Journalistencorps. Entsprechend hatte Marhofer in den kommenden Tagen einen wahren Interviewmarathon zu bewältigen. Nicht nur sämtliche Fachzeitschriften interessierten sich plötzlich für das neue, ausgezeichnete Produkt des Hauses, auch Radiostationen, "Handelsblatt", "Süddeutsche Zeitung", "WAZ" und ähnliche Auflagenriesen berichteten. Der Sender n-tv strahlte die Preisverleihung gleich live aus.
Zwar sei der Umgang mit den Pressevertretern etwas "gewöhnungsbedürftig", aber Marhofer hat den Vorteil der PR mittlerweile erkannt. "Schon vor Messestart hatten wir uns vorgenommen, uns zu öffnen", sagt der Firmenchef. Der Grund: Marhofers Unternehmen platzt aus allen Nähten - jährlich stellt er 250 Mitarbeiter ein. Das Problem: "Wir finden die Leute nicht." Der Mangel an qualifizierten Ingenieuren trifft derzeit bekanntlich vor allem die kleineren und mittelgroßen Unternehmen, während Firmen wie BMW, Siemens und dergleichen von der Strahlkraft ihrer Weltmarken profitieren. "Vor diesen Hintergrund hat der Preis für uns einen Publicity-Schub gebracht", sagt Marhofer.
Doch nicht nur als Aushängeschild für das nach Talenten hungernde Unternehmen waren Preis und Presse wichtig. Auch in den Verkaufsgesprächen für das Produkt, das erst im September vergangenen Jahres in Serienreife ging, ist die Berichterstattung über das Tool unter dem Namen O1D ein nicht zu unterschätzendes Argument. Und die Berichterstattung hat Marhofer zum großen Teil dem Hermes Award zu verdanken. Denn wann berichtet die Publikumspresse schon mal über Innovationen im Bereich optischer Sonsorik? Ohne publikumswirksames Event lässt das breite Publikum die Weltneuheiten der deutschen Mittelständler meist unbeachtet am Wegesrand liegen.
Dank Hermes dürfte einem größeren Kreis von Interessierten heute klar sein, dass es Marhofers Technikern erstmals gelungen ist, ein Lichtlaufzeitverfahren auf einen Chip zu integrieren. Sie werden wissen, dass dieses Verfahren Abstandsmessungen aller Art vereinfacht. Und sicherlich werden sich einige Zeitungsleser daran erinnern, dass die Essener ihren Chip bereits an den Londoner Großflughafen Heathrow verkauft haben, der ihn zur Optimierung seiner Gepäckfließbänder einsetzt. Und selbst wenn dem nicht so sein sollte: "Für unsere Mitarbeiter war der Preis eine Bestätigung ihrer Arbeit und hat für einen deutlichen und anhaltenden Motivationsschub gesorgt", sagt Marhofer.
Christopher Rubin, Leiter Produktmarketing beim Schweizer Nahrungsmittelhersteller Bühler, kann sich in den kommenden Wochen auf ähnliche Effekte freuen: Er hat gerade die Goldmedaille des Food-Tech-Awards gewonnen. Der Preis wurde im April dieses Jahres auf der Anuga in Köln von der Deutschen Landwirtschafts-Gesellschaft in Kooperation mit einem Strauß von Fachzeitschriften verliehen. Und wenn Zeitschriften auf der Liste der Kooperationspartner stehen, ist eines so gut wie sicher: Berichte, Berichte, Berichte.
In diesen Berichten wird es um so genannten "rekonstituierten Reis" gehen. Auch so ein Thema, das selten die Schlagzeilen füllt - allein das verwendete Fremdwort dürfte PR-Experten die Stirn in Falten legen. Doch die Strahlkraft des Preises dürfte sie ein wenig glätten, vorübergehend zumindest.
Der Reis aus dem Extruder entsteht eigentlich aus Abfallprodukten. Bisher wurde das Mehl, welches beim Schälen des Reises anfällt, hauptsächlich an Tiere verfüttert. "Durch unser Verfahren kann der Bruch aber wieder in Reis zurückverwandelt werden", erklärt Rubin. Die Optik unterscheide sich nur marginal: "Die Körner sehen alle gleichmäßig aus, für den Laien ist das aber kaum zu erkennen." Dafür sei der rekonstituierte Reis äußerst vitaminreich: "Beim Schälen gehen die wertvollsten Inhaltsstoffe verloren", sagt Rubin: "Das Gute steckt direkt unter der Haut." Und genau aus diesen Überresten entsteht ja der Bühler-Reis.
Doch Rubin geht noch einen Schritt weiter: Er reichert seinen Reis mit zusätzlichen Mineralien und Vitaminen an. Gerade hat er in China eine Anlage in Betrieb genommen. Der Standort ist kein Zufall: "Unsere Zielgruppe sitzt in Ländern, in denen es Mangelerscheinungen gibt."
Sicherlich, so Rubin, wird der Food-Tech-Award dem neuen Korn beim Durchbruch behilflich sein. "Allerdings genießt der Preis vor allem in Europa einen hohen Stellenwert", gibt der Marketingexperte zu bedenken. "Ob er auch eine positive Auswirkung auf unsere Kunden in Übersee entfaltet, ist schwer einzuschätzen." Dennoch ist Rubin fest entschlossen, den Erhalt des Preises zu kommunizieren: Er soll in Broschüren integriert werden, Rubin will ihn auf seinem Kölner Messestand platzieren, es soll Berichte im Kundenmagazin "Diagram" geben und die E-Mail-Signaturen der Mitarbeiter sollen mit dem Zusatz "Gewinner des Food-Tech-Awards" versehen werden. Anzeigen sollen das Logo hingegen nicht tragen: "Wir schalten nicht produktspezifisch und machen jetzt auch keine Ausnahme."
Hilfreich ist das Mediapaket, das ihm die Preisverleiher zur Verfügung stellen und in dem beispielsweise ein digitales Logo enthalten ist. Solche Services sind nicht bei allen Messepreisen der Fall. So konnte sich Frauke Fughe, Marketingleiterin des Optik- und Laserspezialisten Polytec in Waldbronn, zwar über den Innovationspreis des AMA Fachverbandes für Sensorik freuen. Ein digitales Logo oder Ähnliches kam aber nicht bei ihr an. Immerhin wurde auf der Preisverleihung im Rahmen der Nürnberger Sensor+Test 2005 ein Pokal übergeben. "Der steht jetzt bei uns in der Vitrine", sagt Fughe. Das "Logo", das sie in ihre Anzeigen integriert hat, musste sie aber selber entwerfen. Allerdings dürfte das Preisgeld von 10 000 EUR ein kleiner Trost für die Bastelarbeit gewesen sein.
Und auch das Ergebnis der PR- und Marketingbemühungen lässt sich sehen: "Die gesamte Fachpresse hat berichtet", sagt Fughe. Dabei wird dem Leser schon in der Pressemitteilung des Verbandes einiges zugemutet, geht es doch um die Auszeichnung eines "konfokalen, stroboskopischen Messmikroskops mit integriertem Scanning Vibrometer". Fachleute wissen natürlich, dass es sich hierbei um ein Gerät handelt, mit dem man die Schwingungen kleinster Bauteile beobachten kann. Fughe: "Die Technik ist grandios - mit oder ohne Preis!"
Dass es heutzutage nicht mehr reicht, einfach gute Qualität zu produzieren, ohne darüber ausgiebig und öffentlich zu reden, ist mittlerweile auch beim deutschen Mittelstand angekommen. Ifm-Electronic-Chef Marhofer hat so unmittelbar nach der Preisverleihung reagiert: "Wir haben noch in derselben Nacht Aufkleber an unseren Stand geklebt und den Preis in einer Vitrine ausgestellt." Die entsprechenden Labels hat Marhofer bereits im Vorfeld drucken lassen - auf gut Glück, schließlich waren fünf Unternehmen nominiert. Bis zum Schluss wusste keiner, wer den Preis erhalten würde. "Die haben absolut dicht gehalten, das war wie bei der Oscar-Verleihung."
Markus Ridder

m+a report Nr.3 / 2006 vom 28.04.2006
m+a report vom 28. April 2006