"Die Leute sollen zum Lesen angefixt werden!"

Holger Ehling, Leiter Presse & Unternehmenskommunikation der Frankfurter Buchmesse über die Vision vom "Spaß am Buch" in Kapstadt.

Warum organisiert die Frankfurter Buchmesse eine Veranstaltung auf dem afrikanischen Kontinent?
Messen haben eine Ordnungsfunktion. Fehlt in einem bestimmten Markt dieses Instrument, macht sich das bemerkbar. In Zimbabwe gab es seit den späten 80er Jahren eine Buchmesse mit rund 400 Ausstellern, die lange Zeit diese Funktion für das westliche und südliche Afrika wahrnahm. Sie bot viele Fachprogramme und bildete die afrikanische Verlagswelt damals zeitgerecht ab. Seit Mitte der 90er veränderte sich die wirtschaftspolitische Situation in Harare, wo die Messe stattfindet, aber dramatisch. Die Veranstaltung verlor viele Aussteller: Heute präsentieren sich dort noch 62 Unternehmen, davon acht Verlage. Seit 1993 führen wir Gespräche mit diversen Verlagen und Medienhäusern und haben gespürt, dass der Bedarf, eine neue Messe zu organisieren, groß ist.

Wieso Südafrika?
Das Land ist die stärkste Verlagsnation Afrikas mit einer relativ stabilen Volkswirtschaft im Hintergrund.

Und wie kamen Sie dann auf Kapstadt?
Der südafrikanische Verlegerverband, der rund 160 Buchverlage bündelt, mit dem wir für dieses Projekt ein Joint Venture geschlossen haben, sitzt dort.

Können Sie einen Einblick in die wirtschaftliche Situation geben?
Südafrika ist mit Abstand die stärkste Volkswirtschaft des Kontinents. Das Land mit dem höchsten Pro-Kopf-Einkommen Afrikas hat sich seit der Demokratisierung sehr gut entwickelt. Der Rand gehört zu den stärksten Währungen weltweit und die Wirtschaft wächst rund vier Prozent jährlich.

Und wie geht es der Verlagsbranche?
Sie wächst ebenfalls und ihre Unternehmen sind sehr stabil.

Das klingt ja alles ganz toll. Das Land hat doch aber auch ziemliche Probleme?
Das Hauptproblem ist, dass es zweigeteilt ist: Einerseits ist Südafrika ein Land europäischen Niveaus, andererseits ist es ein Dritte-Welt-Land. Da machen sich noch die Nachteile des Apartheidsystems bemerkbar: Die schwarze Bevölkerung wurde systematisch unterentwickelt, in eigenen Wohnquartieren untergebracht und durfte kein Land besitzen. Daher rührt auch die hohe Kriminalität. Sehr reiche Bevölkerungsschichten und sehr arme leben sehr dicht beieinander. Eine Mittelschicht fehlt.

Geht die Regierung dagegen vor?
Rund sechs Prozent des Nationalhaushalts werden in Bildung investiert.

Erfüllt in diesem Zusammenhang auch die Buchmesse eine Mission?
Die Themen Bildung und Leseförderung stehen für uns an allererster Stelle. Wir planen ein Literaturfestival, Autoren werden in die Townships gehen. Es soll rund ums Buch richtig krachen im öffentlichen Raum und die Leute sollen angefixt werden zum Lesen. Wir haben bereits, um das zu schaffen, ein großes Netzwerk aufgebaut.

Was bringt diese Publikumsveranstaltung den ausstellenden Verlagen?
Für viele Aussteller geht es um Kooperationen untereinander. Auch Druckereien werden präsent sein sowie Logistiker, da der Vertrieb von Büchern noch sehr rudimentär von statten geht. Rechte und Lizenzen zu sichern, wird ebenso eine Rolle spielen.

Wie sieht es mit Zuschüssen und Förderprogrammen für Aussteller aus?
Im Gegensatz zur bereits erwähnten Veranstaltung in Harare, haben wir uns gegen subventionierte Präsentationen ausgesprochen. Interview: Christine Seizinger

m+a report Nr.7 / 2005 vom 27.10.2005
m+a report vom 27. Oktober 2005