Standinszenierung: Theater oder Notwendigkeit ?

Messestände werden durch Inszenierungen zu Auftritten wie in einem Theater. Ist alles nur Show? Wozu die Inszenierung? Was bewirkt sie, wie wird sie erzeugt?

Inszenierung ist das Schlagwort unserer Zeit. Da werden Markenauftritte medial bespielt und medientechnisch inszeniert, um emotionale Erlebnisse zu schaffen. "Die Inszenierung eines Messeraums, sei es in Form einer Bühne oder im Raum selbst, schafft erlebbare Veränderungen des Raums. Dadurch gelingt es, dem Besucher unterschiedliche Stimmungen, Atmosphären und kommunikative Botschaften innerhalb kurzer Zeit zu vermitteln", sagt Andreas Theilig vom Architekturbüro Kauffmann Theilig & Partner, Ostfildern/Kemnat, das sich mit spektakulären Messeauftritten unter anderem für DaimlerChrysler einen Namen gemacht hat.
Auf einem Messestand geht es immer um Kommunikation, um Kommunikation im und mit dem Raum, die durch eine Inszenierung einprägsam und vor allem nachhaltig wird. Was aber ist die Inszenierung? Zunächst einmal ist sie ein Begriff aus der Theaterwelt und beschreibt die Art und Weise, wie der Regisseur oder Intendant ein Theaterstück in Szene setzt, damit die "Botschaft" auch ankommt.
Bei der Vermittlung von Markenbotschaften ist die Inszenierung auch die Kunst, ein Stück so interessant zu machen, dass der Verbraucher oder der Kunde sich mit dem Thema identifizieren kann, sich verstanden fühlt und das Ganze zu einem nachhaltigen Erlebnis wird. Das ist natürlich ein ganz anderes Ziel als es der normale Messestand leistet, der wie ein Schaufenster seine Produkte zur Schau stellt. Aber auch hier kommen bereits die Faszination und das Theater ins Spiel, wenn es darum geht, Ideen, Träume oder Botschaften um ein Produkt oder eine Marke herum zu transportieren.

"Als Architekten schaffen wir einen Raum", erzählt Andreas Theilig, "und gemeinsam mit einem Szenografen oder einer Kommunikationsagentur entwickeln wir die Bespielung dieses Raums. Das kann mit Licht, mit Projektion, mit Bildschirmflächen im medialen Bereich geschehen, manchmal auch mit spannenden Oberflächen, semitransparenten Materialien oder auch beweglichen Elementen im baulichen Bereich."

Jürgen Bahls von Zeeh, Bahls & Partner Design, Diessen-Ammersee, hat mit seinen Messeständen für Siemens Automation & Drives erfahren können, dass "bühnenhafte Inszenierungen ein neues Umfeld schaffen, das emotional anspricht und in Erinnerung bleibt". Auf der Hannover Messe 2003 verband eine dynamische Lamellenstruktur Produktebenen und Branchenlösungen, Tuchartisten auf der zentralen Bühne verkörperten künstlerisch industrielle Prozesse. Das Beispiel zeigt, dass eine Inszenierung viel mehr leistet als eine einfache Produktpräsentation.

"In der Vergangenheit wurden auf den Messeständen Produktwerte vor allem über Materialwerte ausgedrückt", erinnert sich Peter Brüggemann von ideea Messe- & Dekorationsbau in Berlin, das seine Wurzeln im Theater hat. "Heute sollen Produkte erlebbar gemacht und Emotionen geweckt werden." Auf der CeBIT 2004 in Hannover wurde zum Beispiel für Samsung eine griechische Bühnenlandschaft gebaut, um damit auf seine Sponsorenschaft während der Olympiade in Athen zu verweisen. Auch für solche Anlässe werden Messeräume wie im Theater in Szene gesetzt, um über ein Produkt, ein Unternehmen oder eine Marke eine Geschichte zu erzählen, von seinen Werten, seiner Philosophie, seinen Visionen mit dem Ziel, den Aussteller einzigartig und unverwechselbar zu machen und durch all diese Informationen ein Vertrauen, eine Beziehung zum Kunden aufzubauen. Die Erzählform kann eine realistische sein, aber auch abstrakt, verspielt, humorvoll oder einfach architektonisch.

Der Basler Architekt Dieter Thiel, der Messestände für Markenunternehmen wie Vitra, Lamy, adidas oder den Sanitärhersteller Hansgrohe baut, will mit seinen Ständen etwas erzählen, "die Emotionen der Besucher ansprechen, etwas berühren, in Bewegung setzen, eine Meinung oder gar eine Sehweise ändern - eine Vorstellung von einem Produkt oder einem Unternehmen um eine andere Dimension ergänzen, die anderswo nicht gezeigt wird". Er will mit seinen Inszenierungen nicht nur die Eigenheiten einer Marke und der Produkte beziehungsweise ihre Kultur und Werte durch einen Raum erlebbar machen, sondern vor allem eine Atmosphäre auf dem Stand erzeugen, in der der Besucher sich wohlfühlt und die ihm Sicherheit und Vertrauen gibt - zum Aussteller als Geschäftspartner.
Thiel arbeitet viel mit Methoden aus der Kunst wie Überraschen, Verstecken, Vergrößern, Reduzieren, um ein Objekt zu verändern. Andere Ideen bezieht er aus der Natur, spielt mit Licht und Schatten oder nutzt architektonische Raumerfahrungen, um seine Story zu erzählen. Viele Gestalter bedienen sich vertrauter architektonischer Elemente wie einem Torbogen oder einem Turm, einem Kubus oder einer Halbkugel, um mit diesen Metaphern Stärken eines Unternehmens zu übersetzen. Manche kommunikative Elemente unserer Stadtlandschaft lassen sich leicht auf einen Messestand übertragen wie die berühmte breite Treppe, die Piazza, der Schiffssteg, der zum Laufsteg wird oder auch erhöhte Bereiche, die einen anderen Blick erlauben.

Bei dem Mercedes-Benz-Stand auf der IAA Nutzfahrzeuge 2004 in Hannover haben die Architekten Heide von Beckerath Alberts, Berlin, und die Szenografen von Milla und Partner, Stuttgart, sich vor allem um den Übergang zwischen der Umgebung und dem Markenraum Messestand gekümmert. Sie haben die beiden seitlichen Eingangsbereiche angehoben und in eine Aussichtsplattform münden lassen, von der aus der Besucher einen Blick auf die gesamte Halle hatte, um in die Markenwelt von Mercedes-Benz einzutauchen. Dieses Erlebnis des Eintauchens wurde dann noch durch eine mediale Inszenierung mittels Projektionen intensiviert. Die räumliche Überhöhung des Betrachters ist ein beliebtes Stilmittel, um einen anderen Blickwinkel und andere Einblicke zu ermöglichen.

"Architektur hat eine gute Chance, Emotionalität zu transportieren. Es ist eine Welt, die die Gefühle anspricht", sagte einmal der Architekt Christoph Ingenhoven über den spektakulären Loop-Messestand für Audi vor ein paar Jahren im Gespräch mit Michael Keller vom Münchener KMS-Team, die das Kommunikationskonzept dafür entwickelt hatten.

Architektur in Szene zu setzen, um eine Markenbotschaft sichtbar und erlebbar zu machen, ist in der Messewelt noch nicht so alt. Eines der ganz prägnanten Beispiele ist der Messestand für den italienischen Automobilhersteller Lamborghini, den das KMS-Team zusammen mit den Münchener Architekten Schmidhuber + Partner entwickelt hat.
Aufbauend auf dem spektakulär gewordenen Konzept eines archaischen, schwarzen Stahlkubus, der die ursprüngliche Kraft und Stärke der Kultmarke Lamborghini verdeutlichte, wurde für den Automobilsalon in Genf 2004 der Stahlkubus weiter entwickelt. In einer ungewöhnlichen Inszenierung schoben sich die Frontflächen langsam zur Seite und gaben den Blick auf den neuen Roadster frei. Was für eine Geste. Je mehr ein Messestand leisten soll als nur auszustellen und je mehr er zum Botschaftsträger und Geschichtenerzähler wird, um so mehr geht es darum zu klären, wie bestimmte Werte überhaupt übersetzt werden können.

Wie sieht ein Unternehmen aus, das "visionär", "leidenschaftlich", "jung", "führend", "dynamisch" oder was auch immer sein will? Was drücken in diesem Zusammenhang einfache, archaische Formen aus oder fließende, biomorphe Standformen? Kann man mit einem Systemstand Technik in Szene setzen oder braucht man auch dazu Theatermittel wie Licht und Bildprojektionen? Ein aktuelles Beispiel ist der Messeauftritt von DBT auf der bauma 2004 in München. Hier hat die LK AG vom Zollverein aus Essen ein "hydraulisches Schildbauwerkzeug" für den Bergbau medientechnisch inszeniert und in ein spektakuläres Showprogramm integriert.

Ist die Inszenierung eine Ausdrucksform unserer Zeit? Ob es sich nun um ein großes Lichtspektakel handelt oder eher um ein stille, sensible Erlebniswelt, immer geht es darum, von einem Unternehmen mehr zu erfahren als nur eine vordergründige Produktwelt zu sehen. Mehr über die Firmenkultur, über die Denkweise, über die Arbeitsmethoden, über die Menschen im Unternehmen. Wir steuern in eine "Sensual Society", wie Trendforscher Matthias Horx das ausdrückt, in der Traditionen und Kultur eine große Rolle spielen werden, um Vertrauen, Persönlichkeit und echte Partnerschaften aufzubauen. Und das geht nur mit glaubwürdigen Geschichten, wie sie auch die Japaner bei neuen Geschäftsbeziehungen suchen, um die Atmosphäre in einem Unternehmen. Und diese braucht auf dem Messestand die Inszenierung. Ingrid Wenz-Gahler

m+a report Nr.1 / 2005 vom 11.02.2005
m+a report vom 11. Februar 2005