Events brauchen eine Story, Inszenierung, Dramaturgie

Damit magische Momente entstehen können, greifen Agenturen häufig auf das Wissen von Szenografen und Dramaturgen aus dem Theaterbereich zurück.

Events sind unterhaltsam, haben einen hohen Erlebniswert, lösen Emotionen aus und bei guten Events auch Handlungen. Längst bieten sie den Kunden nicht nur Vergnügen, sondern haben einen festen Platz in der Live Kommunikation errungen, zugleich aber auch einen Wertewandel erfahren weg von der Eventeuphorie hin zur Nutzung als strategisches Marketinginstrument. Als Incentive-Events motivieren sie Mitarbeiter, als Promotion-Events dienen sie der Absatzförderung und mit Corporate-Events werden Produkt- oder Markenstrategien in Szene gesetzt. Die breite Öffentlichkeit wird bei Public-Events einbezogen und längst werden auch Messen mit Events angereichert, sodass die Grenzen häufig fließend sind.
Klassische Events wurden meist von Werbeagenturen geplant und waren, wenn auch im Raum, in der Vergangenheit doch eher zweidimensionale Veranstaltungen. Auf der Unterhaltungsebene garantieren Eventanbieter mit Location, Catering, Musik & Show den Erfolg. Werden Events jedoch als strategisches Marketinginstrument eingesetzt, brauchen sie mehr; eine Story, eine Inszenierung, eine Dramaturgie. Und so verwundert es nicht, dass sich in den letzten Jahren immer mehr Agenturen Szenografen ins Haus holen oder aber sich die Fähigkeiten der Theatermacher zunutze machen. Doch welchen Stellenwert haben heute Szenografen bei der Planung von Events wirklich?

Das Atelier Brückner in Stuttgart plant für Expos, Messen und Museumsausstellungen. Uwe Brückner selbst hat Architektur und Bühnenbild studiert. In seinen Projekten geht es ihm darum, Inhalte spannend umzusetzen und Atmosphären entstehen zu lassen, um Raumbilder zu schaffen, die einer Dramaturgie folgen, durch die die Besucher entlang eines roten Fadens in eine Geschichte entführt werden. Für ihn ist "szenografisches Gestalten die Annäherung an die Lösung einer Aufgabe eher von einer narrativen, einer kontextuellen, ganzheitlich wirkungsorientierten Perspektive aus. Ausstellungen, Messen und Events werden immer aus der inhaltlichen Recherche her in erlebbare, atmosphärische Räume übersetzt - ähnlich wie im Theater."
Szenografie beschreibt die Fähigkeit, Räume so zu inszenieren, dass Inhalte durch gestalterische Mittel deutlicher und pragmatischer in ihrer Wirkung und damit der intendierten Aussage sind. Bei Brückners Stand für Panasonic wurden heterogene Produktwelten in einer großen, integrativen Geste zusammengeführt. Aus den Produktressourcen der Firma entstand ein über 300 Meter langes Möbiusband, das mit Projektionen bespielt wurde und dabei die Leistungsfähigkeit der Produkte zeigte. Architektur wurde Bewegung, der Film zum begehbaren Sujet.

Auch der Schweizer Urs Hofer von Creaworld in Bellach kommt vom Theater, hat in Salzburg Bühnengestaltung, Film- und Ausstellungsarchitektur studiert und einige Jahre an den Salzburger Festspielen mitgewirkt, bevor er seine Erfahrungen auf Messestände und Events übertrug. Welchen Einfluss hat das szenografische Denken auf seine Arbeit ? "Es werden zum Beispiel Briefings nicht einfach nur gelesen, sondern hinterfragt, neu interpretiert wie bei der Neuinszenierung eines Theaterstücks, um immer wieder neue Facetten heraus zu finden." Eine große Rolle spielt die Entwicklung einer Geschichte. "Als Szenograf versuche ich, mit der Architektur eine Geschichte zu erzählen, so komplex, dass sie berührt und emotional erlebbar wird. Dabei müssen Urgefühle wie Angst, Freude, Geborgenheit, Überraschung, Neugier angesprochen werden. Im Vordergrund steht dabei immer die Botschaft. Im Theater muss die Aussage stimmen und verstanden werden. Vor allem die Oper ist weitaus vielschichtiger als Messen oder Events, da kommen noch gesellschaftliche, psychologische und soziologische Zusammenhänge dazu, die dargestellt werden müssen."

Daher stellt sich die Frage, ob es Kunstgriffe aus der Theaterwelt gibt, die auf Messen und Events übertragen werden können? "Das wichtigste dramaturgische Mittel ist, den Besucher in Spannung zu versetzen. Doch zunächst muss ein Umfeld geschaffen werden, das Konzentration ermöglicht. Optische Reize, Verblüffung, Zauberei faszinieren und machen aufnahmebereit. Mit dem Licht können Stimmungen beeinflusst und dramatisiert werden. Zum gebauten Bild kommen dann noch die Musik und Töne, die zusätzliche Bilder im Kopf entstehen lassen."

Viel beschäftigt im Event-Bereich ist On Air-Production aus Wiesbaden. Der Firmenname (on air= auf Sendung) verweist auf die Wurzeln im TV-Sektor. Neben Grafikern, Art-Direktoren und Architekten gibt es hier Schauspieler, Tänzer und darstellende Künstler, die einen ganz anderen Zugang zum Raum und zum Publikum haben. Johnny Klein und Arfst-Soenne Arfsten stellten die für sie wichtigsten Aspekte ihres Planungsansatzes zusammen. Da ist zunächst der Auftritts- oder Austragungsort, der bei einem Event durch Architektur erst mal geschaffen werden muss. Die Eventidee ist von Anbeginn mit der der Architektur verknüpft, schließt die Beleuchtung ein, und auch die Rolle, die das Publikum spielt, ob es nur geführt oder auch einbezogen wird. Das szenografische Ergebnis spiegelt immer das ganzheitliche Denken wieder, das Architektur mit Bild und Inhalt füllt. Ein Event ist eben nicht nur "draufgesetzt" sondern Teil der Idee.

Atelier Markgraph in Frankfurt ist bekannt für seine ausgefeilten, Geschichte prägenden Messestände, Firmenevents, Ausstellungen und Museumskonzepte. Lars Uwe Bleher kommt aus der Architektur, doch wie er berichtet, ist die gesamte Arbeit im Haus von einer szenografischen Denkweise geprägt. Im Vordergrund steht immer die kommunikative Idee, der Inhalt oder die Geschichte, die über die Architektur vermittelt werden soll. Die Ideen werden im Team entwickelt, können aber auch von einzelnen Kreativen kommen, von den Konzeptionern, den Grafikern, den Designern oder den Architekten. Wichtig ist, dass sich alle auf einen Prozess einlassen, dass auch das Bauen eines Messestandes oder einer Eventarchitektur noch Einfluss zulässt. Der französische Architekt Jean Nouvel hat sich für die Entwicklung seines Expo-Pavillons einen Philosophen geholt, um andere Gedanken herein zu holen. Und Bleher betont, dass das Publikum immer eine besondere Rolle spiele. Ihm wird bei der Ideenfindung und Planung die größte Aufmerksamkeit geschenkt, um heraus zu finden, wie es informiert, fasziniert, begeistert, wodurch es unterhalten oder in ein Geschehen einbezogen werden kann.

Was ist nun das Andere, das Besondere am szenografischen Denk- und Planungsprozess, das für erfolgreiche Events und Messen bedeutsam sein könnte? Johannes Milla von Milla und Partner in Stuttgart hat hierzu sehr genaue Antworten parat. Ein Szenograf ist er nicht und doch ist seine ganze Arbeit geprägt vom Theater, das ihn seit Studentenzeiten fasziniert, wo er sich als Student der Theaterwissenschaften mit Dramaturgie und Regie befasste. Heute nutzt er die Qualität einer Szenografie für Messen, Ausstellungen und Events.
Da ist zum einen die Qualität der Idee, der Geschichte: Es ist das Eintauchen in die Literatur, in eine ganz andere und breite Dimension des Denkens, weit über das Fachgebiet hinaus, die dazu beiträgt, auch zu Unternehmen, zu ihren Produkten oder Strategien eine Geschichte finden zu können, die fasziniert und berührt. Nicht nur das, sondern sie auf den Punkt bringen zu können, das Wesentliche heraus zu finden.
Wie schafft man magische Momente? Diese Erfahrungen aus Inszenierung und Dramaturgie nützen dem Marketingevent sehr.
Im Erkennen der Sprache liegt die Fähigkeit, zwischen den Zeilen eines Briefings zu lesen, die richtigen Fragen zu stellen und daraus viele Möglichkeiten und Ideen abzuleiten.
Auch wenn das Publikum nicht so häufig ins Theatergeschehen einbezogen wird, wird doch die gesamte Dramaturgie und Inszenierung auf das Publikum eingestellt. Was versteht es, was nimmt es wahr, wie authentisch muss eine Gestaltung sein, wie kann man es führen, beeinflussen?
Durch die Qualität der Interaktion ist es möglich, auch komplexe Themen auf den Punkt zu bringen, sie transparent und verständlich darstellen zu können wie etwa eine Fahrwerkselektronik.
Prozessorientierung - eine Theatermaschinerie mit engem Zeit- und Budgetrahmen in Gang zu bringen ist mit der Planung eines Messeauftritts durchaus vergleichbar. Wichtig ist, dass der kreative Kern erhalten bleibt und nicht in Sachzwängen verloren geht. Unterschiedliche Disziplinen und Sichtweisen zusammenbringen ist im Theater Alltag, wenn Bühnenbildner, Schauspieler, Regisseur, der technische und der Verwaltungsleiter gemeinsam eine Lösung finden müssen. Für die Messe- und Eventarbeit heißt das in einem frühen Stadium Kreative und Umsetzer zusammenzubringen.
Die Gespräche mit den Architekten und Szenografen zeigen, dass es Sinn macht, für strategische Marketingevents mehr zu wollen als nur eine unterhaltsame Hülle. Das Know-how aus der Theaterwelt hilft Unternehmensanliegen auf Messen und Events zu einen erlebbaren Alltagstheater zu machen, das nachhaltig in Erinnerung bleibt. Ingrid Wenz-Gahler

m+a report Nr.7 / 2004 vom 27.10.2004
m+a report vom 27. Oktober 2004