Bologna sucht den Schulterschluss

Die Messe in der Emilia Romagna sieht sich als Teil der Stadt. Messeinhalte werden aus den Hallen in den öffentlichen Raum getragen.

Bolognas bekannte, altehrwürdige Universität lockt jedes Jahr viele internationale Studenten in die historische Stadt. Tausende von Touristen bevölkern den Stadtkern, um Küche, Kultur e la dolce vita zu genießen. Und auch die Baumessen der BolognaFiere haben eine starke Ausstrahlung: Sie ziehen per anno rund 500 000 Besucher an. "Ihren besonderen Status haben sich die Messen Saie, CerSaie und SaieDue Living deshalb verdient, weil sie nicht nur eine Plattform darstellen, auf der sich die Branche einmal im Jahr trifft, sondern weil die BolognaFiere sich als ein Informationsprovider der Bauindustrie das ganze Jahr über versteht", sagt Mauro Malfatti, Marketingdirektor der BolognaFiere. Zur SaieDue Living - Internationale Ausstellung für Innenarchitektur, Renovierung und Innenausbau, CerSaie - Internationale Messe für Baukeramik und Badezimmereinrichtungen und zur Saie - Internationale Baufachmesse werden Trendforen und Weiterbildungsprogramme organisiert, Datenbanken verkauft, Kontakte geknüpft, Internetportale für Architekten und Ingenieure eingerichtet et cetera. "Und nicht nur während der Messen wird die Stadt ins Geschehen integriert - das ist sehr medienwirksam, prägt und überzeugt", so Malfatti.

Beispiel Markitecture. Wert-Architektur ist das umfassende Kommunikationsprojekt, das die kulturelle Rolle von Bolognas Fachmessen der Baubranche und der Baukultur auf internationaler Ebene unterstreichen soll. Das Programm von Markitecture umfasst mehrere Veranstaltungen. Eines der Hauptthemen rund um das zeitgenössische Wohnen dreht sich um Stätten der Kultur. In der Folge werden die Stätten der Arbeit und die Architektur der Mobilität vorgestellt. Sowohl Institutionen als auch Träger aus dem Kulturbereich wirken bei dem Projekt mit. Die Eröffnung der Ausstellung "Baustile und Kulturen" fiel in diesem Jahr auf den ersten Tag der CerSaie im September. Als klarer Ausdruck der engen Bindung zwischen Messe und Stadt findet die Ausstellung an drei verschiedenen Orten im Stadtzentrum und auf dem Messegelände statt. Projektbeiträge herausragender internationaler Architekten wie vom Atelier Jean Nouvel, Daniel Libeskind oder Odile Decq waren dort zu sehen. Die Architekten hielten Vorträge, unter anderem auch zur Eröffnung der Saie Mitte Oktober. Die Medien verfolgten die Initiativen, benannten jedes Mal den Anlass und verhalfen Bolognas Baumessen so zu noch größerer Bekanntheit. Zumindest in Europa.

Doch auch das soll sich ändern. BolognaFiere und der in Asien aktive Messeveranstalter CMP Sinoexpo gründeten ein Unternehmen in China, um zwei Messen von nun an gemeinsam in der Volksrepublik durchführen zu können: die Expo Build China und die Ceramics, Tile & Sanitary Ware China werden beide jährlich in Shanghai stattfinden. Die Expo Build China, die bereits zum zwölften Mal vom 6. bis 9. April im Shanghai New International Expo Centre (SNIEC) veranstaltet wird, wurde vorher unter anderem Namen von CMP Sinoexpo durchgeführt. Die Messe gehört schon jetzt zu den etablierten Plattformen für Baumaterialien in China, insbesondere im riesigen ostchinesischen Markt. Gleichzeitig zur Expo Build China wird die Ceramics, Fachmesse für Keramik, Fliesen und Sanitärwaren organisiert. Zusammen belegen die Messen rund 35 000 m2 Ausstellungsfläche und ziehen über 500 Aussteller und 40 000 Besucher an. Durch das baumessespezifische Know-how der BolognaFiere sollen die Veranstaltungen nun noch mehr an Profil gewinnen und zu den absolut führenden Fachmessen des Baubereichs in China entwickelt werden, sind sich die Co-Organisatoren einig.

Bologna baut auch sonst seine Stärken aus. Zusammen mit der Messe Rimini wurde die Firma FairSystem gegründet. Das Unternehmen, an dem die BolognaFiere 70 % hält, soll hauptsächlich das Portfolio der Messegesellschaften stärken, neue Messen launchen oder kaufen beziehungsweise eigene Veranstaltungen erfolgreich im Ausland durchführen. So organisiert das Fairsystem-Team Shanghai beispielsweise die Ledermesse Lineapelle in Guangzhou. Die Muttermesse wird in Bologna zweimal jährlich von Lineapelle S.p.A. veranstaltet. Dem Mailänder Unternehmen gehören 50,5 %, die BolognaFiere hält 49,5 %.
Damit auch kleine Erstveranstaltungen die Chance bekommen, sich erst einmal in Ruhe zu entwickeln, freut sich Bologna über ein gutes Verhältnis zu Ferrara und Modena. Auf den kleineren Messegeländen dort müssen sich Neuveranstaltungen bewähren, bevor sie aufs 340 000 m2 große Messegelände der Universitätsstadt geholt werden.

An diesem wird ständig gearbeitet, renoviert und gefeilt. Stets sind neue Hallen im Bau oder bestehende werden modifiziert. Angedacht sind auch ganz neue Bar- und Servicebereiche, ein vollklimatisiertes Besucherleitsystem, das die Besucher in sechs Metern Höhe von Halle zu Halle bringt, sowie der U-Bahnanschluss des Geländes an die Innenstadt.
Geld dafür könnte der Gang an die Börse bringen - die Umwandlung in eine private AG ist bereits geschehen. Der seit einem halben Jahr aktive Hauptgeschäftsführer Luigi Mastrobuono sieht es noch gelassen: Der 50-Jährige peilt den Börsengang erst in mittel- bis langfristiger Zukunft an.

m+a report Nr.8 / 2003 vom 10.12.2003
m+a report vom 10. Dezember 2003