Schutz vor Schwund

Dass ein mit Ausstellungsgütern beladener Lkw auf einer Landstraße umstürzt, ist nur eines der Risiken, denen Aussteller ausgesetzt sind. Vor einigen Gefahren kann man sich jedoch schützen.

Im Fall des Lkws könnte eine Versicherung zwar den Warenschaden ersetzen, nicht aber den Verlust, der dadurch entsteht, dass der Messestand leer bleibt. Und im folgenden Fall würde die Versicherung vermutlich nicht einmal zahlen: "Ich soll die Computer zur Reparatur abholen", sagte der Mann im Blaumann zu dem schwarz gekleideten Mann vom Wachdienst. Am nächsten Tag wunderte sich die Standbesatzung, dass ihr Messestand so leer aussah. Ebenfalls versicherungstechnisch ein Risiko ist es, einen mit Ausstellungsgütern beladenen Lieferwagen ohne Wache über Nacht auf dem Messegelände stehen zu lassen, so dass er bequem aufgebrochen und der Inhalt gestohlen werden kann.

Vor dem Vergessen eines Lkw schützt vermutlich auch die neueste Entwicklung von Securicor Hamburg und Hartmann Alsfeld nicht: ein Werttransporter mit GPS-gesteuerten Tresoren, die sich jeweils nur in Abhängigkeit von ihrer jeweiligen Position öffnen lassen; also beispielsweise am Messe-Eingang Nord. Mit GPS (Global Positioning System) und satellitengestützter Ortung lassen sich zwar grundsätzlich Fahrzeuge - auch auf ihrer Fahrt vom und zum Messegelände - überwachen, aber ein direkter Schutz vor dem Ausrauben ist das nicht.

Im Gegensatz zu White Safe, dem Sicherheitsnebel der Geta mbh Obergebra, der nicht nur in den Räumen von Kaufhäusern, sondern auch beim mobilen Einsatz - etwa in Werttransportern - den Tätern die Sicht auf die Beute verdeckt. Auf der Messe selbst ist in der Regel aufgrund der Standgestaltung ein Sicherheitsnebelsystem kaum sinnvoll einsetzbar. Dafür erhalten die Aussteller von Versicherungen und Messegesellschaften diverse Ratschläge; zum Beispiel "eine übersichtliche Bauweise mit einer abschließbaren und überdachten Kabine". Aber in manchen Ausstellungshallen sind Überdachungen nicht erlaubt oder im konkreten Fall aus ästhetischen Gründen unerwünscht. Und die Tür abzuschließen, wenn man mit einem Klimmzug über die Wand kommt, bringt selten einen Vorteil.

Und wenn die Versicherung fordert: "Die Ausstellungsgüter müssen ständig durch eine Vertrauensperson des Versicherungsnehmers bewacht werden", dann ist das unrealistisch. Denn wenn dieser Ratschlag von allen Ausstellern befolgt würde, könnte es kein Messegeschäft mehr geben. Es sei denn, man engagiert Scharen von Watch-Guards, die ständig jeden Ausstellungs- und Standgegenstand im Auge behalten.

Manchmal lassen sich zwar - wie versicherungstechnisch gefordert - Gegenstände kleineren Formats gegen die einfache Wegnahme durch Glasvitrinen oder Schaukästen sichern, aber hinter Glas können viele Ausstellungsgegenstände den potenziellen Kunden nur unzureichend das richtige Feeling vermitteln. Von einem Test der Produkte ganz zu schweigen.

Kabellose Welt am Seil

Messen haben heute oft Ähnlichkeit mit Verbrauchermärkten, denn die kabellose Freiheit moderner Hightech-Produkte, verlockt nicht nur Kunden. Um beispielsweise den schnellen Handy-Abgang zu verhindern, hilft nur das Anketten. Der einzige Unterschied zwischen beiden Orten ist, dass auf Messen die so genannte Leinensicherung etwas länger ist, damit die Medien die begeisterteten Ausstellungsbesucher besser filmen können.

Diese Leinensicherung ist eine Alternative zur EAS (Elektronische Artikel-Sicherung), die inzwischen jedes Kaufhaus hat. Auf einem Messestand würde sich der Installationsaufwand für ein EAS allerdings nur lohnen, wenn dort sehr teure Artikel (zum Beispiel Uhren und Schmuck) ausgestellt werden. Solche Produkte sind außerdem meist schon von Haus aus mit einem EAS-Etikett (zum Beispiel aufgrund einer so genannten Quellensicherung) ausgestattet, während die üblichen Ausstellungsgeräte von Handys, Computern, Waschmaschinen et cetera (die oft später mit Rabatt verkauft werden) diese Etikettierung noch nicht tragen.

Andererseits könnte man solche Geräte vorübergehend auch mit einem etwas teureren Etikett/Tab/Chip versehen, um die Ware damit zu sichern.
Das von Micro-Mel (Solms) angebotene Multitrack-System arbeitet beispielsweise mit zwei Arten von RFID-Chips (Tags); die bewegungssensitiven melden jede Lage-Änderung, die mit Timer senden ein Signal in programmierten Intervallen. Einerseits kann man damit - ähnlich wie in einem Warenhaus - einen Eingangsbereich bis zu 30 Meter absichern und den Chip noch bis zu 800 Meter orten, andererseits soll mit der GSM-Variante eine Verfolgung/Ortung durch ganz Deutschland möglich sein. Laut Anbieter ist man zurzeit mit zwei Messebau-Unternehmen bezüglich einer Standabsicherung in Verhandlung.

Mit Satellit und Handy

Bleibt nur zu hoffen, dass dann eines Tages nicht normale Besucher, die mit ihrer Transponder-Eintrittskarte eine elektronische Spur auf dem Ausstellungsgelände hinterlassen (siehe m+a report August 2003, S. 66) mit flüchtender Ware verwechselt werden. Übrigens verspricht auch die Bosch Sicherheitssysteme GmbH in Ottobrunn "mobile Security". Dazu gehören sowohl Notrufgeräte mit Ortungsfunktion als auch Alarmierungsgeräte, die zum Beispiel in einem neu auf der Messe vorgestellten Tresor installiert werden. Versucht jemand, den Tresor zu stehlen, also von seinem Standplatz zu entfernen, so wird die Notrufzentrale (Bosch Communication Center) alarmiert. Übrigens lassen sich an die Alarmierungsgeräte zusätzlich Sensoren anschließen, die auf Glasbruch und Erschütterung reagieren. Auf diese Weise ließe sich beispielsweise ein Standbüro nebst Safe sichern.

Alle Alarmierungs- und Verfolgungssysteme, die mit GPS und GSM-Mobilfunktechnik arbeiten, verursachen entsprechende Kosten. Diese Aufwendungen sind sicherlich gerechtfertigt, wenn es sich um Hightech-Hifidelity-Produkte oder Ausstellungsgegenstände wie auf der 14. inter airport Europe, der Fachmesse für Flughafenausrüstung im Oktober 2003 auf dem Flughafen München, handelt. Damit sind wir gleichzeitig bei dem Freigeländeproblem: Weder Videokameras noch Wachdienstpersonal können ständig in alle Ecken schauen (und die Beleuchtung dort lässt nachts meist viel zu wünschen übrig). Außerdem, wie soll ein einzelner Wachmensch gestohlene, rollende Maschinen/ Fahrzeuge, die wie riesige Monster aussehen, aufhalten? Da ist es schon besser, die Fahrt per Monitor/Satellit verfolgen zu können.

Mit Kamera und Roboter

Bei Personen, die mit Diebesgut durch Messehallen schleichen, sieht das schon anders aus. Allerdings nutzt die Videoüberwachung auf Ausstellungen nur dann etwas, wenn die Überwachungszentrale ständig besetzt ist und im Alarmfall sich Wachpersonal in relativer Nähe des Tatortes (Messestandes) aufhält. Ansonsten kann die Videoaufzeichnung nur noch als nachträglicher Nachweis des Verlustes und für ein Fahndungsfoto dienen. Übrigens muss die Überwachungszentrale nicht ständig alle Kameras mittels Monitoren im Blickfeld haben, denn es gibt auch eine Videoüberwachung mit Bewegungsmelder, bei der die Zentrale automatisch das Bild des Standes auf den Monitor bekommt, auf dem sich ein Dieb herumtreibt.

Tanja Hilpert, Marketing Manager bei der Axis Communications GmbH, Hallbergmoos bei München, einem Anbieter von Videosystemen, hält jedenfalls die Videoüberwachung von Messeständen für "eine sehr sinnvolle Ergänzung zur gängigen Überwachung durch Sicherheitsleute"; logischerweise praktiziert Axis sie auch selbst als Aussteller auf Messen. Auch am Stand der DVS Digitale Video Sicherheit GbR, Schwalmstadt, laufen die Videokameras, doch in erster Linie aus Marketinggründen (um nachträglich feststellen zu können, was die Besucher am meisten interessiert hat). Denn Klaus Bielig von der Geschäftsleitung meint, dass es einerseits für den Messebetreiber je nach Größe der Messe sehr schwierig sei, eine komplette Videoüberwachung zu installieren, während andererseits nachts hauptsächlich der Wachdienst überwacht werde.

Vielleicht zeichnet die Videokamera dann auch einen Mosro auf, einen Wachroboter der Berliner Robowatch Technologies GmbH. Hanno Vogels, Vertrieb Errichtergeschäft Inland der Bosch Sicherheitssysteme GmbH in Ottobrunn, meint jedenfalls: "Aus unserer Sicht ist der Mosro die ideale Lösung zur Absicherung eines kurzfristigen Ereignisses wie etwa Messestände." Der Sicherheitsroboter Mosro mini von Bosch hat drei Infrarotmelder und eine Videokamera, er detektiert Bewegungen von Menschen oder Tieren in einem Umkreis von zwölf Metern. Das Überwachungsgebiet vergrößert sich, wenn der Roboter mit seinem akkubetriebenen Fahrwerk auf vorprogrammierten Routen rollt. Nach Ansicht von Bosch reicht oft schon die synthetische Stimme oder die Alarmsirene des Roboters, um Eindringlinge in die Flucht zu schlagen.

Alles, was rollt, kann auch weggerollt werden

Der oft gehörte Ratschlag, auch am besetzten Stand daran zu denken, persönliche Gegenstände in Kabinen zu sichern, scheint vergessen, wenn abends nach dem offiziellen Messeschluss eine Party - oder ein Erfolgsbesprechungs-Meeting - stattfindet. Dass dann jemand am nächsten Tag seine Brieftasche oder sein Notebook vermisst, kann vorkommen. Aber es soll auch schon vorgekommen sein, dass am nächsten Tag die mobile Einrichtung (Rollende Koffer-/ Schrank-Küche, fahrbares Multimedia-Center) nicht wieder zu finden war.

Wer in seinem Stand-Office nicht ständig einen Nachfolger des legendären Argus stehen hat, sollte während spezieller Risikosituationen (Messeparty, Nacht ohne Nachtwächter) alles, was rollen kann, irgendwie anketten. Gleiches gilt sinngemäß für alles, was getragen werden kann: PCs, Monitore, Drucker, Kopierer et cetera. Für die Verankerung dieser persönlichen Geräte gibt es eine Vielzahl von Kabel-/Seil-Systemen mit Schlössern, die beispielsweise PC, Monitor und Tisch verbinden - und somit die Mitnahme erschweren.

Vor der Standparty sollte man gegebenenfalls auch an sein Auto denken. Denn schon so manchem Pkw, der aus alkoholischen Gründen die Nacht im Messegelände verbringen musste, fehlten am nächsten Tag Teile seines Inhalts; beispielsweise Orderbücher oder Pressemappen. Die Meinung, Diebe würden aus Fahrzeugen nur wertvolle Dinge stehlen, stimmt zumindest auf Messen nicht; hier wird sogar jede Menge Papier gestohlen.

Schwieriger als beim ruhenden Verkehr ist die Lage während des Auf- oder Abbaus eines Messestandes, denn zu diesen Zeiten herrscht meist Hektik und reger Personenverkehr. Deshalb sollte es eine Möglichkeit geben, die Spreu vom Weizen, die Unbefugten von den Befugten zu trennen. Deshalb sollte Arbeitskleidung nicht ausreichen, um den Stand betreten und Gegenstände abschleppen zu dürfen; die beste Möglichkeit der Authentifizierung bietet ein eigener - zu jeder Messe neu und mit anderem Aussehen - erstellter Klammerausweis, der durch Farbe und Signet einer Standaufsicht auch aus der Ferne signalisiert, wer da herumsteht.

Organisation, die fast kostenlose Schutzmaßnahme

Der übliche Ratschlag lautet, teure Gegenstände - beispielsweise Computer oder TFT-Monitore - zuerst zu verladen und zu sichern. Dazu sind in der Regel aber mehrere Touren vom Stand zum Fahrzeug erforderlich; das bedeutet, dass sowohl am Stand als auch am Fahrzeug die ganze Zeit über jemand Wache halten muss. Den Stand bewachen kann man jedoch nur, wenn nicht schon jede Menge Stückgut in die Gänge gestellt wurde. Denn dort ist es schnell im Strom der Werktätigen verschwunden. Und das gilt auch für Standelemente, für die sich ebenfalls Liebhaber finden könnten. Und so gilt auch für den Zeitpunkt, da die Ausstellungsgegenstände alle verpackt sind und jede Gefahr gebannt scheint: Während eventueller Arbeitspausen sollte zumindest eine Standwache vor Ort bleiben.

Der Autor, der früher einmal Organisator war, hat das planerische und systematische Arbeiten in seinen weiteren Berufsweg übernommen. Das bedeutet zum Beispiel, dass er (im Computer) eine Aufstellung der Dinge hat, die er für seine Recherchen auf einer Messe sowie das vorübergehende Vor-Ort-Leben benötigt. Mit dieser Liste lässt sich vor der Abreise vom Messeort blitzschnell prüfen, ob man auch alles eingepackt hat. Im Gegensatz dazu wissen manche Standverantwortliche nicht einmal die Zahl der Tische und Stühle, die sie mitgebracht haben. Und wenn dann beim Standabbau viele Gegenstände erst einmal in die Gänge gestellt werden, braucht es sich nicht einmal um Diebstahl zu handeln, wenn einige Dinge nicht mit in das Unternehmen zurückkommen.

Kein Aussteller braucht sich hingegen zu schämen, wenn bei ihm ein Ausstellungsgegenstand oder Dekorationsstück gestohlen wurde. Deshalb macht es auch wenig Sinn, den Vorgang der Öffentlichkeit gegenüber zu verschweigen: das freut nur die Diebe, die dann bald wiederkommen.
Fritz J. Schmidhäusler

m+a report Nr.7 / 2003 vom 29.10.2003
m+a report vom 29. Oktober 2003