Powerhouse Pearl River Delta

Rund um Hongkong wachsen Städte und Regionen zu einem Netzwerk mit ungeheurem wirtschaftlichen Potenzial zusammen. Die neue Messe auf Lantau ist für diesen Markt das Tor zur Welt.

Das Hong Kong Convention and Exhibition Centre HKCEC feierte am 25. November 2003 seinen 15. Geburtstag. Jung, schön und begehrt - das Zentrum ist jedes Jahr nahezu ausgebucht - ragt es in den Victoria Hafen auf Hong Kong Island. Die Architekten schafften es, die Anmutung eines gerade abhebenden Vogels mitschwingen zu lassen. Das Gebäude ist nicht mehr wegzudenkender Bestandteil von Hongkongs Silhouette, es ist ein Herzstück der internationalen Metropole Südostasiens. Für die diversesten Veranstaltungen bietet es Platz: Events, Kongresse, Konzerte, Galaabende und Messen.

Doch es ist zu klein. Zu klein zumindest für Hongkongs Pläne. "In den vergangenen fünf Jahren kam es zu einer 75 %igen Zunahme von Fachmesseveranstaltungen, 85 % mehr Ausstellungsfläche als vor fünf Jahren wurde in Anspruch genommen und wir verzeichnen 100 % mehr Besucher", sagt Daniel Lam, Direktor des Hong Kong Trade Development Councils für Deutschland. "Wir müssen unsere Kapazitäten erweitern", so sein klares Fazit.
Die Messewirtschaft der ehemaligen britischen Kronkolonie entwickelt sich also prächtig und, um das beizubehalten, wird nun am Flughafen auf Lantau ein weiteres Messezentrum gebaut. Die Regierung Hong-kongs, die Airport Authority (AA) und der lang gesuchte Dritte im Bund - ein Konsortium das von Dragages et Travaux Publics, Hongkong, geleitet wird - gingen ein Joint Venture ein. Es zeichnet für das Design, den Bau und Betrieb des neuen internationalen Ausstellungszentrums verantwortlich. Geplant ist die Eröffnungsfeier für das Jahr 2006.

In einer ersten Bauphase entstehen 66000 m2 Ausstellungsfläche, die bei Bedarf auf 100 000 m2 ausgebaut werden können. Das Konsortium sowie die Regierung sollen die nötigen Gelder bereitstellen. Im Gegenzug kommt von der Airport Authority das Bauland. Die Kosten für die erste Phase werden auf rund 2.3 Mrd. HK$ (circa 263,6 Mio. EUR) geschätzt. Rund 150 Mitarbeiter soll das Zentrum nach Inbetriebnahme beschäftigen. Mit 800 zusätzlichen Stellen, die indirekt durch den Betrieb eines neuen Messegeländes entstehen, rechnet Hong-kong. Ein weiteres Konsortiumsmitglied ist übrigens die NEC Group, Birmingham, die neben anderen Aufgaben die zukünftigen Fachkräfte der Messe schulen soll.

Bedenkenträger wissen schon jetzt: Das neue Zentrum wird zu Überkapazitäten führen. Lam sieht das anders: "Die Nachfrage ist auf jeden Fall da." So füllte zum Beispiel erstmals im September dieses Jahres die von CMP Asia durchgeführte Hong Kong Jewellery & Watch Fair, größte Uhren- und Schmuckmesse Asiens, das HKCEC komplett aus. Sicherlich werde sich die Nutzung des bestehenden Zentrums verändern. Es eigne sich durch seine zentrale Lage besonders gut für Kongresse, Kongressmessen, Konsumgütermessen, Konzerte und Events. Nachgedacht werde auch über eine multifunktionale Halle, die ans HKCEC angeschlossen werden soll.

Das neue Messezentrum auf Lantau aber eröffne völlig neue Perspektiven und Möglichkeiten. Bis dato sei es zum Beispiel undenkbar gewesen, sich eine Investitionsgütermesse in Hongkong vorzustellen.
Mit der Neueröffnung ändere sich das. Geplant ist einen Hafen ans Gelände anzubauen, um schwere Exponate per Schiff anliefern zu können. Auch sonst wird derjenige, der aus Übersee schweres Gut heranschafft, nicht über einen zu langen Weg zum Messegelände klagen können. Schließlich werden Airport und Messe unmittelbare Nachbarn. Außerdem sollen weitere infrastrukturelle Veränderungen mit der neuen Messe Hand in Hand gehen.

So ist eine neue gigantische 30 Kilometer lange Brücke - die "West Bridge" - vorgesehen. Sie soll bereits im Jahr 2007 Hongkong mit Macau und Zhuhai im Westen des Pearl River Deltas verbinden. Das Projekt wird auf rund 1,9 Milliarden EUR geschätzt. Der Bau gibt Hongkong langfristig einen konjunkturellen Impuls, da seine Konzerne so leichter weitere Gebiete des Mutterlandes erschließen können. Enorme Entwicklungsmöglichkeiten aber auch für die gesamte Region, die der Investition entgegengestellt werden.
War es bisher schwierig beziehungsweise zeitintensiv von Shenzhen ins westliche Pearl River Delta zu kommen, wird die neue Verbindung das extrem vereinfachen. Die Vernetzung der Städte rund um Hongkong lassen eine stark produktive Region zusammenwachsen. Dort Gefertigtes ist auf internationale Plattformen zur Stärkung des weltweiten Vertriebs angewiesen. Ein Grund mehr, das neue Messezentrum am Flughafen auf Lantau zu bauen, so die Argumentationskette.

Schon jetzt profitieren einige Festlandstädte, die zwar kräftig an weltweit gültigen Angeboten und Standards arbeiten, denen aber oft noch die nötige Erfahrung fehlt von Hongkongs Marketingfähigkeiten und Internationalität. Erst Anfang November reiste eine Delegation aus Shenzhen und Hongkong gemeinsam nach Köln zur Konferenz "Hongkong und Shenzhen - die Formel für Erfolg in China". Asiatische Geschäftsleute tauschten sich mit deutschen dort zum Thema China-Einstieg aus. Wertvolle Informationen wurden so an deutsche Unternehmen weitergegeben. An Interessenten mangelte es nicht: Rund 260 Besucher kamen. Kein Wunder, meint Lam: "Diese Region hat das größte BIP in China, die höchsten Exportzahlen und die wohlhabendsten Konsumenten. Will man Produkte wettbewerbsfähig einkaufen beziehungsweise herstellen, den chinesischen Markt beliefern, oder ein erfolgreiches Unternehmen in Asien aufbauen, so gibt es keinen besseren Ort dafür als diese Region."Dass die meisten Städte rund um Hongkong über eigene Messezentren verfügen, betrachtet Lam als positive Ergänzung: "Dort werden eher die Messen mit regionaler Bedeutung veranstaltet." Hongkong aber sei das perfekte Sprungbrett für Firmen, die in den chinesischen Markt wollen. Nicht zuletzt weil dort auch internationales Recht gelte und angewandt werde. Selbst Shanghai und Beijing ordnet er unter den lokal von Bedeutung rangierenden Messestädten Asiens ein. Das weltoffene und international geprägte Singapur betrachtet Lam als Wegbereiter für die Märkte Thailands, Malaysias, Indonesiens - im Prinzip für die komplette ASEAN-Region.
Peter Sutton, Präsident des Messeveranstalters CMP Asia, sieht das ähnlich: "Die Fachmessen in China bedienen hauptsächlich den riesigen nationalen Markt. Es gibt auch einige Veranstaltungen mit internationalem Touch, aber es braucht Zeit, bis sich diese zu wirklich internationalen Plattformen entwickeln." CMP Asia veranstaltet 70 Messen in sieben asiatischen Ländern.

Bei soviel Geschäft und neuen Projekten denken die Macher des neuen ‚Powerhouse Chinas' aber auch schon an Abwechslung für die Businessgäste: So avanciert Macau in rasendem Tempo zum Las Vegas Asiens. Und Hong Kong Disneyland ist in Planung. "Vor allem die Aussteller und Besucher vom Festland Chinas können - wenn sie ihre Familien nach Hongkong mitbringen - auf der Messe in Ruhe arbeiten, während ihre Kinder einen schönen Tag mit Mickey Mouse und Donald Duck verbringen", sagt Sutton. Christine Seizinger

m+a report Nr.8 / 2003 vom 10.12.2003
m+a report vom 10. Dezember 2003