"Der Investitionsbedarf ist immens"

Die Deutsche Messe AG berief mit Eberhard Roloff einen "Sonderbeauftragten Mittel- und Osteuropa". Ihn reizt die wirtschaftliche und politische Dynamik dieser Länder.

Sie sind der einzige "Sonderbeauftragte Mittel- und Osteuropa" im deutschen Messewesen. Welche Aufgaben haben Sie?Die Deutsche Messe AG sieht in der dynamischen Entwicklung der politischen und wirtschaftlichen Situation in Mittel- und Osteuropa (MOE) eine herausragende strategische Chance. Um diese zu nutzen, wurde die Position geschaffen.

Was verspricht sich die Messegesellschaft von Ihrer Arbeit?Die Aufgabe besteht in der Analyse und Weiterentwicklung der Vertriebs- und Kommunikationsstrukturen der Deutschen Messe AG in diesen Ländern. Die Einrichtung eines Sonderbeauftragten unterstreicht den herausragenden Stellenwert, den die Messegesellschaft dieser Region im Rahmen ihrer globalen Strategie beimisst. Damit setzt sie im Abgleich mit dem Wettbewerb einmal mehr ein innovatives organisatorisches Zeichen zum Nutzen der Aussteller und Besucher.

Was versteht die Deutsche Messe AG unter MOE?Die zu betreuende Region umfasst die mitteleuropäischen EU-Beitrittsländer des Jahres 2004 von den baltischen Staaten bis Slowenien, die Länder des Balkans sowie die GUS.

Was macht diese Länder so besonders?Diese Länder umfassen zusammengenommen eine Bevölkerung von mehr als 300 Mio. Einwohnern. Dieses Nachfragepotenzial liegt in unserem unmittelbaren wirtschaftlichen Einzugsgebiet. Der Investitionsbedarf ist immens.
Die hohe wirtschaftliche und politische Dynamik dieser Länder bietet ein hervorragendes Potenzial für Aussteller und Besucher unserer Messen gleichermaßen.

Wollen die Hannoveraner dort ein Gelände kaufen oder eigene kleine Veranstaltungen auf die Beine stellen?Die Deutsche Messe AG befasst sich derzeit nicht mit der Überlegung, in Messeinfrastruktur in diesen Ländern zu investieren. Die notwendige Infrastruktur zur Durchführung von Messen ist vorhanden, Bedarf und Themen für Veranstaltungen werden laufend geprüft.

Ist das Feld MOE nicht längst durch andere Gesellschaften besetzt?Priorität hat für uns zunächst die Gewinnung zusätzlicher Aussteller und Besucher aus diesen Ländern. Dafür stellen wir mit unseren internationalen Investitionsgüterleitmessen ein unvergleichliches und höchst attraktives Angebot.In den Ländern selbst ist aufgrund der dynamischen Entwicklung allemal noch Bedarf für Messethemen und -qualität, wie sie Hannover zu bieten hat.

Wie entwickelt sich die Zahl deutscher Beteiligungen in dieser Region?Eine repräsentative und verlässliche Zahl zu deutschen Ausstellern auf Messen in MOE liegt nicht vor. Mit Sicherheit bilden deutsche Unternehmen einschließlich ihrer jeweils lokalen Tochtergesellschaften das stärkste ausländische Ausstellerkontingent auf den MOE-Messen sowie in Russland.
Rund 1400 Unternehmen haben sich 2004 über das Auslandsmesseprogramm des Bundes auf 50 Gemeinschaftsbeteiligungen in Mittel- und Osteuropa präsentiert. Von diesen 50 Messen fanden allein 33 in Moskau statt.

Wie entwickelt sich die Zahl der Aussteller und Besucher aus dieser Region in Deutschland?Die Zahl der Aussteller und Besucher aus den Staaten Mittel- und Osteuropas auf deutschen Messen entwickelt sich entgegen dem allgemeinen Trend sehr positiv. Im Zeitraum 1999 bis 2003 ist sowohl das Aufkommen an Ausstellern als auch der Besuch aus dieser Region im Durchschnitt um rund fünf Prozent jährlich gestiegen.

Und in Hannover?Über alle Messen dort gesehen, steigt der Anteil von Ausstellern und Besuchern aus dem Ausland. Überproportional sind daran die MOE beteiligt.

Welche Messethemen werden am stärksten nachgefragt?Die Nachfrage entspricht dem Bedarf in den Ländern. Alle unsere Investitionsgüterleitmessen werden hervorragend nachgefragt. Hoch oben steht das Interesse an der Informations- und Kommunikationstechnologie auf der CeBIT. Auch die Hannover Messe, die mit ihrem weltweit einzigartigen Technologieangebot den Bedarf nahezu aller Branchen abdeckt, steht für ausstellende Unternehmen ebenso im Vordergrund wie für Investitionsentscheider. Gleiches gilt für die EMO und die LIGNA+.

Mit der EU-Osterweiterung, hieß es vor einem Jahr, sei Wachstum vorprogrammiert. Stimmt diese Aussage?Im Messewesen war schon ein zeitlicher Vorlauf in der Entwicklung zu verzeichnen. Insbesondere die staatlich geförderten Messebeteiligungen aus diesen Ländern sind in den vergangenen Jahren intensiviert worden. Aktuell werden in den EU-Beitrittsländern in hohem Umfang Mittel der Strukturförderung der EU eingesetzt, um die Ausstellerbeteiligung an Messen zu unterstützen. Im Rating der Förderlisten für Messebeteiligungen stehen die Messen in Hannover durchgängig an der Spitze.

Nach Jahren der Öffnung scheinen in einigen Ländern die Uhren rückwärts zu gehen. Korruption und Bestechung sind mit Sicherheit Themen für potenzielle Aussteller. Welche Sicherheitskonzepte muss es geben, damit für deutsche Unternehmen der Markteinstieg gelingt?Diese Problematik bezieht sich nicht allein auf das Messewesen. Darüber hinaus muss man die Länder des "Ostblocks" sehr differenziert betrachten; zudem sind auch in anderen Regionen der Welt ähnliche Phänomene zu verzeichnen.
Generell bietet die Beteiligung an deutschen Gemeinschaftsständen sichere Rahmenbedingungen für den Messeauftritt im Ausland.
Interview: Christiane Appel

m+a report Nr.2 / 2005 vom 23.03.2005
m+a report vom 23. März 2005