Special China: Messestandard bald wie in EU

In zwei bis drei Jahren ist alles gelaufen, schätzen Experten die Entwicklung des chinesischen Marktes ein. Den Unternehmen bleibt wenig Zeit, sich ein Stück des Kuchens zu sichern.

Um vorne dabei zu sein hat Jörg Messwarb, der bei Schott Glas Trade Fairs & Exhibitions verantwortet, eine Devise: Wir müssen dahin, wo unsere Kunden sind.

Jörg Messwarb organisiert mit sechs Mitarbeitern jährlich rund um den Globus bis zu 80 Messen und Ausstellungen seines Unternehmens. Die Fäden aller Aktivitäten laufen in der Firmenzentrale in Mainz zusammen. "Das hat den Vorteil, dass wir sehr effizient planen können. Die einzelnen Messebeteiligungen werden von uns koordiniert, die Sales Offices vor Ort unterstützen uns bei der Durchführung", erklärt er. So können mehrere Messen Kosten sparend mit gleichem Material beschickt werden.

Das Unternehmen mit weltweit 19 500 Mitarbeitern und einem Jahresumsatz von 2 Mrd. EUR konzentriert seine Messebeteiligungen streng auf B-to-B-Messen. "Mit gezielten Messebeteiligungen können wir sehr schnell auf Marktschwankungen reagieren. Jede Messe wird von uns regelmäßig auf den Prüfstand gestellt", berichtet Messwarb. Im asiatischen Raum liegt aktuell der Hauptfokus auf China. In Suzhou, eineinhalb Autostunden von Shanghai, steht bereits die erste Produktionsstätte von Schott auf chinesischem Boden. Die Geschäftskontakte wollen weiter in Gang gebracht werden.

Für den Schott-Messestand kommt alles aus der Heimat: Vom Standbau bis zur Grafik wird der Stand verschifft und in China aufgebaut. Ab 2004 sollen die Messestände in China von einem deutschen Großmessebaueunternehmen vor Ort gefertigt werden, "das kommt auf die Dauer günstiger", so Messwarb. Er erwartet bei den Messen in China in der nächsten Zeit eine rasante Entwicklung. Denn: "Wir erreichen die Entscheider nicht mehr auf den europäischen Veranstaltungen. Wir müssen hin zu unseren Kunden." Der Standard von Messen werde binnen kurzem dem von Veranstaltungen in Europa entsprechen. Das werde sich auch auf die Geschäfte an den hiesigen Messeplätzen auswirken. "Der Kuchen wird nicht größer. Wir müssen mit dem gleichen Budget wie bisher zusätzlich den chinesischen Markt beschicken. Da bleibt nur, die Stände zu verkleinern und die Auftritte zu straffen", erklärt der studierte Jurist, der seit 15 Jahren die Messegeschicke bei Schott verantwortet. Außerdem gewännen Kongressmessen an Bedeutung. Sein Fazit: Es gibt nicht mehr Geld, es wird nur anders verteilt. Das müssten die Messegesellschaften begreifen.

Für einen erfolgreichen Messeauftritt in China rät Messwarb, wichtige Firmenbroschüren auf jeden Fall ins Chinesische zu übersetzen und einen Dolmetscher am Stand zu haben. "Für die Chinesen ist es ein Schlag ins Gesicht, wenn nur deutsche Prospekte am Stand ausliegen. Außerdem sprechen die meisten Chinesen kein Englisch", so der Messeexperte, der selbst gerade Chinesisch lernt. Der 46-Jährige ist überzeugt, dass Chinesisch neben Englisch die zweite Weltsprache werden wird.

Der chinesische Markt ist unübersichtlich. "Richtig eintauchen können wir nur, wenn wir mit den Menschen vor Ort Gespräche führen. Nur so ist zu erfahren, was wirklich läuft", ermuntert er auch Mittelständler an Messen in China teilzunehmen. Die Qualität der Besucher werde immer besser. Am Anfang waren die Stände völlig überfüllt. Achtung: Werbeartikel und Give-aways sind sehr beliebt. Sie werden auf Märkten wieder verkauft. Inzwischen trenne sich das Fußvolk von den Entscheidern. Bestnoten bei der Betreuung vergibt Messwarb an die Organisatoren und Durchführungsgesellschaften der deutschen Gemeinschaftspavillons "Made in Germany". Um wirklich gute Kontakte zu knüpfen, brauche man die Unterstützung der Verbände und der offiziellen Organisationen im Land. Chinesische Geschäftsleute benötigen eine Empfehlung ihrer Organisation, damit sie überhaupt auf Geschäftsreise gehen können. Außerdem sei der Messemarkt stark in Bewegung, Neuveranstaltungen schießen allerorts aus dem Boden. Professionelle Beratung bei der Auswahl der richtigen Messeplattform für die eigenen Produkte sei daher unerlässlich, so der Tipp vom Profi. Er arbeitet bei der Auswahl mit Schott-Repräsentanten vor Ort zusammen. Auch kleineren Unternehmen empfiehlt er: "Bevor groß in eine Messe investiert wird, schicken Sie zunächst einmal den Handelsvertreter als Besucher auf die Veranstaltung, auch wenn das 5000 EUR kostet. Der Messestand kostet hinterher ein Vielfaches." Ebenso brauche man Geduld. Wer meint, nach dem ersten Auftritt stellten sich gleich die großen Geschäfte ein, der wird arg enttäuscht sein: "Die Chinesen sind vorsichtig und misstrauisch." Drei Mal sollte man mindestens Flagge zeigen. Besonders wichtig dabei: das Branding, die Marke zu platzieren.

Als gelungene Kundenbindungsinitiative nennt Messwarb das Netzwerk der Messe München rund um seine Elektronikmessen. "Die Münchner waren die Ersten, die das globale Denken im Messewesen richtig verstanden haben", lobt Messwarb. Die Auftritte global zu denken und zu vernetzen, ziele genau auf die Richtung ab, die die Unternehmen einschlagen. "Messen ohne internationales Networking machen heute keinen Sinn mehr." Einerseits ergeben sich aus der Partnerschaft finanzielle Vorteile: Wer im Netzwerk der weltweiten Elektronikmessen der Messe München auftritt, erhält Rabatte. Von der erdumspannenden Kommunikationsstrategie profitiert ebenso das Branding. Gerade in Märkten, "wo wir noch nicht wissen, wie der Hase läuft", sind Messen das Kommunikationsmedium Nr. 1. "Über die Messe bekommen wir Einblick in die Dinge und Projekte, die laufen. Außerdem lernen wir Hintergründe kennen und verstehen Zusammenhänge besser. Genauso wie die Wettbewerbsbeobachtung geht das einfach nur vor Ort", weiß Messwarb.

Elementar seien die kulturellen Trainings, damit man die Grundzüge der Kultur verinnerliche und sich grobe Schnitzer erspare. Und wenn der Chef dann auf der Messe zum ersten Mal in China ist, dann sollte er - jenseits touristischer Interessen wie Sightseeing - als Entscheidungsträger wirklich stets am Stand präsent sein. "Die Chinesen sind clever und von Kultur geprägte Überlebenskünstler. Die begreifen schnell, mit wem sie es zu tun haben", so Messwarb. Wer sein Auslandsengagement nicht konzertiert angehe, solle es lieber gleich bleiben lassen. "So entsteht dann das Image, dass in China nichts läuft", sagt Messwarb. Er weiß es besser. Petra Schmieder

m+a report Nr.8 / 2003 vom 10.12.2003
m+a report vom 10. Dezember 2003