Besucherregistrierung: Schlichtheit siegt

Durch die elektronischen Medien wird die Besucherregistrierung nicht einfacher, sondern komplizierter. Die meisten Systeme stoßen bei Ausstellern auf geringe Resonanz.

Alle großen deutschen Messegesellschaften träumen von ein und demselben: Die Registrierung von Besuchern über elektronische Medien soll möglichst schnell, effizient und wirkungsvoll Realität werden. Am schönsten wäre es, so das Wunschdenken der Messen, wenn es im ganzen Land einen Standard gebe. In Wirklichkeit aber macht es jede anders: Die Idee von der vollelektronischen Besuchererfassung ist über die Testphase noch nicht hinausgekommen. Die Verantwortlichen in den Messegesellschaften nennen jede Menge Gründe, warum es bis heute noch nicht zufriedenstellend klappt:
- Die verschiedenen Systeme der Messen und der Aussteller sind meist nicht kompatibel, es kommt zu Problemen an den Schnittstellen.
- Der Aufwand der Vor-Ort-Registrierung ist nur bis zu einem gewissen Besucheraufkommen möglich: je mehr Besucher, desto höher das Risiko, dass sich Schlangen bilden.
- Die Aussteller stellen nur eingeschränkt ihre Datenstämme zur Verfügung. Das erschwert das elektronische Management der Gastkarten.
- Die Aussteller zeigen nur wenig Interesse an den von den Messegesellschaften zur Verfügung gestellten Retrackingsystemen.
- Der wirtschaftlichen Verwertung der Daten durch die Messegesellschaften stehen strenge Datenschutzregeln im Weg.
- Bei den meisten erprobten Systemen stehen finanzieller Aufwand und tatsächlicher Nutzen nicht im Verhältnis.
- Verglichen zu seinen Kollegen aus dem Ausland, zeigt sich der deutsche Messebesucher nach wie vor "registrierunwillig". Zudem ist seine Wartebereitschaft von nur zehn Minuten "unterdurchschnittlich".

Das Prinzip der bereits existierenden Systeme zur Besucherregistrierung ist an allen deutschen Messeplätzen nahezu gleich und unterscheidet sich nur in technischen Details. Die erste Hürde ist: Wann und wie kommen die Messen an die Daten ihrer Besucher? Wirklich effizient arbeiten die Verfahren nur dann, wenn die Daten bereits im Vorfeld der Messe vorliegen. Daher müssen möglichst viele Prozesse ins Vorfeld verlagert werden. Die Adressen kommen also entweder vom Aussteller, wenn dieser Gastkarten bestellt. So können den Besuchern Eintrittskarten zugeschickt werden, die bereits "scharf" sind. Dieses Vorgehen verringert die Warteschlangen an den Eingängen: Die zuvor registrierten Gäste passieren die Drehkreuze in einer "Fast Lane". Der Knackpunkt: Die Aussteller sind alles andere als auskunftsfreudig, wenn es darum geht, die Daten ihrer Kunden rauszurücken. Auch wollen die Händler der ausstellenden Firmen die Daten ihrer Kunden nicht aus der Hand geben.

Zweite Möglichkeit: Der Besucher erfasst die Informationen zu seiner Person quasi selbst. Deshalb setzt das deutsche Messewesen derzeit so große Hoffnungen auf das Internet. "Das Messepublikum wird zunehmend professioneller und bereitet den Aufenthalt immer besser vor. Dafür wird immer häufiger das Internet genutzt. Das könnte einen Schub in die Registrierthematik bringen", erklärt AUMA-Geschäftsführer Peter Neven. Die Besucher seien eher bereit, sich im Vorfeld zu registrieren und ihr Ticket über Internetshop zu kaufen. Aus diesem Grund belohnen die Veranstalter immer häufiger diejenigen Besucher, die sich bereits im Vorfeld registrieren. Es gibt Rabatte auf die Eintrittskarten, Gewinnspiele werden ausgeschrieben oder die Tickets werden gleich kostenlos abgegeben. Der Anreiz, die Daten weit vor Messebeginn elektronisch zu übermitteln, soll erhöht werden.

Eine möglichst vollständige Datenbank bereits vor der Messe ist wichtige Voraussetzung für das so genannte Retracking: Die Daten des Besuchers - gespeichert auf einer Karte mit Chip, Barcode oder Magnetstreifen - werden über ein Lesegerät (Laser et cetera) am Messestand eingelesen und über eine Schnittstelle mit der Messedatenbank abgeglichen, vervollständigt und aktualisiert. Der Aussteller wählt aus, ob er die Daten online während der Messe verifiziert oder ob er sie erst nach Messeschluss komplett auf den neuesten Stand bringt. Auch hier gibt es einen Haken: Allen Retrackingsystemen wohnt inne, dass damit nicht nur das Verhalten der Besucher transparent wird, sondern auch das der Aussteller. Die Messeleitung kann nachvollziehen, welcher Besucher welche Firmen in welcher Reihenfolge besucht hat. Schließlich wird auch transparent, welche Frequenz die Aussteller an welchen Standplätzen haben, ob es sich um emsige oder weniger aktive Ausstellerkunden handelt und welche Kontakte zu welchen Kunden gepflegt werden. Welcher Aussteller lässt sich in diesen Dingen gerne in die Karten schauen?

Bei einem Pilotprojekt der Koelnmesse zur IMB (Textil- und Bekleidungsindustrie) beteiligten sich 50 Aussteller. "Sie wollten die Daten erst im Anschluss an die Veranstaltung haben", berichtet Jochen Dosch, Leiter Marketing und Kommunikation bei der Koelnmesse. Die Besucher erhielten einen Badge mit einem Barcode, der mit einem Laserstift am Stand eingelesen werden konnte. Es habe sich deutlich gezeigt, dass neben den technischen Angeboten auch das reibungslose Zusammenspiel zwischen den einzelnen Messepartnern gefragt sei. Dazu gehörten beispielsweise auch, dass der Vertrieb zum Beispiel über die Auslandsvertretungen, die Servicepartner und die Kommunikationsarbeit der Messe mehr vernetzt werden muss. Die Kölner haben jüngst einen Kooperationsvertrag mit der Deutschen Telekom vereinbart. Darin sei auch ein Leistungspaket für die Besucherregistrierung enthalten, das bis Mitte Ende 2005 starten soll, so Dosch. Genauere Inhalte stünden derzeit noch nicht fest.

"Nicht alles, was möglich ist, muss auch gut sein": Dieser Devise folgend hat die Messe Düsseldorf entschieden, künftig keine integrierte Lösung zur Besuchererfassung anzubieten. Einschlägige Erfahrungen sammelte sie bei Testläufen zu den Fachmessen K 2001 und Interpack 2002. "Die Nachfrage seitens der Aussteller rechtfertigt nicht den logistischen und organisatorischen Aufwand", sagt Bereichsleiter Frank Hartmann. Der finanzielle Einsatz für eine integrierte Lösung liege im siebenstelligen Bereich. Die Düsseldorfer bieten ihren Ausstellern nun eine wesentlich günstigere Variante bei der diesjährigen drupa an: einen Visitenkartenscanner. Damit lassen sich die Visitenkarten der Besucher am Stand auf ein stationäres System - etwa einen Laptop - einlesen. Die Visitenkarte wird einerseits als Bild (jpg-Datei) abgespeichert, anderseits werden die Daten in eine Datei ausgelesen. "Wir wollen die Erfassung so einfach und kostengünstig wie möglich machen. Der Besucherbericht ist sofort elektronisch abgespeichert und kann bearbeitet werden", so Hartmann. Lesegerät und Software werden dem Aussteller entweder für 75 EUR zur Miete oder für 210 EUR zum Kauf angeboten. Und wie kommt die Messe Düsseldorf künftig an ihre Besucheradressen? "Da setzen wir voll und ganz auf das Internet und die Einzelregistrierung bei speziellen Fachmessen", so Hartmann. Die Messe brauche lediglich die E-Mail-Adressen ihrer Kunden, um mit ihnen im Kontakt zu bleiben. "Solange wir unseren Kunden gute Informationen zukommen lassen, werden sie die Nachrichten per E-Mail akzeptieren", ist Hartmann sicher.

Wenn die Besucherdaten nicht im Vorfeld erfasst sind, kommt es zwangsläufig zu Staus an den Kassen. Bei der Deutschen Messe AG, Hannover, ist man überzeugt, dass die kritische Masse circa 45 000 Besuchern beträgt. "Alles, was darüber liegt, ist organisatorisch, personell und finanziell nicht machbar", sagt Detlev Rossa von der Unternehmens-PR. Der stete Vergleich mit amerikanischen Verhältnissen sei nicht gerechtfertigt: "Die Veranstaltungen sind dort nicht so groß. Da ist es kein Problem die Besucher zu registrieren", so Rossa. Bei der Ligna 2003 habe ein Pilotprojekt gezeigt, dass es Probleme mit den Schnittstellen gebe, die Ergebnisse waren sehr durchmischt. "Das System muss kompatibel sein mit dem CRM-Programm des Ausstellers", so Rossa. Kleinere Firmen seien da sicher noch nicht so weit wie die Big Player. Auch Rossa beziffert den finanziellen Aufwand für die Basisausstattung mit einem sechsstelligen Betrag. Es stellt sich die Frage, ob der finanzielle Aufwand zur Gewinnung von Adressen im Verhältnis zum Nutzen steht. "Letztlich zählt der Stückpreis pro Adresse."

Auf eine integrierte Lösung indes setzen die Münchner. Die einzelnen Module des Verfahrens wurden bei allen Herbstmessen in 2003 getestet. Dazu gehören die komplette Registrierung im Internet und der Verkauf der Tickets über einen Internetshop. Vor Ort können sich die Besucher entweder an Anmeldeterminals selbst registrieren oder werden von Hostessen erfasst. Der Besucher erhält eine Eintrittskarte, die mit einem Magnetstreifen für den Zutritt und einem Barcode für das Einlesen am Stand versehen ist. "In ein paar Jahren werden diese Karten durch Smartcards und RFID-Funktechnik ersetzt werden", erklärt Heinz Kreuzberg, Leiter des Zentralbereichs Informatik bei der Messe München (RFID = Radio Frequency Identification). Damit wird die Datenübertragung in das System des Ausstellers vereinfacht werden. Derzeit stellt die Messe München ihren Ausstellern Lesegeräte inklusive Pocket PC zu je 89 EUR Mietgebühr zur Verfügung, mit einem Laptop kostet die Teilnahme 129 EUR. Die Daten ruft der Aussteller über eine sichere Internetverbindung ab. Startprobleme gab es zunächst mit den drahtlosen Netzwerken, hier kamen die Geräte durcheinander. Diese Hindernisse seien inzwischen ausgeräumt. Verzeichnete Kreuzberg noch in 2002 selbst bei stark technikafinen Messen eine Vorregistrierungsquote von 20 %, stieg diese Zahl in 2003 sprunghaft auf rund 60 % an. Das führte dazu, dass die Wartezeiten bei der Systems 2003 nicht mehr so lang waren.
Von dem Registriersystem der Münchner überzeugt sind bereits die Chinesen. Die Messe München wird Ende April 2004 das Besuchereinlasssystem mit Drehkreuzen und Registrierung via Internet in der Messe in Peking einrichten. "Die Messe München wird als Dienstleister über die technische Installation hinaus auch als Berater zur Verfügung stehen. Wir verkaufen hier nicht nur Hardware, sondern eine komplette Lösung", so MMG-Geschäftsführer Klaus Dittrich.

Der Wettbewerb unter den Messen über das Serviceangebot hat also nicht nur in Deutschland begonnen. Besucherdaten zur Verfügung zu stellen, ist einer der Services, von dem Veranstalter denken, dass ihre Ausstellerkunden ihn erwarten. Die Systeme stehen und fallen jedoch mit der Kompatibilität zwischen der Messe- und der Firmensoftware des Ausstellers. Vieles deutet darauf hin, dass sich die ausstellende Wirtschaft derzeit selbst in einer Umbruchphase befindet, CRM steckt bei den mittelständischen Firmen in den Kinderschuhen. Es fehle der gemeinsame Wille für ein einheitliches System, ist allerorts zu hören. Peter Neven von Messeverband AUMA fasst zusammen: "Die Systeme werden weiterhin nach platzbezogenen Besonderheiten entwickelt, in Einzelfällen auch veranstaltungsbezogen nachgerüstet werden." Petra Schmieder

m+a report Nr.3 / 2004 vom 23.04.2004
m+a report vom 23. April 2004