Rauchzeichen von den IT-Schmieden

Wenn die CeBIT ihre Tore öffnet, dann sind frühere namhafte Aussteller vielleicht nicht mehr dabei. Trotzdem bleibt die Messe wichtigster IT-Branchen-Marktplatz.

Ende November ging eine Meldung über den Ticker, die sich wie ein Lauffeuer verbreitete: Microsoft cancelt seine Beteiligung an der CeBIT. Deutschland-Geschäftsführer Jürgen Gallmann hatte genörgelt: "Uns haben schon früher Kunden gefragt, ob diese Wald-und-Wiesen-Messen die optimale Lösung sind". Was Gallmann genau damit meinte wurde nicht ganz klar, aber es klang wirklich negativ. Die Kritik schien Teil eines neuen Konzeptes des kalifornischen Software-Riesen zu sein. Während der Münchner Systems im Oktober hatte das Unternehmen seine Standfläche bereits drastisch von bisher 1200 m2auf rund 60 m2 heruntergefahren. Statt mit einem aufwändigen Messeauftritt wolle man mit regionalen Kundenevents den Mittelstand erschließen, verkündete die Software-Schmiede damals.
Wenige Tage später pfiff der amerikanische CEO Steve Ballmer seinen deutschen Statthalter Gallmann zurück. "Es ist keine Frage, ob sich Microsoft an der CeBIT beteiligt, sondern nur in welchem Umfang", erklärte Ballmer. Inzwischen steht fest, dass der Konzern nächstes Jahr mit einem ähnlich großen Auftritt wie 2004 in mehreren Hallen mit Endkunden- und Business-Themen in Hannover präsent sein wird.

Viel Rauch um Nichts? Nicht ganz, ein kleines Feuer schwelt. Die Zeiten, in denen die CeBIT mit immer neuen Rekordmeldungen glänzte sind vorbei. Im Rekordjahr 2001 reisten noch 849 000 potenzielle Einkäufer nach Hannover an. Dieses Jahr zählte die größte ITK-Messe der Welt noch 510 000 Besucher. Nicht zuletzt deshalb wurde die Veranstaltungsdauer von acht auf sieben Tage verkürzt.
Messen sind Spiegel des Marktes. Nicht mehr und nicht weniger. Anders als zur Zeit des New Economy-Hypes jagt nicht mehr jedes Unternehmen seine gesamte IT-Abteilung geschlossen auf die Messe. Inzwischen hat die Branche zwar ihre konjunkturelle Talsohle durchschritten, aber das Geld sitzt nach wie vor nicht mehr so locker. Und die Aussteller streichen wegen kleinerer Budgets einzelne Veranstaltungen ganz aus ihrem Kalender.
Der Elektronikkonzern Philips wird beispielsweise "im kommenden Jahr auf der Consumer Electronics Show in Las Vegas und der Funkausstellung in Berlin ausstellen". Der finanzielle Rahmen ist dadurch ausgereizt, man habe sich einfach entscheiden müssen, erklärt Unternehmenssprecher Andreas Parchmann. Außerdem sei "die CeBIT im Vergleich zur IFA erklärtermaßen keine Publikumsmesse".
Das Softwarehaus Peoplesoft monierte, dass "die CeBIT nur bedingt eine individuelle, gezielte Ansprache gestattet", und zog die Konsequenzen. "Die erfolgreiche Teilnahme an Spezialmessen und der wachsende Erfolg eigener Veranstaltungen" hätten dem Unternehmen deutliche Signale gegeben, sein Kommunikationskonzept neu auszurichten. Auch die Telefongesellschaft Debitel steckt ihr Millionenbudget künftig in andere Marketing-Aktivitäten. Und der Computerhersteller Hewlett-Packard verzichtete bereits dieses Jahr auf die Präsentationsplattform.

Trotzdem, der Stellenwert der Hannoveraner Leitmesse zeigt sich gerade darin, wie ausführlich die Wirtschafts- und Fachpresse über einzelne CeBIT-Boykotteure berichtet. "Wirklich lang ist die Liste nämlich gar nicht", erklärt Armin Barnitzke, stellvertretender Chefredakteur des Branchenblatts Computer Zeitung. Ein rein regionaler Dienstleister müsse zwar nicht unbedingt nach Hannover, aber "für ein Unternehmen mit internationalen Kunden ist sie nach wie vor das maßgebliche Branchentreffen, um zu signalisieren, dass man noch auf dem Markt ist". Ernst Raue ist ähnlicher Ansicht. "Ein Viertel der Besucher kam dieses Jahr aus dem Ausland, das ist mehr als Konkurrenzveranstaltungen insgesamt Gäste haben", bilanziert der CeBIT-Chef.
Den Vorwurf, die Öffnung für die digitale Unterhaltungselektronik verwässere den Zuschnitt als Businessmesse, sieht Branchenexperte Barnitzke außerdem relativ entspannt. SAP zum Beispiel habe zwar relativ wenig mit einem Hersteller für Digitalkameras zu tun, "aber von Grafikchips für Spiele profitiert letztlich auch eine professionelle Workstation für CAD-Programme". Und in der Halbleiter-Branche gehe man ohnehin schon davon aus, dass im Endverbraucherbereich zukünftig die Innovationen entwickelt werden.

Der IT-Markt ist in Bewegung, alte Grenzen verschwinden. Ein Prozessorhersteller wie Intel, erläutert Barnitzke, "der traditionell im Business-Bereich groß geworden ist, sieht Umsatzpotenziale inzwischen auch im Consumer-Umfeld". Denn in einigen Jahren, alle Prognosen der Fachleute deuten darauf hin, steckt sowieso in fast jedem technischen Gerät ein Mikrocomputer. Die Öffnung der CeBIT für digitale Unterhaltungselektronik ist daher schlichte Notwendigkeit. Trotzdem schaden Ankündigungen wie die von Microsoft, nicht zur CeBIT zu kommen, auch dem wichtigsten Branchen-Marktplatz. "Letzte Woche habe ich einen Dienstleister getroffen, der sich neue Software von Microsoft ansehen wollte und dann seine Reise storniert hat", erinnert sich Barnitzke. Dass der Bill-Gates-Konzern jetzt doch ausstellt, hatte der Mittelständler dann nicht mehr mitbekommen. Dirk Mewis

m+a report Nr.8 / 2004 vom 08.12.2004
m+a report vom 8. Dezember 2004