Asien erfindet Weltausstellungen neu

Erst Japan, dann China. Es gilt als erstes Entwicklungsland, in dem eine Expo stattfindet. Doch von Entwicklungsland ist in der boomenden Stadt Shanghai wenig zu spüren. Unter dem Motto "Better City, Better Life" sollen tragfähige Zukunftsmodelle gezeigt werden

Shanghai, die Metropole der Superlative, hat sich für die Expo 2010 einiges vorgenommen. Zur Weltausstellung möchten die Veranstalter fast 200 Länder anlocken, in Hannover nahmen 170 Staaten teil. Nach 18 Mio. Besuchern in der Leinestadt möchten die Shanghaier Organisatoren 70 Mio. Menschen anziehen. "In China haben wir viele Einwohner, von daher dürfte dies kein großes Problem sein. Aber es ist eine große Herausforderung, die nötige Infrastruktur dafür zu schaffen", erklärt Junyi Wang, Deputy Director General des Expo-Büros.
China gilt als erstes Entwicklungsland, in der eine Expo stattfindet. Doch von Entwicklungsland ist in der boomenden Stadt am Yangtze wenig zu spüren. Chinas Zukunft liegt in der Urbanisierung. Unter dem Motto "Better City, Better Life," sollen dafür in Shanghai tragfähige Zukunftsmodelle gezeigt werden. In der von der Chinesischen Zentralregierung neu verabschiedeten Entwicklungspläne stehen Kreislaufwirtschaft, Energie- und Ressourceneinsparung und ökologische Themen im Vordergrund. Das Expo-Gelände liegt am Huangpu-Fluss, der die Shanghaier Altstadt vom futuristischen Pudong trennt. Das neue Expo-Gelände umfasst 5,28 km2. Die Infrastrukturarbeiten an dem Gelände beginnen jetzt. An direkten Investitionen sind 30 Mrd. Yuan (100 Yuan = 19,6 EUR) vorgesehen. Noch teurer ist der Ausbau der städtischen Infrastruktur, wofür Ausgaben im Umfang von 300 Mrd. Yuan veranschlagt werden. Mindestens 20 % der Expo-Projekte werden privat ausgeschrieben. Gefragt sind besonders hochwertige Angebote der Baubranche und des Dienstleistungssektors.
Die Investitionen ins Gelände gehen hauptsächlich in die Landerschließung, in Bau und Unterhalt der Pavillons und sind für die Schaffung eines Fonds vorgesehen, sagt Dai Liu, Deputy Director des Bureau of Shanghai World Expo Coordination. Die Shanghai World Expo (Group) Co., Ltd. übernimmt die Konstruktion, Operation und das Management der Fläche und der Infrastruktur.
An der Expo 2010 können in 135 eigenständigen und fünf gemeinschaftlichen Pavillons über 180 Nationen teilnehmen. Die Gebäudefläche wird insgesamt 1,2 Mio. m2 betragen, die aller Ausstellungshallen über 800 000. Die in unterschiedlichen Größen geplanten grünen Korridore sind nicht nur Verbindungswege, sondern auch öffentlicher Raum von insgesamt 200 000 m2, der für verschiedene Ausstellungen und andere Aktivitäten im Freien genutzt werden kann.
Unter dem Aspekt der Nachhaltigkeit werden bereits in der Planungsphase Möglichkeiten der Nachnutzung bedacht. Besonders wertvolle Bauten, große Pavillons und nützliche Einrichtungen sollen als Erbe erhalten bleiben. Die Herausforderungen für nachhaltige Stadtentwicklung sind angesichts der schnellen Urbanisierung gewaltig. Deutsche Architekten, Stadtplaner und Innenausstatter sind dabei gut vertreten. "In China wird man besser verstanden, wenn man mit Bildern spricht. Das hat etwas von einer Theaterinszenierung, was man da macht", findet Meinhard von Gerkan vom Architekturbüro Gerkan, Marg und Partner. "Vom Wassertropfen zur Stadt für zunächst 300 000 und jetzt bereits für 800 000 Einwohner, das funktioniert nur dort," erklärt Gerkan. Die Stadt Luchao Harbour City, die aus dem Wassertropfen geboren wurde, liegt circa 30 km südlich von Shanghai. Vor wenigen Jahren war dort noch offenes Meer, durch Landaufschüttungen entstand Platz für die Zukunftsstadt. Sie könnte ein Teil der Expo 2010 werden. "Mit unserer Planung haben wir bereits das Motto vorweggenommen: Better City, Better Life", so Gerkan.
In China sind für Anbieter von Baumaterialien und Gebäudetechnik viele Geschäftsmöglichkeiten zu finden. "Das Problem ist jedoch der hohe Preis, der in China oft nicht realisiert werden kann. Daher arbeiten wir mit chinesischen Partnern zusammen, was die Kosten senkt." Den Königsweg in den Markt kennt auch Gerkan nicht. Rund ums Gelände und bei der Durchführung der Expo sind ausländische Unternehmen gefragt. "Hauptsächlich sehen wir Geschäftsmöglichkeiten in drei Bereichen", erklärt Dai Liu vom Shanghaier Expo-Büro: Konstruktion und Betreibung der Einrichtungen, Vermarktung der Marken und die Verbesserung der Umweltbedingungen und Infrastruktur.
Im Juni 2005 hat das Organisationskomitee der Shanghaier Expo 2010 seine Arbeit aufgenommen. Die offiziellen Einladungen zur Teilnahme der Länder und die Werbung dürfen jedoch erst erfolgen, wenn die Zustimmung des Pariser "Internationalen Ausstellungsbüros" vorliegt. Eine Entscheidung dafür wird Ende Dezember erwartet.
Für die Vorbereitung ist das "Shanghai World Expo Coordination Bureau (BSWEC)" verantwortlich. Leiter des Büros ist Shanghais Vizebürgermeister Zhou Yupeng. Zur Unterstützung dieser Vorbereitung wurden das Shanghai World Expo Land Reserve Center, auch bekannt als Shanghai World Expo Land Holding Corporation, und die Shanghai World Expo Group gegründet. Für kommerzielle Projekte nennt das Büro zehn Bereiche: Planung und Bau des Geländes, Kooperationen zur Vermarktung des Logos, Entwicklung des Konferenz- und Messebereichs, Betrieb und Management von Hotels, Tourismus, Management- und Beratungsservice, Handel und Verkauf, Entwicklungsprogramme zur Personalqualifizierung, Medienindustrie und Technologieinvestitionen.
Hier zeigt sich die kommerzielle Seite: Die Weltausstellung soll der ganzen Stadt einen Entwicklungs- und Modernisierungsschub geben, welcher auf das gesamte Land ausstrahlt. China möchte damit Messe- und Marketing-Know-how erlangen. "Die Veranstaltungsbranche in Shanghai will bei den Vorbereitungen von deutschem Know-how profitieren", heißt es in einer Pressemeldung der Chinesischen Botschaft Berlin. Thomas Kiefer

m+a report Nr.8 / 2005 vom 08.12.2005
m+a report vom 8. Dezember 2005