Leitgedanke: One name, one standard, everywhere

Internationale Messeauftritte: Die Entwicklung einer Identität kann nur durch Kommunikation im Raum erfolgen, sagt Ulrich Schwarze, Audi AG.

Die Dimensionen (Länge, Breite, Höhe), die den Raum erschaffen, sind die Grundpfeiler unserer Existenz und die wichtigsten Determinanten in der Entwicklung unseres Bewusstseins und unserer Wahrnehmung. Markenräume sind en vogue - ob als permanente Repräsentanz oder als temporär begrenzte Messe.
1993. Mit dem Aufbau einer eigenen Marketingabteilung in Ingolstadt begann der Hersteller mit den vier Ringen an einem eigenständigen Messeauftritt zu arbeiten. Legendär die Umsetzung des Loop-Konzepts auf der IAA 1999: In Kooperation mit den Düsseldorfer Architekten Ingenhoven, Diekmann und Partner setzte die Audi AG erstmals ein messearchitektonisches Zeichen und beanspruchte in vorher nicht dagewesener Weise die Leadfunktion im internationalen Messedesign. Der Stand wurde vom Industrieforum Hannover mit dem iF Designaward "silber" ausgezeichnet.

Eine permanente Evolution kennzeichnet seitdem die Arbeit des Fachbereichs: Mit dem Messekonzept "Beschleunigung/Entschleunigung", das in Zusammenarbeit mit den Münchner Architekten Tools of architecture und Schmidhuber + Partner sowie der Kommunikationsagentur KMS auf der IAA 2001 umgesetzt wurde, gewann die Audi AG den vom Designzentrum NRW vergebenen red dot design award "best of the best" für herausragendes Design. Nie zuvor wurde ein Messekonzept in dieser Form mit einem international renommierten Designpreis ausgelobt. Das Konzept, das ebenfalls auf der North American Automobile Show in Detroit 2002 umgesetzt wurde, gewann auch hier den ersten Preis im Messedesign: the most signficant exhibit design. Ein aus dem Konzept stammendes architektonisches Teilelement wurde zudem im Rahmen der Frankfurter Fachmesse Light+Building ausgezeichnet.

Der Begriff der Marke erlebt Renaissance. Noch nie war es populärer über Marken und ihre Assets zu philosophieren. Im Messedesign arbeitet man pragmatisch: Marke - das ist die Kennzeichnung des Horizonts, die Markierung des Raumes, die Eingrenzung der Markenwelt gegenüber dem Wettbewerb in der konkreten Messesituation. Auf der Messe werden Markenwerte sichtbar gemacht, sie werden emotionalisiert und aufgeladen. Das Einzigartige auf dem Messeplatz - und das ist auch ein zentrales USP gegenüber anderen Marketingtools - ist die Vereinigung aller Medien und Botschaften zu einem inszenierten Markenraum. Konzentrierte hoch dosierte Marken- und Produktkommunikation im Markenraum ist das Produkt. "Brandscaping" heißt dieser Prozess der Markenarbeit, das Branden des Raumes im Sinne der Marke. Das Ziel ist das völlige Eintauchen des Messebesuchers in den Markenraum - alle Sinne des Betrachters sollen geweckt und geführt werden - zum Produkt und zur Marke.

Neben dieser Qualität als Markenerlebnisraum erfüllt die Messe eine Vielzahl von Funktionen: Sie ist der Ort der Weltpremieren. Wo gibt es eine stärkere Konzentration an Automobilversessenen? Sie ist Kommunikationsplattform für den Vertrieb, um den Kontakt zum Handel zu aktivieren oder zu pflegen - und Ort der Marktforschung. Ob Showcar oder Messestanddesign: Messe ist der optimale Raum, um erste Stimmungen und Erkenntnisse über Produkte und Marke zu ermitteln und zu analysieren. Und nicht zuletzt ist es die letzte archetypische Turniersituation, die automobile Highcompetition, in der Markenpotenz demonstriert und erkämpft werden kann, und das im globalen Umfeld.
Neben den großen kontinentalen Leitmessen in Detroit, Genf, Frankfurt, Paris und Tokio (die vor allem durch die Präsenz der internationalen Massenmedien als die Top 5 klassifiziert werden) sind die Ingolstädter jährlich auf mehr als 30 weiteren internationalen Messen vertreten. Dabei stehen einige dieser so genannten I-Messen bezüglich ihres Besucheraufkommens keineswegs im Schatten von A-Messen: Bologna und Shanghai werden von weit über einer Million Automobilfans besucht - und toppen damit die IAA, die durchschnittlich 850 000 Zuschauer verzeichnet. Aus Sicht der AG ist daher eine Klassifizierung von A- und B-Messe nur bedingt sinnvoll und erforderlich.

Als erster Autohersteller entwickelte die Audi AG 1997 ein Messekonzept, das einen weltweit einheitlichen Markenauftritt auf unterschiedlichsten Messeplätzen sicherstellt: "One name, one standard, everywhere" lautet der Leitgedanke bei der Entwicklung und Umsetzung. Mit der Einführung des Konzepts setzte das Unternehmen internationale Benchmarks, zahlreiche Mitbewerber des Premiumsegments folgten. Durch die konzernweite Neupositionierung der Audi AG Anfang 2002 wurde nach fünfjähriger Einsatzzeit die vollständige Überarbeitung des Messekonzepts erforderlich. Das Ergebnis: das International Motorshow Concept, kurz: IMC. Es trägt vor allem der sportlichen Ausrichtung der Marke Rechnung. IMC wurde erstmalig auf der Fira Barcelona 2003 realisiert, weitere 120 Messeauftritte mit mehr als 40 Mio. Besuchern werden in den nächsten fünf Jahren folgen.

Herausragendes Merkmal ist die Einheitlichkeit und die hohe Modularität des Konzepts zum Einsatz auf A- und I-Messen: Ob in Barcelona, Brünn oder auf der IAA in Frankfurt - alle Räume weisen grundsätzlich die gleiche Möblierung auf. Ebenso kennzeichnet der "frame", das Kernelement des Konzepts, in Moskau und Riga (und in Zukunft auch in Detroit) den Messestand. Die etablierte Kommunikationsfarbe Orange sowie die Filmmaterialien zur Produkt- und Markenkommunikation sind weltweit einheitlich im Einsatz, ganz im Sinne einer stringenten Corporate Fair Architecture. Dass dies nicht nur aus Gründen eines global einheitlichen Markenauftritts eine kommunikationsstrategische Notwendigkeit ist, sondern zudem zu Kostenreduzierung, vereinfachten Handlingsprozessen und der Reduktion von Fehlerquellen führt, ist leicht nachzuvollziehen.
Generell lässt sich die Gesamtheit der Wirkungen, die von einer Messe ausgehen, weder quantitativ noch qualitativ vollständig erfassen. Dafür ist das Kommunikationsereignis zu komplex. Wenn man allein die quantitativen Werte betrachtet, zum Beispiel die breite Berichterstattung über den Audi-IAA-Auftritt (mehr als 250 Berichte mit 78,92 Mio. Kontakten) oder den Zuwachs an Internetzugriffen (mehr als 70 000 Besucher) so stellt man hier bereits die Grenzen des Ermittelbaren fest. Ganz zu schweigen von den rund 200 000 Katalogen, die an die Besucher verteilt wurden - und die ebenfalls Multiplikatorenwirkung haben.

Viel entscheidender ist die reale Wirkung des Messestandes auf den Besucher, denn laut aktueller Meinungsumfrage der Fachzeitschrift "auto motor und sport" fühlten sich rund 33 % aller Messebesucher nach dem Besuch der IAA 2003 zum Kauf eines Neuwagens animiert. Hier lohnt also eine intensivere Untersuchung des Marketingtools Messen. So wurde anlässlich der IAA 2003 - erstmalig in der Geschichte automobiler Wirkungsforschung - die Wirkung von Messeständen auf den Messebesucher untersucht. Gemeinsam mit dem Forschungsinstitut Emnid Automotive, Bielefeld, entwickelte das Unternehmen ein Forschungsdesign, in dem Images vor und nach dem Messebesuch abgefragt wurden.
Das Ergebnis: Im Gegensatz zu anderen schafften es die Ingolstädter, nicht nur Aufmerksamkeit und Involvement zu erzeugen, sondern zu motivieren.

Ulrich Schwarze ist seit Januar 2001 Communication Manager Audi AG, Fachbereich Internationale Messe / Internationale Audi Foren. Zurzeit arbeitet Schwarze an seiner Promotion zum Thema "Kommunikation, Raum, Marke: Brandscaping". Sein Betreuer ist Peter Zec vom Designzentrum NRW.

m+a report Nr.2 / 2004 vom 18.03.2004
m+a report vom 18. März 2004