Vom Barock zur Effizienz

Die Triad Projektgesellschaft, Berlin entwickelt Markenwelten. Diese sollen kommunikativen Mehrwert bieten und sind ein Beispiel, wie mit verschiedensten Instrumenten Werbebotschaften anders transportiert werden können.

Triad ist eine Agentur, die sich schon seit mehr als zehn Jahren mit dem Thema Szenografie beschäftigt, ohne groß darüber zu reden. Nun ist Szenografie seit kurzem ein von vielen gern genutztes Modewort. Warum?
Lutz Engelke: Zum einen ist es wunderbar, Dinge, die keinen Namen haben, auf einen Begriff zu bringen. Und wenn es einen festen Begriff gibt, dann entsteht Kommunikation im Raum im doppelten Sinn. Einerseits in der Wirklichkeit: Man kann Räume betreten und erfahren. Und andererseits entwickelt sich um den Begriff herum sofort eine Theorie. Im ADC wurde zum Beispiel auf unsere Initiative hin eine eigene Kategorie ,Kommunikation im Raum' gebildet.

Was bewirkte diese Diskussion?
Engelke: Die Werbe- und Kommunikationsindustrie begreift inzwischen, dass es jenseits von 2-D neue Kommunikationsformate gibt, die emotional mit anderer Qualität Produkte, Marken und Themen kommunizieren. Mit der aktuellen Diskussion wird derzeit ein kleiner Diskurswechsel eingeleitet. Was in den 90ern noch unter dem Begriff "Erlebnisbarock" etwa auf Messen durchgegangen ist, heißt heute Erlebniseffizienz. In diese Richtung entwickeln sich Szenografie und Kommunikation im Raum.

Die Werbebranche hat es also verstanden und Schritte in die Dreidimensionalität gemacht. Was ist mit den Unternehmen, Ihren Kunden? Was motiviert diese, in Brandworlds zu investieren?
Engelke: Eben der Ruf nach Effizienz. Wenn jemand viel Geld investiert, will er für das Geld kommunikativen Mehrwert. Dabei ist zunehmend zu beobachten, dass sich die Kommunikation wieder am Unternehmenssitz konzentriert. Dr. Oetker, Hilti und Wall sind wunderbare Beispiele, wie man Kommunikation am Firmensitz als B2B steuern kann und zwar zielgerichteter als bei klassischen Messeauftritten und in einer anderen Intensität, als es die klassische Werbung vermag.

Gibt es einen Trend mit Brandworlds Markenkommunikation durch Messe und Klassik zu ersetzen?
Engelke: Ersetzen in gar keinem Fall. Es ist eher ein erster Bewusstseinswandel. Unternehmen, die ja in der Regel auch schon Jahrzehnte oder sogar 100 Jahre am Markt sind, entdecken ihre eigene Geschichte. Und innerhalb dieser Geschichte reflektieren sie ihre eigene Marke.
Jan Pauen: Marken haben immer auch etwas mit der wachsenden Bedeutung der Corporate Identity (CI) von Unternehmen zu tun. Szenografie kann diese erlebbar machen und zwar für Kunden genauso wie für Mitarbeiter. Der Einsatz von Brandworlds am Firmensitz reicht ja von der Unterstützung des Vertriebs über die Stärkung des Marketings bis zur Verbesserung der Mitarbeiterkommunikation. Die Identität des eigenen Unternehmens zu erleben und das eigene Know-how zu kommunizieren motiviert ja auch stark. Diese Art der Kommunikation wirkt nach innen, schafft aber auch kommunikativen Mehrwert im B2B-Bereich nach außen. Die Dr. Oetker Brand World etwa sollte zuerst vor allem der B2B-Komunikation dienen. Sie hat sich aufgrund des großen Interesses mittlerweile auch der Öffentlichkeit geöffnet. Die gleiche Diskussion führen wir derzeit bei Hilti in Liechtenstein.

Sind veränderte Konsumgewohnheiten die Triebfeder, verstärkt in Markenwelten und Markenkommunikation zu investieren?
Engelke: Definitiv. Zielgruppen müssen heute wesentlich differenzierter angesprochen werden. Vor zehn Jahren reichte es noch, Kunden einfach zum Staunen zu bringen, sie waren emotional leichter verführbar. Aus Verführung muss heute Überzeugung werden - sie muss wesentlich intelligenter und markenorientierter inszeniert werden. Marken geben Orientierung und Vertrauen, was heutzutage wichtiger denn je ist. Dr. Oetker zum Beispiel interpretiert seine Markenwelt als ein klares Signal in Richtung Discounter. Qualität ist nicht nur das beste Rezept, sondern kostet in der Regel ein klein wenig mehr.

Setzen Markenwelten also Kontrapunkte zu "Geiz ist geil"?
Engelke: Ganz eindeutig, weil hier - wie vorhin erwähnt - Qualität kommuniziert wird. Hier schließt sich der Kreis wieder zur CI. In dem Maße, wie der Qualitätsanspruch glaubwürdig kommuniziert wird, gibt es bei den Mitarbeitern so etwas wie Stolz, bei diesen Firmen zu arbeiten. Diese schaffen so einen Identitätskern und gleichzeitig ein Qualitätsstatement. Mit "Geiz ist geil" können Se keine Erlebniswelten kreieren. Das sind Preisschleudern, Momentaufnahmen und ästhetische Abstürze.

Von wegen Momentaufnahme. Der Slogan "Geiz ist geil" ist drei Jahre alt und funktioniert immer noch.
Pauen: Stimmt. Für ein bestimmtes Marktsegment läuft es sehr gut. Aber sprechen Sie mit Markenartiklern aus der Lebensmittel-, Mode- oder Unterhaltungselektronikbranche. Warum geht Sony wohl hin und entwickelt eigene Sony Style Stores? Warum gibt es im Handel zunehmend Shop-in-Shop-Systeme? Weil beim Handel genau das passiert, was für den Markenartikler tödlich ist. Die Marke tritt in den Hintergrund und es findet ein Vergleich statt, der sich vor allem um den Preis dreht. Für hochwertige Marken ist das fatal.
Engelke: Man darf auch nicht vergessen, dass "Geiz ist geil" die Speerspitze eines Unternehmens ist, das damit auch einen Zeitgeist für sich nutzbar zu machen versucht. Aber das ersetzt nicht die Qualitätsstandards der Marken, die sich langfristig durchgesetzt haben.

Besteht denn nicht die Gefahr, dass Konsumenten trotz aller ausgeklügelten Markenkommunikation übersättigt und desinteressiert werden?
Engelke: Die besteht. Aber darauf reagiert der Markt jetzt schon. Schauen Sie sich die Auftritte auf der IAA an. Es gab weniger Materialschlachten und weniger visuelle Exzesse. Das ist schon mehr Effizienz als Erlebnis. Man unterschätzt auch die Intellektualität der Industrie, selbstkritisch mit der eigenen Botschaft umzugehen. Jede Botschaft im Raum ist gleichzeitig auch Zeichen von Verantwortung - im Sinne von Produkt und Nutzen, Produkt und Gesellschaft, Produkt und Standort. Ich vertraue auf die Kräfte im Markt. Die inflationäre erlebnisbarocke Haltung ist vorbei, eine gegenseitige Schulung findet statt. Genau an diesem Punkt sind wir gerade.
Pauen: Schlüsselwort ist intelligente Kommunikation. Sie spielt eine wichtige Rolle. Das kann Intelligenz im Sinne der Budgeteffizienz sein, aber auch im Sinne der emotionalen Qualität, mit der Zielgruppen angesprochen werden.

Wo geht bei diesem Anspruch die Reise hin?
Engelke: Vor zehn Jahren gab es viele Berufe in unserer Branche, die heute in den Hochschulen und Akademien gelehrt werden, noch gar nicht. Der gesamte Bereich wird sich professionalisieren, auch auf Unternehmensseite. Die Spreu wird sich vom Weizen trennen. Es wird die Unternehmen geben, die qualitätsbewusst mit Kommunikationsbudgets umgehen wollen und können, und andere, die immer noch mit Kanonen auf Spatzen schießen. Genau an dieser Stelle scheiden sich auch die Geister.
Pauen: Etats werden dabei ein Stichwort sein. Die klassischen Etats für die Messe werden zurückgefahren, parallel dazu suchen Marketingabteilungen neue Kanäle und Instrumente - unter anderem natürlich auch unter dem Stichwort Kommunikation im Raum, um ihre Zielgruppen besser zu erreichen. Der Anteil der Begegnungskommunikation, sei es am Firmensitz, im öffentlichen Raum oder im Rahmen einer exklusiven Veranstaltung, wird immer wichtiger.

Und nach den Marken- und Erlebniswelten?Engelke: In London gibt es ein Jugendkaufhaus. Die Zielgruppe liegt zwischen 15 bis 25 Jahren. Das Ganze ist eine Mischung aus Disco, Lounge und der Möglichkeit, T-Shirts beim Kaffee zu kaufen. Als ich es besucht habe, war es rappelvoll. Das Konzept ist für die Zielgruppe perfekt und stellt jetzt schon wieder Zielgruppenkonzepte wie Niketown oder bei Adidas in Frage. Daran wird sicher in der Zukunft gearbeitet, zielgruppenspezifische Verkaufsräume zu schaffen, in denen Kommunikation ganz anders betrachtet wird. Bei denen nicht vom Produkt aus gedacht wird, sondern die sich an den einzelnen Erlebnisbedürfnissen der Zielgruppen orientieren.
Pauen: So werden Unternehmen zu Playern und Mitgliedern einer Community. Damit wird auch eine ganz andere Verkaufspsychologie aktiviert. Unternehmen bieten eine Plattform, auf der keine Unternehmens-Kunden-Beziehung etabliert wird, sondern eine Community. Das stellt Marketing vor ganz andere Aufgaben. Das Ganze funktioniert noch viel integrativer und subtiler. Die Produkte kommen quasi durch die Hintertür.

Sind unsere europäischen Nachbarn in diese Hinsicht weiter?
Engelke: In einzelnen Bereichen ja, aber im Durchschnitt kann sich Deutschland schon sehen lassen. Werbung, Musik, Event und Rock'n'Roll sind aber in England schon immer anders gelebt worden. Daher gibt es sicherlich Leute, die viel enger mit der Industrie verknüpft neue Konzepte entwickeln. Da gibt es in Deutschland Nachholbedarf.

Zu Triad selber. Sie haben verschiedene Schwerpunkte, Messe, Events, Brandworlds, Showrooms und permanente Ausstellungen. Wo liegen die Synergien innerhalb der Agentur?
Engelke: Wir sind interdisziplinär aufgebaut: Grafik-, Medien- und Industriedesign, Architektur, Marketing und Spezialisten für Live-Inszenierungen ergänzen sich gegenseitig. Der Kunde muss sich nicht die Kompetenzen auf dem Markt zusammenkaufen.Interview: Annic Kolbrück

m+a report Nr.7 / 2005 vom 27.10.2005
m+a report vom 27. Oktober 2005