Unvoreingenommen gegenüber regionalen Spezialitäten

Sie kommen aus Italien, Indien, China und vielen anderen Ländern mehr: Ausländische Aussteller und Besucher stützen die deutsche Messekonjunktur. Wie reagieren die Gastronomen auf die Essensgewohnheiten der internationalen Gäste?

Nationalitätenrestaurants mit italienischer oder französischer Küche auf Messen sind inzwischen gang und gäbe. Doch viele Messegastronomen gehen noch einen Schritt weiter. "Es wäre fatal, würden wir nicht auf die Spezialbedürfnisse unserer Kunden eingehen", sagt Jürgen Maier, Restaurationsbetriebe Stockheim, Düsseldorf. Analysen der Herkunftsländer der Aussteller und Besucher, Erfahrungen aus dem Gastronomiegeschäft sowie Umfragen unter den Messegästen helfen, den Bedürfnissen und Wünschen der ausländischen Gäste gerecht zu werden. Die ausländischen Messebesucher erwarteten zwar deutsche beziehungsweise mitteleuropäische Küche, "dennoch gehen wir auf bestimmte Besucher- und Ausstellernationen ein, alles muss so authentisch wie möglich sein", pflichtet Thomas Krechel bei. "Auch wenn solche Angebote oft nicht stark frequentiert werden und daher wirtschaftlich nicht sehr interessant sind, bringen sie doch einen Imagegewinn mit sich", sagt der Mann der Bayer Gastronomie, die für die Koelnmesse tätig ist.
Und noch etwas stellt die Gastronomen vor Herausforderungen: "Es ist schwierig, die speziellen ausländischen Gerichte anzubieten, da - nur ein Beispiel - die chinesische Küche in Europa ganz anders schmeckt als in China", sagt Thomas Domani, Geschäftsführer des Nürnberger Messecatering-Unternehmens Kurt Lilly. Bei Messen, bei denen ein hoher Anteil ausländischer Aussteller und Besucher zu erwarten ist, setzen die meisten Messegastronomen Köche aus den Herkunftsländern der Messegäste ein, um eine größere Authentizität des Geschmacks zu erreichen. Oft wird auch, wie es etwa die Messe Berlin zur Internationalen Tourismusbörse ITB oder zur Internationalen Funkausstellung IFA handhabt, mit speziellen Vertragspartnern zusammengearbeitet, in denen die jeweiligen Landesküchen zu Hause sind. "Wir stellen aber häufig fest, dass insbesondere unsere ausländischen Gäste sehr gerne landestypisch - sprich: deutsch - essen", sagt Oliver Rübenkamp, Capital Catering, Berlin. Die Deutsche Messe AG, Hannover, hat zum Beispiel ein Restaurant mit niedersächsischer Küche eingerichtet, in Nürnberg werden die Gäste mit regionaler fränkischer Küche begeistert. Darüber hinaus setzen die Nürnberger auf Front Cooking, "da sich hier vor allem die ausländischen Besucher einen besseren Überblick über Art und Weise der Speisen machen können und so auch keine Übersetzungsprobleme entstehen."
In Leipzig, wo der Anteil ausländischer Messebesucher nicht ganz so hoch ist, wird auf die Essensgewohnheiten ausländischer Gäste nur begrenzt eingegangen. "Bei bestimmten Messen geht es bei uns vorwiegend um osteuropäische Länder - darauf kann seitens der Messegastronomie reagiert werden. Auch wenn spezielle Events während der Messen stattfinden, gehen wir auf die Wünsche der Gäste ein. Jedoch liegt es auch in unserem Interesse, die deutsche Küche hervorzuheben und anzubieten", sagt Marc Böttcher, Leipziger Messe Gastronomie.
Wesentlich individueller als im eigentlichen Messebereich können die Gastronomen reagieren, wenn es um gesonderte Events, Länderempfänge oder in Veranstaltungen in den angegliederten Tagungs- und Kongresscentern geht. Da werden dann, wie zum Beispiel in Hannover, in enger Zusammenarbeit mit den jeweiligen Handelskammern, Botschaften, Protokollabteilungen, Restaurants und Agenturen ganz spezifische Angebote entwickelt, die den Bedürfnissen der Gäste aus beispielsweise Indonesien, Irland, Taiwan oder Russland gerecht werden. "Das ist absolutes Muss bei einem globalen Messemarkt", betont Rolf G. Schwichtenberg, Messegastronomie Hannover. Das gilt auch für koschere Küche, die ob ihrer sehr strengen Reinheitsvorschriften für viele Messegastronomen ein Problem darstellt. In einer normalen Großküche ist sie nicht zu realisieren. "Koschere Küche kann nur von außen angeliefert werden oder muss vom Kunden mitgebracht werden, weil dazu spezielle Küchen erforderlich sind. Küchen, in denen keine anderen Gerichte zubereitet werden dürfen", erklärt Thomas Domani. Einige Messegesellschaften bieten sie daher gar nicht an, andere arbeiten mit Subunternehmern oder greifen, wie beispielsweise die Düsseldorfer, auf Unterstützung der jüdischen Gemeinde am Standort zurück. Im normalen Messebetrieb sei die Nachfrage nach koscherem Essen gering, weiß Marc Böttcher. Anders sehe es jedoch bei Veranstaltungen aus, die im Voraus geplant werden. "Nach Absprache ist selbstverständlich alles möglich", sagt der Leipziger.
So unterschiedlich die Herkunftsländer der ausländischen Aussteller und Besucher, so verschieden auch das Essverhalten - und die Einschätzung der Messegastronomen. "Die Gastronomie muss "schnell" sein, denn Zeit ist knapp. Im Vordergrund auf einer Messe steht das Business, nicht der Restaurant- oder Snackaufenthalt", weiß Rolf. G. Schwichtenberg. Zustimmung erntet der Hannoveraner von Alexander Walter, Käfer Messegastronomie, München. "Es zeichnet sich der Trend ab, dass Messegäste keine Anstrengungen unternehmen, ein feines Restaurant auf dem Gelände aufzusuchen, sondern lieber schnell im Vorbeigehen essen. Wir sind deshalb dabei, unsere mobile Gastronomie auszubauen und investieren in mobile Theken, Kochzeilen und Bestuhlungskonzepte, um direkt in den Messehallen Restaurationen aufbauen zu können."
Eher die gegenteilige Erfahrung macht Gert Hoffmann, der ebenfalls das Münchener Messegelände gastronomisch betreut. "Fachmessen mit einem hohen Auslandsbesucheranteil erhöhen den Pro-Kopf-Umsatz erheblich. Vor allem Südeuropäer und asiatische Gäste erfreuen die Gastronomie mit ausgiebigen Lunches, die durchaus geschäftlichen Hintergrund haben. Sie erwarten nicht, Gerichte aus ihrer Heimat serviert zu bekommen. Unsere Gäste sind völlig unvoreingenommen gegenüber regionalen Spezialitäten wie Bärlauchschaumsüppchen, Tafelspitz vom Biokalb oder Spanferkel. Das A und O sind jedoch Speisekarten in mindestens drei Fremdsprachen."
Ausländische Messegäste essen nicht viel anders als deutsche. Und noch eines eint sie: Sie erwarten eine gute Qualität der Speisen, egal ob es sich dabei um Rostbratwurst oder Haute Cuisine handelt. Und sie erwarten freundliches Servicepersonal, das engagiert und in der Lage ist, den hungrigen Gästen nicht nur in deutscher Sprache weiterzuhelfen. Das sind die Punkte, an denen viele Messegastronomen noch arbeiten müssen. Antje Peters-Reimann

m+a report Nr.7 / 2005 vom 27.10.2005
m+a report vom 27. Oktober 2005