Moderatoren zwischen Branche und Markt

Die Identifikation mit der Klientel ist hoch, da sie ebenso mittelständisch sind. Die Messegesellschaften AFAG und HINTE sind seit drei Generationen fest in Familienhand.

"Wenn man Messe aus der Perspektive des Kindes erlebt hat, dann ist man gefangen." Christoph Hinte ist seit diesem Jahr in der Geschäftsführung der väterlichen HINTE Messe- und Ausstellungs-GmbH in Karlsruhe tätig, die heute rund 30 Mitarbeiter beschäftigt. Ähnliches kommt von Heiko Könicke, 64 Jahre, Chef der AFAG Messen und Ausstellungen GmbH: "Mein Großvater nahm meinen Vater, als er 14 Jahre alt war, zum ersten Mal mit auf eine Messe. Das war 1920 der Anfang." Könicke jun. gründete 1948 dann die Arbeitsgemeinschaft für Ausstellungen GmbH und baute das Familienunternehmen zum passablen Mittelständler mit heute rund 70 Mitarbeitern an den Standorten Nürnberg und Augsburg auf. Das Hauptgeschäftsfeld der beiden Messeclans: Konzeption, Planung und Durchführung von Fachmessen und -ausstellungen, Regional- und Verbraucherausstellungen sowie Events und Kongressen und Fachtagungen im In- und Ausland.

Während bei den großen Messegesellschaften die Chefsessel eher nach Proporz besetzt werden, haben Heiko Könicke und Christoph Hinte von Kindesbeinen an Hallenluft geatmet. Das Vorgehen des jeweiligen Vaters konnte lange studiert werden. "Das Wichtigste, was mir mein Vater mitgegeben hat, war über längere Zeiträume hinweg zu denken und zu planen. Jene Langfristigkeit, die uns heute abhanden gekommen ist", erklärt Könicke. Ein Paradoxon zum kurzlebigen Charakter des Messebusiness? Im Gegenteil! Könicke betont die Personalkontinuität. "Bei uns gibt es den Begriff Profitcenter nicht." Manche Themen bräuchten Zuwendung über die Finanzen hinaus. Könicke hat dabei vor allem die regionale Struktur seiner Veranstaltungen im Blick. "Wir arbeiten in der Region, besetzen Marktnischen, haben kleine, feine Themen im Portfolio, die Zuwendung brauchen." Langfristigkeit gehöre zur wesentlichen Strategie von AFAG Messen, Unbeständigkeit könne teuer kommen, so Könickes Erfahrung. Kontinuität und Verlässlichkeit sieht auch Hinte als besonders nennenswerten Vorteil gegenüber großen Messegesellschaften. "Das ist unser USP!"

Beide Messeveranstalter haben zur Entwicklung der Messeplätze an den jeweiligen Firmensitzen entscheidend beigetragen. Hinte hat am Standort Karlsruhe in den vergangenen 50 Jahren rund 200 Veranstaltungen durchgeführt, aktuell sind es etwa zehn Termine jährlich, die von 30 Festangestellten durchgeführt werden. "Für einen bestimmten Typus von berufständisch orientierten Veranstaltungen, wo der ideelle Träger wichtig ist, ist eine hohe Identifikation und enge Beziehung zwischen Durchführungsgesellschaft und Verband nötig", weiß Hinte. Inhabergeführte Unternehmen hätten eine andere Denke und Herangehensweise und böten als Familienunternehmen mehr Individualität im Gegensatz zu den großen Messeunternehmen. Messemachen heißt für Hinte "kreativ mit Partnern etwas aufbauen. Es ist faszinierend sich und seine Veranstaltungen immer wieder neu erfinden zu dürfen und zu müssen. Wir hinterlassen in unseren Produkten unseren Fingerabdruck!"

Konzepte aufzufrischen, Strategien zu überdenken, konsequente Marktbearbeitung und die Positionierung von Messemarken gehört zu den vordersten Aufgaben von Jungmanager Hinte. Die Hintes beobachten derzeit eine steigende Nachfrage nach ihren Leistungen, "größere Veranstalter denken über Outsourcing nach, wofür wir die richtigen Partner sind". Messemacher müssten sich künftig zusätzlich zur Aufgabe des Dienstleisters stärker als Moderatoren zwischen Branche und Markt verstehen. Es gelte, aktuelle Branchenkenntnisse mit geringem Zeitverlust in einer Messe umzusetzen. Das Ziel: Eine Messemarke wird durch einen hohen Verbreitungsgrad wertvoller und sie sollte konzeptionell so angelegt sein, dass sie auch an anderen Plätzen durchführbar ist.

"Ob es ein Vorteil ist, eine private Messegesellschaft zu sein, weiß ich nicht", sagt Könicke. Jeder müsse schließlich gleich professionell arbeiten. Kleinere Veranstalter seien dabei flexibler, hätten weniger Hierarchien und mehr Generalisten. Das Hauptunterscheidungsmerkmal sei aber, dass ein privater Unternehmer es sich im Sinne des Kunden auch erlauben könne, nicht immer zuerst an den Gewinn denken zu müssen. Für Investitionsentscheidungen gebe es andere Spielräume. Der Zukunft sehen Hinte und Könicke gelassen entgegen. "Wir müssen Dienstleistungen bieten, die sich der Nachfrage am Markt anpassen." In diesem Zusammenhang fordert Könicke, der zugleich langjähriger Vorsitzender des FAMA (Fachverband Messen und Ausstellungen) ist, dass stärker in Zielgruppen gedacht werden müsse. "Die Fachbeiräte der Messen sind meist völlig falsch besetzt, da sitzen nur Aussteller drin. Repräsentanten, die die Interessen der Besuchergruppen vertreten, finden sie da selten", moniert er. Geht es nach Könicke, müssen die Veranstalter den Fokus mehr auf die Selektion der Zielgruppen und ihrer Bedürfnisse hin ausrichten: Gerade mit Blick auf die Mediengesellschaft müssten hochwertige Verbraucherausstellungen wie etwa die Consumenta ihren Besuchern immer auch das Besondere bieten. Die Besucher der B-to-C-Messen suchen die Veranstaltung auf, um eine kleine Flucht aus dem Alltag zu erleben. "Wir stehen in Konkurrenz zu jeder Menge anderer Events!"
Petra Schmieder

m+a report Nr.7 / 2004 vom 27.10.2004
m+a report vom 27. Oktober 2004