Chancen für die Messebaubranche

Markenführung im Raum ist längst nicht auf den Messeraum begrenzt. Sie setzt sich fort bis hin zu Showrooms, Shop-in-Shops und Einheiten am POS.

In den letzten Jahren lassen immer mehr Markenhersteller für ihre Marken und ihre Imagedarstellung eigene Shops, Showrooms und Factory Outlets entwickeln bis hin zu großen Markenwelten. Haben sie doch hier die Möglichkeit, ihre eigene Firmenphilosophie und Firmenkultur bestmöglich zu kommunizieren, ohne einen Händler oder anderen Anbieter dazwischen zu haben, der ihr Konzept verwässert oder einen Vergleich erlaubt.

Diese intensive Markenpräsenz bleibt nicht ohne Folgen. Für immer mehr Messesystemanbieter, Messebauunternehmen, Messedesigner und Designagenturen hat sich die Markenführung längst auf andere Auftritte verlagert: auf Showrooms, auf Shop-in-Shop-Konzepte, auf den Point of Sale im Einzelhandel. Und manche von ihnen waren auch bei den großen Markenwelten beteiligt wie der VW-Autostadt oder dem Sony Center.
Doch die Messestände nehmen in der Kette der Markenpräsenz einen besonderen Stellenwert ein. "Mit der Messearchitektur wird eine Klammer für die Marke geschaffen. Diese ist die Voraussetzung, die Markenbotschaft gezielt kommunizieren zu können", sagt Hubert Grothaus, einer der Geschäftsführer der Design Company, München, dazu. Und da der Messestand Teil eines mittel- bis langfristigen Konzepts ist, um eine Marke zu führen, überrascht es nicht, dass Messebauunternehmen und Agenturen nicht nur die Messestände, sondern auch die nachgelagerten Stufen betreuen können.

Gerade Markenunternehmen sahen in den letzten Jahren die Notwendigkeit, ihre Markeninhalte und Unternehmenswerte verstärkt zu kommunizieren, um ihren Kunden über ihre Produkte so etwas wie Lebensqualität und auch Lebenssinn zu vermitteln.
Das führte dazu, dass Marken stärker erkennbar und auch erlebbar sein sollten, vom Messestand angefangen über den Factory Outlet bis hin zum POS, die in der Vergangenheit meist unterschiedliche formale Sprachen aufwiesen. Marken wurden eher zwei- denn dreidimensional kommuniziert. Vielleicht waren es die spektakulären Brandlands wie Nike Town, die Autostadt, die Kristallwelten von Swarovski oder Legoland, die bewusst machten, was eine Marke vermag, wenn ihre Inhalte, ihre Kultur in eine Architektur übersetzt werden, die räumlich erlebt, gefühlt, begriffen werden kann. Solche Markenarchitekturen zu schaffen setzt voraus, dass Konzeptioner und Gestalter sich intensiv mit einer Marke vertraut machen, um ihr einen räumlichen Rahmen zu geben, der authentisch ist und eine Geschichte erzählt, die von den Zielgruppen verstanden wird.

Jahrelang wurden Messestände und Läden als architektonische Räume, als schöne Rahmen gesehen, die vor allem Produkte zu präsentieren hatten. Inzwischen wissen die Unternehmen, dass Architektur eine eigene Sprache hat, die sich nutzen lässt, um sowohl die Corporate Identity eines Unternehmens als auch Markeninhalte zu verkörpern und zu transportieren. Mit dem Bau der Autostadt in Wolfsburg und der Gläsernen Manufaktur in Dresden hat der Architekt Gunter Henn deutlich gemacht, dass mit einer Corporate Architecture die Architektur vollkommen in den Dienst der Marke, des Marketings tritt, damit zugleich aber auch die Chance und die Verantwortung verbunden sind, den Kunden diese Authentizität zu vermitteln.

Nun haben sich Messestände in den vergangenen Jahren stark verändert, dienen mehr und mehr der Kommunikation, der Kontaktpflege, der Produktpräsentation als dem eigentlichen Verkauf. Bei Modemessen zum Beispiel machen die Showrooms außerhalb des Messegeländes, in die die Händler geladen werden, den Ordermessen vielfach Schwierigkeiten.
"Die Kollektionspräsentation sowie das Ordern finden in den Showrooms statt", beschreibt Karl Schwitzke vom Düsseldorfer Architektur- und Designbüro Schwitzke & Partner die Situation. Das Designunternehmen betreut überwiegend Kunden der Modebranche und bietet Konzepte von der Logo- und Storegestaltung bis hin zu Showrooms und Messeständen an. Für diese durchgängige Markenstrategie, die noch lange keine Selbstverständlichkeit bei Unternehmen ist, wurde es 2003 von der Fachzeitschrift Textilwirtschaft ausgezeichnet. Schwitzke hat bei Modemarken und in den USA gelernt, wie eine Marke betreut und umgesetzt werden muss, um verstanden zu werden. Er ist einer der wenigen Ladenarchitekten, die Markenführung im Raum in Marketingkonzeption und Architektur durchgängig bis zum Messestand anbieten.

Einige Messedesigner und auch Designagenturen haben auf Grund ihrer Teamstruktur von Beginn an auch Läden, Showrooms und Shop-in-Shop-Konzepte für Marken betreut. Die für ihre preisgekrönten Messestände bekannte Designagentur D'Art Design in Neuss vereint Innenarchitekten, Produkt- und Kommunikationsdesigner, aber auch Marketingfachleute und versteht sich als Berater für alle Bereiche der Unternehmenskommunikation. "Wer Messestände für Konsumgüter entwickelt, berät indirekt auch den Handel, der vom Messestand Impulse erwartet", sagt Geschäftsführer Dieter Wolff. Für den Energieanbieter RWE sollte D'Art Design Kundencenter entwickeln, die mit einem emotionalen Ambiente das Image der Marke fördern, einen hohen Wiedererkennungswert haben, Kompetenz ausstrahlen und auf unterschiedliche Raumsituationen übertragbar sind. 15 "Energiezellen" wurden bisher eröffnet.
Auch die junge Berliner Agentur Dan Pearlman besteht aus Architekten, Innenarchitekten, Bühnenbildnern und Marketingleuten und entwirft Messestände, Shops, Schulungsräume, aber auch Grafikdesign und Filme. Für O2 hat sie einen Showroom entwickelt, der die Markenkompetenz eines Messestandes fortsetzt.
Das seit Jahren für ungewöhnliche Messeauftritte bekannte Münchner Unternehmen Arno-Design hat sich ebenfalls von Beginn an der Produkt- und Markenpräsentation auf vielen Stufen verpflichtet und betreut Shops und Showrooms ebenso wie Messestände. Ein gerade gewonnener Wettbewerb sieht ein Showroom-Konzept für alle Porsche-Center weltweit vor.
Für das Messebauunternehmen Profair, Hilden, ist es eher ein Novum, neben dem Messestand auch Handelseinheiten entwickeln zu können. Sie betreuen seit Jahren die Messeauftritte des japanischen Druckerherstellers Epson. Als ein neues Corporate Design in Auftrag gegeben wurde, erhielt Profair die Chance, ein neues CD vom Messestand bis zu Shop-in-Shop-Einheiten für Saturn-Läden und den Fotofachhandel zu entwickeln. Die vielfarbigen transluzenten Körper des Messestandes und Fotowände wurden zu markanten Elementen für den Handel. "Messeleute sind viel näher an der Marke dran als Ladenbauer, sie sind zudem schneller und können in ganz kurzer Zeit reagieren", erklärt Creative Director Thomas Lahr von Profair die Entscheidung Epsons, die einen sehr flexiblen Partner für ihre Shops suchten.

Vielen Ladenarchitekten oder auch Ladenbauunternehmen wird die Betreuung einer Marke nicht zugetraut, haben sie sich doch meist mehr mit der Ladenarchitektur, der Produktpräsentation und den Raumfunktionen befasst denn mit Markeninhalten oder Corporate Design. Die permanente Bauweise der Läden hat sie oft in ihren Strukturen schwerfällig gemacht mit aufwändigen Konstruktionen und langen Lieferzeiten.
Für die Münchner Design Company ist Sony Ericsson fast schon ein Traumkunde, für den sie seit Jahren ein Konzept der Markenführung im Raum entwickeln. Den Anfang machte der Messestand für Sony, dann folgten Konzeption und Entwurf der Markenwelt Sony Center in Berlin. Nach der Fusion von Sony mit Ericsson 2001 kamen der erste gemeinsame Messestand, dessen glücklicher Start weltweite Richtlinien für alle Außenauftritte zur Folge hatte. Die ersten Shops wurden eröffnet und weitere Entwicklungen für POS-Units transportierten das "Look & Feel" und einheitliche Markenthemen. Die Voraussetzung für diese Lösungsvielfalt liegt auch bei der Design Company in einer Struktur, in der Architekten, Innenarchitekten, Designer, Kommunikations- und Marketingfachleute Konzepte gemeinsam entwickeln. Die Umsetzung erfolgt je nach Bedarf durch Messebauunternehmen oder unterschiedliche Handwerksfirmen.

Eines der ganz aktuellen Beispiele für den Einsatz von Messebaufirmen im Handel aber ist der Pop-up-Store. Hier geht es um einen mobilen Store, in dem ausgewählte Markenartikel nur eine Woche lang in verschiedenen Metropolen des Landes angeboten werden. Gezeigt werden eigens entworfene Produkte von Adidas, Sony Ericsson, Levis, MTV Designerama. Entworfen wurde das Konzept von der Agentur Häberlein und Maurer aus Berlin, umgesetzt aber vom Messebauunternehmen Meinders + Winter aus Bielefeld. Die Anforderungen an Design und Logistik entsprachen eher denen eines Messestandes denn einem Laden. Eine komplette Raumhülle musste in verschiedene Raumsituationen eingefügt werden, die oft erst ein bis zwei Wochen vorher bekannt waren. Für Auf- und Abbau standen ein bis drei Tage zur Verfügung. Mobile Konzepte dieser Art können nur Spezialisten aus dem Messe- und Ausstellungsbau realisieren. Ist das eine Chance für die Messebranche? Durchaus. Ingrid Wenz-Gahler

m+a report Nr.1 / 2005 vom 11.02.2005
m+a report vom 11. Februar 2005