Von Möbeln und Menschen

Helmut Lübke, ein Unternehmer mit Sinn für Design, hat die Messe in Köln auf Kurs gebracht.

"Viele Menschen sind einfach nicht in der Lage, sich rechtzeitig zu verabschieden, und leider häufig gerade die Besten." Auf den, der diesen Satz formuliert, trifft diese Erkenntnis überhaupt nicht zu. Helmut Lübke, Ex-Gesellschafter der Möbelfirma Interlübke, hat seinen Posten als Geschäftsführer gerade an einen Jüngeren abgegeben. Däumchen dreht er deshalb nicht.
Der zurückhaltend wirkende Unternehmer ist so etwas wie die graue Eminenz der Branche: Seit Mitte der 90er Jahre leitet er den Verband der Deutschen Möbelindustrie. Er gehört zu jenem kleinen Kreis, der die gebeutelte Kölner Möbelmesse auf Kurs trimmte. Denn er schaffte es, Industrie und Designerszene wieder an einen Tisch zu bringen. Lübke steht außerdem seit zwei Jahren dem Rat für Formgebung in Frankfurt vor, Deutschlands zentraler Deisgn-Institution. Die Einrichtung galt lange als verschlafen und macht nun wieder von sich reden.
Einfallsreiche Produktgestaltung sieht der viel beschäftigte Lübke als probates Heilmittel gegen die Dauerkrise der deutschen Möbelindustrie - und er verdammt die grassierende "Rabatitis". Lübke, wegen seiner altmodischen Prinzipien häufig belächelt, fordert das Gespräch "von Mensch zu Mensch". Man müsse sich einfach mehr mit den Kunden unterhalten.
Der Verfechter der Nachhaltigkeit, der in seiner eigenen Firma Cor als erster ein Ökomanagement einführte, äußert Sätze wie: "Wegwerfprodukte sind Sünde" oder "Werte sind wichtiger als Preise". Gut vorstellbar, dass eine solche Dosis Moralin manchem Unternehmerkollegen auf die Nerven geht.
Lübke, Jahrgang 1936, wurden Feile und Hobel in die Wiege gelegt. Seine Tischlerlehre absolvierte er im 1918 gegründeten Familienbetrieb in Rheda-Wiedenbrück. Natürlich kann er Tische und Fenster bauen - und Treppen. "Treppenbau", kommt der Hobbykapitän ins Schwärmen, "ist so wie das Segeln im Wattenmeer." Eben sehr, sehr schwierig. Die perfekte Treppe ist für ihn Sinnbild für die Synthese von Funktion und Ästhetik. Im Kontrast dazu steht für Helmut Lübke das modische Chichi-Design mit "eingebautem optischen Verschleiß".
Dass schlichte Gestaltung sich auszahlen kann, hat Fabrikant Lübke bei seinen eigenen Firmen Cor und Interlübke demonstriert. In Rheda-Wiedenbrück, einst eine Möbelmetropole mit Dutzenden von Herstellern, sind sie die einzigen, die überlebt haben. Jahrelang Geschäftsführer von Cor, ist der Manager Mitte der 90er Jahre auf seine alten Tage noch einmal zu Interlübke gewechselt. Als Krisenmanager hat er das Traditionsunternehmen aus dem Jammertal geführt. Die Mittel: Funktionalität, Qualität, Einsatz neuer Materialien, intelligente Detaillösungen wie Raum sparende Scharniere und die Wiederbelebung von Klassikern wie die Schrankwand S 96. Hinzu kam Mut zur Innovation wie beim innenbeleuchteten Schranksystem "Eo".
Heute zählen Interlübke und Cor zu den Großen. Im vorigen Jahr setzten sie jeweils 41 und 30 Mio. EUR um. Interlübke beschäftigt 340 Leute, Cor 210 - im Schnitt der hiesigen Branche sind es lediglich 110 Arbeitnehmer.Die Möbelbranche hier zu Lande ist mit etwa 20 Mrd. EUR Umsatz immer noch die größte der Welt, auch wenn der Trend bei Erlösen und Gewinnen in den vergangenen Jahren abwärts zeigte - auch bei Interlübke. Inzwischen sieht es dort wieder günstiger aus. Lübke erwartet auf Grund der gestiegenen Nachfrage im ersten Quartal ein Umsatzplus von 25 %.
Die Flaute der Branche in den vergangenen Jahren ist aus Sicht des Managers zum Teil "hausgemacht". Der Westfale, ein ausgemachter Design-Sturkopf, kämpft wie Don Quijote gegen den herrschenden "Einheitsbrei". Mittlerweile sitzt der Streitbare auch auf den richtigen Stühlen. Lübke hat den Keis geschlossen: Die Internationale Möbelmesse in Köln, zwar die älteste und größte ihrer Art, galt gegenüber der schicken Mailänder Konkurrenz als provinzieller Kommerzrummel, wo Avantgarde höchstens auf dem Flur stattfand. Lübke hat Messe und den Rat für Formgebung kurzgeschlossen. Das tat beiden gut: Die von den Frankfurter gestrickten Konzepte wie das "Ideal House" - eine Wohnvision im Großformat, die namhafte Designer umsetzen - schlug ein. Die Kölner Möbelmesse ist wieder im Gespräch und bietet dem Erzrivalen im italienischen Mailand Paroli.Bernd Polster(Quelle: Frankfurter Rundschau)

m+a report Nr.2 / 2004 vom 18.03.2004
m+a report vom 18. März 2004