Die Chinesen kommen

Die Innovation 2005 heißt: Exklusivmessen für Asien und China - mitten in Deutschland. Sie sollen Plattformen werden für ganz Europa. Aufmerksamkeit ist garantiert.

Der Ferne Osten rückt näher. In Form von exklusiven Messen, die 2005 erstmals vom Stapel gehen. An ihnen dürfen ausschließlich Firmen aus Asien und speziell China teilnehmen. Sie heißen Asia Pacific Sourcing, Asia Styles und China Sourcing und werden von den Messen Köln und Nürnberg sowie von Reed Exhibitions Deutschland in Düsseldorf gestartet. Auch die Frankfurter wollen beim neuen Trend mitmischen. Ihr Schiff - die asianliving - fährt jedoch noch etwas versteckt unter der Flagge der Ambiente und macht eher den Eindruck eines Versuchsballons.
Messemacher lieben Zahlenspiele. Ihnen müssen die Finger jucken angesichts des rasanten Gipfelsturms, den chinesische Aussteller auf deutschen Messen derzeit hinlegen. Waren die Chinesen 1994 mit 550 Firmen auf 47 Messen vertreten, registrierte der AUMA, Messe- und Ausstellungs-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft, Berlin, 2004 über 6000 chinesische Aussteller auf 85 Veranstaltungen. Geht es nach den Messestatistiken, hat China die USA bereits überrundet: 2002 rückte die Volksrepublik in der Liste der stärksten ausländischen Ausstellernationen erstmals vor die USA auf Platz 4. In der Praxis führt diese Nachfrage zu Platzenge, nicht immer fühlen sich die Chinesen und ihre Nachbarn aus Asien herzlich willkommen auf deutschen Messen.

"China hat sich in den vergangenen Jahren zum weltweit größten Produktionszentrum für Konsumgüter entwickelt und ist einer der weltweit größten Exporteure in diesem Marktsegment." Das sagt Sha Kezhong, Direktor des China Council for the Promotion of International Trade (CCPIT). Die halbstaatliche Institution organisiert mit der Asia Styles - Trade Fair for Consumer Goods, Gifts and Houseware in Nürnberg ihre erste eigenveranstaltete Fachmesse in Europa. Der Grund: "Selbstständige chinesische Unternehmer und Fabriken hatten bis dato keine Chance sich in Europa adäquat zu präsentieren." Zugleich sei Deutschland der wichtigste Markt in Europa und der größte Handelspartner für Konsumgüter in der EU (siehe Kasten). Die Chinesen drehen den Spieß also um und machen es den deutschen Veranstaltern nach, die ihre Messekonzepte nach Asien und speziell China exportieren "Wir waren mit der Situation der bestehenden Messeplätze unzufrieden. Die Fläche, die für chinesische Unternehmen zur Verfügung stand, hat die Bedürfnisse bei weitem nicht gedeckt", erklärt Sha. Deutliche Worte, die von Taten unterstrichen werden: Der Termin der Asia Styles - Ende August - wurde parallel zur Herbstmesse Tendence in Frankfurt gelegt. "Das ist so gewollt vom Veranstalter", weiß Axel Bartkus, zuständiger Projektleiter bei Nürnberg Global Fairs (NGF). Der chinesische Partner wolle auch Firmen ansprechen, die "keine Chance haben an anderen Messen teilzunehmen." Schwerpunkt der Asia Styles 2005 sind Geschenke und Haushaltswaren. Während CCPIT die Ausstellerakquise für China, Macao, Indien und Malaysia in Eigenregie durchführt, ist Bartkus für den restlichen asiatischen Raum zuständig. Am 29. August will man mit rund 650 Ausstellern auf 12 000 m2 starten. Erwartet werden bis zu 5000 Fachbesucher, Zielgruppen sind Einkäufer, Bulk-Buyer (Großabnehmer), Importeure und Vertriebsprofis. Den Chinesen ist es ernst: Die Asia Styles soll jährlich stattfinden, der Vertrag mit NGF läuft für fünf Jahre.

"Die Messeaktivitäten der Chinesen sind auch Ausdruck eines erstarkten Selbstbewusstseins", weiß Britta Wirtz, Prokuristin bei Reed Exhibitions Deutschland. "Nach dem Motto: Wenn wir nicht genügend Aufmerksamkeit bekommen, dann holen wir sie uns!" Wirtz organisiert im Rahmen eines Joint Ventures mit der chinesischen Außenhandelskammer für Maschinen und Produkte CCCME die Premiere der Fachmesse China Sourcing in Düsseldorf, die künftig jährlich stattfinden soll. Diese Veranstaltung firmiert als einzige in Deutschland, die ausschließlich von chinesischen Firmen beschickt werden darf: den Mitgliedsfirmen des potenten, halbstaatlichen Verbands. CCCME vergibt an seine Firmen Exportlizenzen, ohne die kein chinesischer Unternehmer international tätig werden kann. Mit der China Sourcing, die vom 12. bis 14. September Haushalts- und Küchengeräte, Baumarkt- und Sanitärbedarf sowie Automobilteile- und Zulieferbedarf zeigen soll, stoße man überall auf offene Türen, so Wirtz: "China ist ein Zieher".
Die asienfreundliche Standortpolitik in Nordrhein-Westfalen schaffe ein günstiges Klima, Düsseldorf sei mit seinem China-Kompetenzzentrum als Messeplatz ideal. So bilden die Dienstleisterfirmen, die Anbieter und Besucher bei ihren Geschäften beraten sollen, auch die einzige Ausnahme als nicht-chinesischen Aussteller. Auch ein spezielles Rahmenprogramm soll helfen, den Humus für das China-Geschäft zu bereiten. "Die China Sourcing wird durchaus kritisch, aber auch sehr neugierig beobachtet", so Wirtz. Man setzt auf 400 Aussteller, für die die Halle 14 mit rund 11 000 m2 reserviert ist. Konkrete Angaben zu den erwarteten Besucherzahlen möchte Wirtz im Vorfeld nicht machen. Firmen wie Audi, die SEB Group (Einkauf für Rowenta/ Krupps/ Calor/ Tefal/ Arno), Lux Werkzeuge, Zeus GmbH & Co. KG oder Baumarktketten wie Praktiker Bau- und Heimwerkermärkte AG hätten sich bereits interessiert.

Kritischer Knackpunkt der Asia Styles und der China Sourcing: die Qualität des Angebots. Dessen seien sich CCPIT und CCCME bewusst, bestätigen Bartkus und Wirtz. Bei der Asia Styles ist das Verbot, Plagiate zu zeigen, sogar in den Ausstellerunterlagen festgeschrieben. Der Fokus beider Messen liege auf Markenherstellern, die hochwertige Produkte anbieten. "Die chinesischen Hersteller sind sich bewusst, dass sie europäischen Ansprüchen genügen müssen", erklärt die Reed Exhibition-Managerin. Die Chinesen bemühten sich immer mehr, eigene Brands auszubauen und zu exportieren. Dies zeigten erfolgreiche, bereits etablierte chinesische Marken wie Brilliance (Automobil), Kelon (Weiße Ware), Haier (Weiße/Braune Ware).
Die Pioniertat bereits hinter sich haben Frankfurt und Köln. Die asianliving - im Alleingang organisiert von der Messe Frankfurt Ausstellungen (MFA) - lief im Februar parallel zur Ambiente in den Messehallen in Offenbach. Was als "ultimative Drehscheibe für exportorientierte Anbieter" angekündigt wurde, sorgte bei den 180 Ausstellern jedoch nicht für beste Stimmung. Auch zwei Monate nach der asianliving verrät der Internetauftritt nichts darüber, wie die Veranstaltung gelaufen ist. Im Gegenteil: Auf der Homepage sind noch die geplanten Zahlen (Aussteller: 250, Besucher: 8000) zu lesen, eine angekündigte Ausstellerdatenbank ist nicht abrufbar. Die auf Anfrage gelieferte Schlussmeldung berichtet von 6000 Ambiente-Besuchern, die den Weg in den Vorort Offenbach gefunden hätten. Nicolette Naumann, als Bereichsleiterin verantwortlich für die Konsumgütermessen Ambiente, Tendence Lifestyle, Collectione, konkretisiert: "In Offenbach waren 75 % chinesische Anbieter, in 2006 werden es voraussichtlich mehr sein." Die Konkurrenz aus Nürnberg scheut man in Frankfurt nicht: "Von einem Nachlassen der Nachfrage kann keine Rede sein - im Gegenteil. Die Frankfurter Konsumgütermessen blicken auf eine lange Tradition in der Zusammenarbeit mit Firmen aus Asien zurück. Die Tendence Lifestyle ist mit über 530 chinesischen Ausstellern aus den Produktbereichen Tisch und Küche, Schenken und Wohnen repräsentativ und attraktiv aufgestellt." Zugleich verweist Naumann auf "unsere Aufgaben, bei internationalen Messen das Gesamtangebot im Verhältnis zur Flächenverfügbarkeit ausgewogen zu strukturieren". Mit Blick auf die Asian Styles meint die Ambiente-Verantwortliche, dass für den Einkäufer eine Reise nach Nürnberg zusätzlich Aufwand bedeute, "der sicherlich scharf kalkuliert wird, zumal sich dort die asiatischen Firmen ja ohne das internationale Umfeld, das sich in Frankfurt auf der Tendence Lifestyle mit rund 3500 Ausstellern dem Einkäufer bietet, präsentieren."

Positiv angetan indes zeigen sich die Kölner. Ihre Asia Pacific Sourcing Fachmesse für asiatische Produkte rund um Haus, Garten und Ambiente entstand, weil die Eisenwarenmesse ab 2004 nur noch im Zweijahres-Turnus stattfindet. Das sorgte für Unmut unter den Teilnehmern aus Asien, die sich aufgrund ihrer hohen Marktdynamik jährlich vertreten sehen wollten. Productmanager Hans-Joachim Kampen: "Die Asia Pacific Sourcing soll in Europa eine Plattform schaffen, wir machen auf dem eingeschlagenen Weg weiter." An drei Messetagen zeigten 546 Hersteller und Vertriebsunternehmen aus 15 Ländern Produkte und Leistungen, angeführt von Unternehmen aus der Volksrepublik China (399 Anbieter) und Taiwan (92).

Die Beteiligungen kamen in Zusammenarbeit mit staatlichen oder privatwirtschaftlichen Exportförderungsorganisationen zustande. Die Messe ist jedoch eine reine Eigenveranstaltung der Kölner. Sie melden 7000 Fachbesucher aus rund 60 Ländern, mehr als zwei Drittel davon aus dem Ausland. "Die nationalen und internationalen Key-Player der Großvertriebsformen des Handels waren vor Ort, darunter von den großen ausländischen Baumarktketten Home Depot, Carrefour und Baumax ebenso wie von Obi, Hornbach, Metro/Praktiker, Rewe und Bauhaus sowie Einkäufer aus dem Discount- und Versandhandel, etwa von Lidl und dem Otto-Versand", so der Schlussbericht. Die Asia-Pacific Sourcing belegte bei ihrer Premiere 32 000 m2 Brutto-Ausstellungsfläche des Kölner Messegeländes.

Apropos Zahlen: Keine der Asien-Messen ist FKM geprüft. Einzig Reed Exhibitions kündigt an, dass die China Sourcing "als wichtiger Qualitätsstandard" ab der dritten Durchführung, das heißt ab 2007, FKM geprüft werden soll. Die Statistiken des AUMA, die auf den FKM-Erhebungen basieren, werden also ab diesem Jahr nicht realistisch die Anwesenheit asiatischer und chinesischer Aussteller auf den deutschen Messeveranstaltungen wiedergeben. Petra Schmieder

m+a report Nr.3 / 2005 vom 27.04.2005
m+a report vom 27. April 2005