Zentraler Machtkampf

An der Seine rangeln Unibail und die Pariser Handelskammer um die Vorherrschaft im Messegeschäft. Dank einer massiven Konzentration der Kräfte gibt es unter dem Eiffelturm nur noch zwei ernst zu nehmende Player.

Dass Nachbar Frankreich den Deutschen in punkto globale Messenation Nr. 1 den Rang abläuft, das ist bei Gesamtumsätzen der deutschen Messewirtschaft von mehr als 1,5 Mrd. EUR allein bei den großen sieben Gesellschaften im Jahr bislang kaum zu befürchten. Trotzdem warnte Frankfurts Messechef Michael von Zitzewitz erst im Dezember eindringlich vor der erstarkenden Kraft im Westen. Da würden Karten neu gemischt und die Deutschen spielten nicht mit.
Ein Satz der aufhorchen lässt. Dabei ist Frankreich weit entfernt vom Messe-Grand-Seigneur mit einem eher moderaten Geschäft in den vergangenen zehn Jahren. Legt man die Bilanz der OJS (L'Office de Justification des Statistiques) zugrunde, die zuletzt 2004 eine Analyse der Aktivitäten im Land veröffentlichte, liegt die vermietete Fläche bei den 68 untersuchten Referenzmessen (84 im Jahr 1994) bei 1,39 Mio. m2 (1,61 Mio. m2). Die Zahl der Aussteller bewegt sich im Bereich um mehr als 29 000 (fast 34 000). Rund 6,3 Mio. (7,2 Mio.) Besucher fanden quer durchs Land den Weg in Messen und Ausstellungen. Eher Zeichen der Stagnation als des rasanten Wachstums.
Was ist also los in der Grande Nation? Im vergangenen Jahr verblüffte sie vor allem im Großraum Paris mit einem Konzentrationsprozess, der Veranstalter und die Geländeeigner einte. Der Immobilienfond Unibail, Eigner des Messegeländes Paris Expo, holte mit Exposium den in Frankreich marktführenden Veranstalter an Bord. Der soll nun die sieben in der Ile de France liegenden Gelände von Paris Expo, natürlich unter Ausnutzung aller möglichen Synergien, bestmöglich bespielen - neue Messethemen inklusive.
Doch daneben etablierte sich fast zeitgleich ein weiteres Dickschiff im Messegeschäft: Die Handelskammer Paris, Mehrheitseigner der Gelände Paris Nord-Villepinte und Le Bourget, erwarb zusammen mit seinem Partner, dem Comité des Expositions de Paris, mit Comexpo ebenfalls einen Veranstalter. Der Run um Gelände und Veranstalter im Großraum der französischen Metropole dürfte gelaufen sein. Der Kuchen ist geteilt. Es gibt Unibail & Co mit Gesamtumsätzen von rund 330 Mio EUR und die Handelskammer mit Partnern, die es auf Umsätze von 220 bis 250 Mio. EUR bringen sollen. Also gut eine halbe Milliarde Gesamtumsatz, die sich in der Region der Ile de France konzentriert. Dies ist noch nicht genug, um den deutschen Großmessen ernsthaft in die Quere zu kommen. Unangefochten an der Veranstaltungsspitze steht Paris Expo - Porte de Versailles. Die acht Hallen mit einer Größe von 5000 m2 bis zu 70 000 m2 inklusive 32 Konferenzräumen bieten mit 226 000 m2 Platz für allein über 100 der insgesamt rund 150 Messen, Kongresse und Veranstaltungen der Unibail-Gruppe in der Hauptstadt. Dagegen stemmt sich das Konsortium der Handelskammer Paris und des Comité des Expositions Paris mit über 60 Veranstaltungen auf den beiden Geländen, Paris-Nord Villepinte (193 000 m2) und Le Bourget. Neben der strategischen Entwicklung steht die Verbesserung der Gelände in Frankreich genau wie in Deutschland obenan. Um im internationalen Wettbewerb stärker punkten zu können, wird in Le Bourget seit 2004 kräftig renoviert. Zwei Hallen wurden erweitert und auf Vordermann gebracht, um den Ausstellern möglichst viel säulenfreien Raum zu bieten. Mit Halle 5 besitzt die Messe beispielsweise 6000 m2 überdachte säulenfreie Hallenfläche mit einer Höhe von 11 Metern, die auch als Eventlocation genutzt werden kann.
Ein Face-Lift verpasste auch Unibail seinem Gelände Porte de Versailles. Außer behindertengerechten Zugängen über Rampen und Lifts in der Halle 2 macht unter anderem eine Überdachung den Weg aller Messegäste im Freigelände komfortabler. Noch vor dem Herbst werden außerdem mehr als 200 Bäume und über 2000 m2 Büsche das Gelände beleben. Mit diesen Maßnahmen kann Paris im internationalen Wettbewerb nach wie vor mithalten. Die Seine-Metropole wird damit weiterhin Gastgeber für die von Reed-Exhibitions veranstaltete Maison et Object sein können. Aber auch Veranstaltungen wie die Designmesse now! und die Foodmesse SIAL haben weiter ihren festen Platz in der wirtschaftlichen Herzregion Frankreichs. So wird das Land zwar nicht zum globalen Überflieger, aber ein schwerer Brocken für die interne Konkurrenz. Kein Wunder, dass sich Lyon, Marseille oder Bordeaux mit wachsendem Selbstbewusstsein gegen den von der Provinz so verachteten Zentralismus stemmen.

m+a report Nr.2 / 2006 vom 24.03.2006
m+a report vom 24. März 2006