Messebau in China: schrill, bunt, aggressiv - und laut

Andere Länder, andere Sitten. Das gilt für die Esskultur eines Landes genauso wie für die Messekultur. Beliebt sind kräftige Farben und viel Hightech.

Messen in Korea sind bescheiden, haben eher lokalen Charakter. Messen in Japan sind dezent, leise, es werden weder Kosten noch Mühen gescheut, einen exklusiven Touch zu vermitteln. Messen in China wiederum sind Massenveranstaltungen - der Eintritt ist meistens frei und sie sind für jedermann geöffnet. Wichtig ist vor allem, dass man da war und von möglichst vielen Ausstellern möglichst viele Broschüren gesammelt hat. "Und diese müssen", so Oliver Winzenried, Vorstand der WIBU-Systeme AG, eine der deutschen Firmen, die in China auf Messen ausstellen, "nicht nur auf Englisch, sondern unbedingt auch auf Chinesisch ausliegen."
Für Chinesen stehen Geldverdienen und Machthaben an erster Stelle. Man muss groß und repräsentativ auftreten; das gilt nicht nur für Hotels - geht man in ein zweitklassiges, ist aus Sicht der Chinesen auch die Firma zweitklassig -, sondern auch für Autos. Wer ein großes Auto hat, ist einflussreicher als jemand mit einem kleinen Wagen. Das lässt sich noch beliebig auf weitere Bereiche übertragen - zum Beispiel auf Messestände. Diese sollten - aus Sicht der Chinesen - möglichst schrill, bunt und laut sein.
Schön bunt waren beispielsweise bis vor zwei Jahren die Eröffnungsveranstaltungen der CeBIT Asia durch den Löwentanz. Michael Hoppe, Deutsche Messe AG: "Während der Reden schlief der ,Löwe' in seinem herrlich kitschigen Kostüm auf der Bühne. Im Moment der Eröffnung wurde er von einem großen und bunten Papierfeuerwerk aufgeweckt. Anschließend tanzte er durch die Hallen und führte die Besucherdelegation an. Diese Verbindung des Traditionellen mit dem Kulturellen kam bei den internationalen Gästen sehr gut an."

Da in China der Geräuschpegel grundsätzlich höher ist als in anderen Ländern, und das nicht nur auf der Straße, herrscht auf Messen oftmals ohrenbetäubender Lärm. Der Chinese an sich spricht schon sehr laut, so dass man schnell den Eindruck bekommt, hier wird geschimpft und gestritten - und das schon bei normalen Unterhaltungen. Um diese Geräuschkulisse auf Messen übertönen zu können, braucht es schon einige Dezibel. Hinzu kommt, dass Livedemos ein großes Thema in China sind. Sie sind hier aggressiver und lauter als in anderen Ländern. Das liegt sicherlich auch an der aktuellen politischen Situation. Die Jugend versucht mit schnellen Entwicklungsschritten aufzuholen - das macht sich auch im Hinblick auf ihre Ansprüche bemerkbar. Diese lauten Liveshows waren auch einer der Gründe, warum sich die CeBIT Asia neu strukturiert hat. Michael Hoppe: "Wir haben festgestellt, dass ein Unternehmen mit einem reinen Businessanspruch neben einem mit einem Consumeranspruch stand, das mit Liveshows und Livepräsentationen sehr viel Krach machte. Das passte nicht zusammen. Daher werden wir die CeBIT Asia jetzt dem Nutzen entsprechend aufbauen und die Situation für Fachpublikum und Endverbraucher durch die Trennung in die beiden Bereiche Digital World und Digital Life entzerren."

Bunt wie die Einkaufsstraßen sind auch die Messehallen und Konferenzsäle. Lichter blinken, Banner an Banner locken in grellen Neonfarben, man weiß nicht, wo man zuerst hinsehen soll. Dabei ist Farbe nicht gleich Farbe. Weiß zum Beispiel ist zwar in diesem bunten Lichtermeer herrlich wohltuend und dezent - aber in China die Farbe der Trauer. Auch lässt sich die Farbe Grün nicht uneingeschränkt einsetzen: Auf einer Messe wurde der sächsische Gemeinschaftsstand in den deutschen Gemeinschaftsstand integriert. Und da Grün die Farbe der Sachsen ist, sollten grüne Mützen als Giveaway - übrigens in China besonders wichtig - an chinesische Messebesucher verteilt werden. Groß war die Enttäuschung des sächsischen Standpersonals, dass niemand die Mützen haben wollte, sondern die Chinesen diese mit verkniffenem Gesicht vollkommen ignorierten. Kein Wunder, bedeuten doch grüne Mützen in China, dass dem Mann "Hörner aufgesetzt worden sind". Und Achtung: In China und Japan werden die Visitenkarten in einer besonderen Geste - immer mit beiden Händen, um den Energiestrom nicht zu unterbrechen - überreicht. Angela Wiegmann

m+a report Nr.8 / 2004 vom 08.12.2004
m+a report vom 8. Dezember 2004