Messen ... vergessen?

Wird das Thema nicht mehr an den Unis gelehrt, könnte der Nachwuchs - die späteren Entscheider - auf andere Marketinginstrumente setzen.

Bernd A. Diederichs macht sich Sorgen um den deutschen Messenachwuchs. Nicht, dass er glaubt, ihm gingen die eigenen Messemanager aus. Nein, der Geschäftsführer der NürnbergMesse denkt eher an die andere Seite des Schreibtischs: An diejenigen, die in den Konzernen über den Marketingmix der Zukunft entscheiden, die einmal bestimmen werden, wie viel Prozent des Budgets in klassische Werbung, Direktmarketing, Below-the-Line-Aktionen und eben in Messeauftritte fließt. "Der Teil der Wirtschaftsstudenten, die sich schwerpunktmäßig mit dem Thema Marketing befasst, stellt unsere Klientel der nächsten Jahrzehnte dar. Und diese Klientel weiß, so steht zu befürchten, sehr wenig über Messen".

Dabei gäbe es eine Menge wissenswertes zum Thema. Zum Beispiel, dass der Ausstellungs- und Messeausschuss der deutschen Wirtschaft, der AUMA, ermittelt hat, dass drei von vier Unternehmen Messen als Kommunikationsinstrument nutzen; dass Messen nach dem Außendienst den höchsten Stellenwert genießen; dass Messen in den vergangnen Jahren verstärkt in Service investiert haben; dass Messen im Ranking der nichtklassischen Kommunikationsmittel ganz oben stehen und dass sie gerade im Rahmen der Globalisierung das Instrument schlechthin sind, wenn es darum geht, neue Märkte zu erobern. Und wer will das nicht, als Student der Wirtschaftswissenschaften, neue Märkte erobern? Doch wer nichts von Messen weiß, will auch nichts davon wissen, wenn Investitionen anstehen. Zwei Drittel des Marketingbudgets für Messen verplant? "Wie verlockend, das Geld für andere Aktionen einzusetzen, über die die künftigen Marketingprofis im Studium so viel mehr erfahren haben", spöttelt Diederichs.

Jörg Beier, Studienleiter der Fachrichtung Messe, Kongress- und Eventmanagement an der Berufsakademie Ravensburg, stimmt zu: "Was bei den meisten Universitäten maximal stattfindet, ist eine Veranstaltung zum Thema Messemanagement." Zudem würde die Kommunikationspolitik der Unternehmen noch kurz gestreift, "hier werden nur Standards gebracht". Hendrik Hochheim, Referent für Aus- und Weiterbildung beim AUMA hat vor zwei Jahren 250 Unis angeschrieben, um zu ermitteln, wie wichtig das Thema im Rahmen des BWL-Studiengangs ist: Nur 63 gaben an, dass Messen bei ihnen eine Rolle spielen. "Wir schätzen, dass sich nur knapp zehn Institute intensiv da mit auseinander setzen". Intensive Auseinandersetzung heißt, die Hochschulen haben spezielle Dozenten für den Fachbereich, bieten Vorlesungsreihen an und es gibt die Möglichkeit, eine Diplomarbeit im Bereich Messewirtschaft zu schreiben.
"Unsere Branche findet sich als gelegentliche Randnotiz in den Lehrplänen wieder, wahlweise Verkauf oder Vertrieb, Distribution oder Kommunikation zugeordnet", diagnostiziert Diederichs: "Tun wir nichts dagegen, schlägt sich das fehlende Wissen mittelfristig in stetem Bedeutungsverlust der Messen als Kommunikationsinstrument nieder". Doch ist es wirklich so schlecht um das Know-how des Marketingnachwuchses bestellt? Und vor allem: Gibt es tatsächlich eine Entwicklung, welche Messen allmählich vernachlässigt? Ein guter Indikator, um die Bedeutung einer Branche festzustellen, sei der Output an Diplomarbeiten zum Thema, sagt auch Diederichs. Doch der scheint nicht signifikant zurück gegangen zu sein: Seit über zehn Jahren führt der AUMA seine Messebibliothek, mittlerweile hat Referent Hochheim rund 700 Diplomarbeiten gesammelt: "Tendenziell ist es in den vergangenen Jahren eher mehr als weniger geworden".

Die These vom Bedeutungsverlust der Messen in Wissenschaft und Forschung will auch Ravensburg-Professor Beier nicht bestätigen: "Messen haben einen hohen Stellenwert und der ist in den letzten Jahren eher gestiegen". Grund seien nicht zuletzt die Anstrengungen des AUMA. In der Tat versucht der Messe-Ausschuss die Unis zu unterstützen, allen voran das noch junge Institut für Messewirtschaft in Köln. So vermittelt der Verband etwa Experten, die Seminare halten und öffnet interessierten Studenten die Messebibliothek, die immer noch das umfangreichste Literaturangebot in ganz Deutschland zum Thema Messe bereit hält.
Auf diese Weise profitieren nicht nur zukünftige Aussteller, vor allem die Messeunternehmen selbst können sich über gut geschulten Nachwuchs freuen. "Jedem deutschen Messeunternehmen ein Absolvent von mir", ist die Vision Beiers: "Bald ist es geschafft". In der Tat schwören viele deutsche Messen auf den hochkarätigen Nachwuchs aus Oberschwaben. "Wir setzen bei unseren Nachwuchskräften stark auf die Berufsakademie in Ravensburg", sagt Raimund Hosch, Vorsitzender der Geschäftsführung der Messe Berlin: "Die müssen aber in unserem Kerngeschäft noch geschult werden." Der Akquise entsprechend kommen die Neuankömmlinge erst mal in die Sales-Task-Force der Berliner. Zudem engagiert Hosch bei Nachwuchsführungskräften auch Hochschulabsolventen mit den Fächern Marketing und Kommunikation. "Nach einem zweijährigen Trainee-Lehrgang wissen wir, ob die Kandidaten langfristig geeignet sind."
Wolfgang Marzin, Vorsitzender der Geschäftsführer der Leipziger Messe, wird hingegen direkt vor seiner Haustür, bei der Handelshochschule für Kommunikation sowie bei der Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kommunikation fündig. Generell kommt Marzins Mannschaft aber aus allen Branchen. Schließlich sei "als Messe-Manager in erster Linie der gesunde Menschenverstand vonnöten." Zudem müssten sich die Youngster im Dienstleistungsbereich auskennen: "Nur durch überdurchschnittlichen Service können wir uns heute vor der Konkurrenz auszeichnen." Diederichs rekrutiert einen Großteil seines Teams aus dem Lehrstuhl für Marketing an den Universitäten Ravensburg, Bamberg und Erlangen-Nürnberg. Mit Nürnberg-Erlangen kooperiert er auch in Forschungsfragen und hat so etwa die Erwartungshaltung von Messebesuchern gemeinsam mit Studenten untersucht. "Warum halten wir Messemacher mit unserem Wissen hinter dem Berg?" fragt Diederichs: "Mischen wir uns unter die Talare!".
Er weiß: Wer schon in jungen Studienjahren positiven Kontakt mit Messen gesammelt hat - und sei es nur durch ein Praktikum -, der wird auch als Entscheidungsträger im Unternehmen positiv an seine hippe Zeit zurückdenken. Dass Messen generell unter die Räder anderer Marketinginstrumente geraten, ist weniger zu befürchten. Gerade die Auslandsstrategien vieler deutschen Veranstalter locken auch den Abenteurer im Studenten und werten die gesamte Industrie auf. Dennoch kann ein verstärktes Engagement der Messen in Forschung und Bildung nicht schaden. Im Gegenteil: Es könnte sich auszahlen. Markus Ridder

m+a report Nr.4 / 2005 vom 14.06.2005
m+a report vom 14. Juni 2005