Nichts als Schall und Rauch?

Komplizierte Angelegenheit: der geplante Umzug des privaten Veranstalters Schall nach Stuttgart. Mittlerweile ist gar nicht mehr so klar, welche Messen wirklich dort ankommen.

Es war ein viel geachteter Überraschungscoup, den Stuttgarts Messechef Ulrich Kromer Mitte Juni letzten Jahres der Fachwelt vorgestellte: der private Veranstalter P.E. Schall, Frickenhausen, wechselt ab dem Jahr 2007 sukzessive mit seinem kompletten Messeportfolio von der Messe Sinsheim in die baden-württembergische Landeshauptstadt. Doch mittlerweile ist gar nicht mehr so klar, welche Veranstaltungen nun tatsächlich am Messeplatz Stuttgart ankommen werden.
Denn Paul Eberhard Schall hat in Sinsheim einen unkündbaren Vertrag über den Verbleib seiner zehn Messen bis zum Jahr 2027. Das zumindest sagt Lorenz Glück, Justiziar und Messe-Immobilienverwalter bei der Unternehmensgruppe Layher, der die Messehallen in Sinsheim mehrheitlich gehören. Und Layher werde auf der Erfüllung des Vertrages pochen, kündigt Glück an - falls nicht mit Schall und der Stuttgarter Messe- und Kongressgesellschaft (SMK) eine andere Lösung gefunden wird. Und hier haben die Sinsheimer konkrete Vorstellungen: So sollen im kommenden Jahr lediglich die drei internationalen Schall-Messen Motek, Control und Blechexpo nach Stuttgart abwandern. Die restlichen Veranstaltungen dagegen - darunter beispielsweise die Faszination Modellbau oder die Car&Sound - sollen in Sinsheim bleiben. Weil die verbleibenden Regionalmessen aber kaum die vereinbarte Jahresmiete in Höhe von 2 Mio. EUR erwirtschaften können, will Layher der Schall-Gruppe einerseits mit einer Mietminderung entgegenkommen. Andererseits fordert der Halleneigentümer von Schall einen Großteil der Abstandszahlung, die der Unternehmer von der SMK bekommen soll. Sechs der insgesamt angekündigten 7,25 Mio. EUR sollen nach den Vorstellungen von Layher als Mietersatz dienen, die restlichen 1,25 Mio. EUR an die Deutsche Messe AG gehen. Die Hannoveraner hatten Schall für den Geländeausbau in Sinsheim ein Darlehen in dieser Höhe gewährt, verbunden mit der Abmachung, dass die Motek am Standort Sinsheim verbleibt. Schall scheint dem Lösungsvorschlag nicht abgeneigt. In Stuttgart dagegen findet der Vorstoß von Layher keinen Zuspruch. "Wir werden einer solchen Lösung nicht zustimmen", sagt SMK-Sprecher Thomas Brandl. Der Wechsel von drei statt der vereinbarten zehn Messen sei für sein Unternehmen nicht akzeptabel, stellt Brandl klar.
Damit scheint der Streit um die Umzugspläne vor Gericht weiterzugehen. Zumindest kündigt Lorenz Glück eine Klage gegen die Messe Stuttgart an, sollte diese den neuen Plänen nicht zustimmen. Grundlage für den Rechtstreit sei ein von Layher in Auftrag gegebenes Gutachten eines Berliner Professors. Darin ist von einem Verstoß gegen Paragraph 4, Nummer 10 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) die Rede. Es liege eine "Abwerbung durch Verleitung zum Vertragsbruch" vor und damit sei der zwischen der Schall-Gruppe und der Messe Stuttgart geschlossene Mietvertrag wettbewerbswidrig und kartellrechtlich nicht tragbar. Die Messe Stuttgart sieht einem solchen Verfahren gelassen entgegen. "Die Klage würde ins Leere laufen, weil es keine belastenden Anhaltspunkte gibt", sagt Thomas Brandl. Das habe eine von der SMK beauftragte juristische Prüfung ergeben. Und so gehen die Stuttgarter weiterhin davon aus, dass Schall wie vertraglich vereinbart mit seinem kompletten Portfolio in die dann fertiggestellten neuen Hallen der SMK umzieht.
Noch unklar ist die Rolle der Politik in dieser Auseinandersetzung. Aufklärung wird von einem von der Opposition initiierten Untersuchungsausschuss im baden-württembergischen Landtag erwartet. Er soll klären, inwieweit das Land - Hauptgesellschafter bei der Messe Stuttgart - am Schall-Coup beteiligt war. "Schließlich ist das Land nicht nur für den Standort Stuttgart zuständig, sondern hat auch eine Verantwortung für Sinsheim", sagt Lorenz Glück. Allerdings zweifele er am Willen der Landesregierung, die Messe Sinsheim zu retten. Carsten Dierig

m+a report Nr.1 / 2006 vom 13.02.2006
m+a report vom 13. Februar 2006