Wachstumsmotoren laufen auf vollen Touren

Präsentationsplattformen für moderne Technologie wie auch für internationale Konsumgüter werden gebraucht in Vietnam: Das Land hat sich längst erholt von der Finanzkrise der 90er und feilt an seinem wirtschaftlichen Erfolg.

Einige denken noch immer zuerst an Krieg, das Leid und die Entbehrungen der Zivilbevölkerung, als auch den Kampf unterschiedlicher politischer Systeme untereinander, hören sie von Vietnam. Ein Bild, das auch in den Köpfen Europas lange verankert war. Dem aktuellen Vietnam wird es nicht mehr gerecht.
52 % der rund 80 Millionen Einwohner sind jünger als 24 Jahre, haben den Krieg nicht miterlebt, sind leistungs- und lernwillig und westlich orientiert. Heute steht Englisch als bevorzugte Fremdsprache ganz oben auf dem Lehrplan. Zukunfts- und Fortschrittsoptimismus sowie der Wille zum Erfolg und zur Wohlstandsvermehrung prägen die Stimmung im Land wie der brodelnde Straßenverkehr die großen Städte. 1986 setzte die damalige vietnamesische Regierung mit ihrer "Doi Moi" Politik auf die wirtschaftliche Öffnung des Landes. Die daraus resultierende Wachstumsdynamik und das frisch erwachte Interesse der westlichen Welt wurde aber durch die asiatische Finanzkrise Ende der 90er Jahre heftig gebremst. Wirtschaftliche Rahmenbedingungen fehlten und so zogen sich reihenweise ausländische Investoren zurück. Vietnam hat sich als Wachstumsmarkt aber stärker als andere Länder Südostasiens und substanzieller als Anfang der 90er zurückgemeldet.
Das im Durchschnitt der letzten Dekade realisierte BIP-Wachstum von 7 % p.a. (7,7 % im Jahr 2004) ist bemerkenswert. Trotz der Bedeutung, die die Landwirtschaft noch immer in den Exportstatistiken aufweist, ist die Industrie (+15,8 % in 2004) der weitaus dynamischere Wirtschaftsbereich. Dabei übernimmt der private Sektor die Funktion des Wachstumsmotors. Hier arbeiten bereits viermal so viele Arbeitnehmer wie in den staatlichen Betrieben, auch wenn diese nach wie vor zentraler Faktor der Wirtschaft sind.
Die Regierung sucht indessen international Anschluss. Mitgliedschaften in der ASEAN, AFTA, APEC, Weltbank, bilaterale Abkommen mit USA und EU und nicht zuletzt der noch für Ende dieses Jahres angestrebte Beitritt zur WTO tragen zur dynamischen Entwicklung bei. Gleichwohl setzt die damit verbundene Liberalisierung des Binnenmarktes die vietnamesischen Unternehmen unter Investitionsdruck. Jetzt müssen sie mit internationalen Anbietern Schritt halten. Industrie und Infrastruktur sind angewiesen auf moderne Technologie aus dem Ausland: Hier eröffnen sich Chancen für die europäische Industrie. Noch aber haben vielfach die asiatischen Nachbarländer die Nase vorn. Sie strömten viel schneller nach der Krise in das Land und sicherten sich Boden gegenüber ihren westlichen Konkurrenten, die sich Ende der 90er mit ihren Repräsentanzen zurückgezogen hatten. So liegen bei den ausländischen Direktinvestitionen mit Singapur, Taiwan, Japan und Südkorea vier asiatische Staaten an der Spitze.
Aufgrund des Bedarfs an Präsentationsplattformen steigt in Vietnam die Zahl der Messen und Ausstellungen stetig. Derzeit wird der Messemarkt vor allem durch asiatische und lokale Veranstalter geprägt. Aus Deutschland sind bisher Planetfair aus Hamburg und die Hannover Messe International, Tochter der Deutschen Messe AG, mit eigenen Messen präsent. Die Hannover Messe International veranstaltet bereits seit 1992 die Engineering Production Machinery, kurz EPM, im Zweijahresrhythmus und war damit der erste westliche Messeveranstalter nach Öffnung des Marktes. Planetfair veranstaltete dieses Jahr vom 10. bis 14. Oktober erstmalig eine Ausstellung für die Wasserwirtschaft, die H2O, in Ho-Chi Minh-Stadt.
Dort und in Hanoi finden sich die beiden Messezentren des Landes. Sie spiegeln die unterschiedlichen Bedeutungen der beiden Städte wider. Hanoi mit dem Regierungssitz und dem Zugang zum vor allem durch die Schwerindustrie geprägten Norden ist vorrangig für Industriezweige interessant, die für ihren Erfolg auf die Anbindung an staatliche Stellen angewiesen sind. Im Süden dominiert der stark wachsende private Sektor die Besucherschaft der Messen. Die Qualität der Gelände ist akzeptabel, wobei sie deutlich hinter den in letzter Zeit in Asien entstandenen modernen Messezentren hinterher hinkt. Kapazitätsgrenzen sind mittlerweile absehbar. Zumindest für Ho-Chi-Minh-City wird sich dies aber bald ändern. Mit ausländischem Kapital, vor allem aus Taiwan, entsteht hier in den nächsten zwei Jahren ein neues Messegelände.
Wolfgang Lenarz

m+a report Nr.8 / 2005 vom 08.12.2005
m+a report vom 8. Dezember 2005