Eine gute Idee ist enorm wichtiger als viel Geld

Messen haben abgespeckt, viele Auftritte sind schlanker geworden. Der Qualität hat das nicht geschadet: Dinge auf den Punkt und rüberzubringen ist keine Budgetfrage.

Der Mai macht alles neu? Von wegen! Auch im November passiert das. Das Messe Institut zieht mit seiner 22. Messe-Fachtagung, die am 24. und 25. dieses Monats stattfindet, von Wiesbaden nach Darmstadt ins Konferenzhotel um. Doch das ist nicht die einzige Neuerung. Das Programm ist leicht gekürzt, dafür gibt es mehr Raum für Gespräche sowie den wichtigen Erfahrungsaustausch - und eine Exkursion. Das Ziel ist klar: die Mathildenhöhe, Experimentierfeld der ehemaligen Künstlerkolonie. Sie war in Darmstadt eine Akropolis des Jugendstils, einer Bewegung, die das Leben in ein Gesamtkunstwerk einzubetten versprach. Von Darmstadt gingen bis zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges wichtige Impulse auf die moderne Architektur, auf Kunsthandwerk und Design aus.
Den Aufstieg zum Kunstzentrum verdankt die Stadt ihrem letzten Großherzog. Ernst Ludwig von Hessen und bei Rhein hoffte, mit der Gründung einer Künstlerkolonie zugleich Kunst, Handwerk und Handel zu beleben und lud 1899 sieben Künstler nach Darmstadt ein, sich auf der Darmstädter Mathildenhöhe zum Wohnen, Werken und Lehren niederzulassen. Der spätere AEG-Designer Peter Behrens und der Otto Wagner-Schüler Joseph Maria Olbrich waren die prominentesten.

Zurück zur Messe-Fachtagung:Tagungsleiter Wolf M. Spryß stellt sie unter das Leitthema "Messen sind Impulsgeber - anregen statt informieren". Für ihn, der seit 37 Jahren als Besucher, Aussteller, Messebauer, Veranstalter, Berater und als Geschäftsführer des Messe Institits aktiv ist, ist klar: Besucher müssen Messestände "lesen“ können. Sie wollen keine Rätsel lösen. Was anmacht, wird beachtet. Beachtung ist die erste Stufe zum Messeerfolg." Entsprechend wird er Impulse geben für den Verlauf der Tagung. Ihm folgt Robert Thiemann, ausgebildet als Diplom-Chemiker, zuerst Copywriter, dann Journalist und Mitbegründer und Chefredakteur der internationalen Designzeitschrift Frame. Er beurteilt täglich die Gestaltung von Produkten und Räumen aus aller Welt und ist seit diesem Jahr auch Juror des Design-Preises der Bundesrepublik Deutschland. Für ihn muss ein Messeauftritt mehr sein als eine Ausstellung von Objekten in einer weißen Dose. "Viele Auftritte sind nicht mehr als eine Produktausstellung, andere gleichen bunten Kirmesattraktionen." Er will begründen, warum eine Idee wichtiger ist als viel Geld.

Ein aktuelles Fallbeispiel steuert der Reclam Verlag bei. Bücher hinstellen ist einfach - aber ausstellen? Wie das geht, zeigt Rolf Brose auf, Werbeatelier Brose GmbH, Walldorf. Er hat im Messe- und Ladenbau-Design eine Reihe von Auszeichnungen und Preisen erhalten und weiß "Kundenwünsche und eigene Vorstellungen zu verbinden, darin sehen wir unsere Hauptaufgaben und Stärken".
"Die Zeit ist knapp - Kümmern Sie sich um das Wesentliche" fordern Jürgen Döttling, IBM Deutschland GmbH, Herrenberg, und Kai Susemihl, fairtec Kommunikationstechnik GmbH, Bremen, und plädieren für mehr Effizienz mit softwaregestütztem Messemanagement. "Konsequentes Messe-Controlling - von der Planung bis zur Umsatzauswertung des einzelnen Messekontakts - gewährleistet den effizienten Auftritt des Unternehmens. Für die IBM sind Messen ein fester Bestandteil im Marketing Mix", betont Döttling.
Vor die Exkursion auf die Mathildenhöhe am Nachmittag des ersten Tagungstages setzt das veranstaltende Messe Institut, Laubenheim, drei parallel laufende Workshops. In Nr. 1 dreht sich alles um das Messemachen in China. Was nicht in den Presseberichten steht, sagt Jörg Christian Messewarb, Schott AG, Mainz. Wenn für ihn auch jede Messe auf dem Prüfstand steht, lässt er keinen Zweifel an der Bedeutung des Marketinginstruments: Messen bleiben d a s Medium weltweit zur Prozessingangsetzung und zur Stärkung der Marke.

Im zweiten Workshop begibt sich Jürgen Dickomeit, ZF Friedrichshafen, auf die Suche nach dem Königsweg: Das Standkonzept vom Architekten oder als Full-Service des Messebauunternehmens? Im Dritten setzt sich Claus Holtmann, Holtmann Messe und Events GmbH, Langenhagen, mit dem Verhältnis von Kunden und Dienstleistern in veränderten Märkten auseinander. Für ihn sind Messen und Events ein großer kleiner Markt. Groß, weil volkswirtschaftlich bedeutende Zahlen bewegt werden, aber dennoch klein, weil eine überschaubare Anzahl der Dienstleister sehr eng zusammenarbeiten. Das Wie ist dabei ein wichtiger Erfolgsfaktor.
Der zweite Tag startet mit einem Vortrag von Welfhard Kraiker von der Hochschule für Angewandte Wissenschaften, Hamburg. "Mein Stand hat vier Ecken", sagt der Vorstandsvorsitzende der Raymond Loewy (Design)-Foundation, Germany, und Mitinhaber der Kommunikationsagentur Kraiker/Simson. Die große Frage für ihn: "Bringt's die Masse auf der Messe oder misst die Messe mit eigenem Maß?"

Dass ein guter Messestand Fotomodel-Charakter hat, wollen Andreas Damböck, Atelier Damböck Messebau GmbH, Neufinsing, und Marco Cormann, NDS Studios Deutschland GmbH, Düsseldorf, zeigen: Sie dokumentieren aktuelle, eindrucksvolle, verrückte und bemerkenswerte Messeauftritte.
Im Berliner Dreierpack berichten Herbert Rüssler, First Fraunhofer-Institut für Rechnerarchitektur und Softwaretechnik, Christian Motschke, IT Service Omikron, und Peter Brüggemann, Ideea Messe- und Dekorationsbau über "Reale Illusion" und darüber, wie der Prozess von der Idee über den Entwurf zum fertigen Stand mit digitaler Hilfe verbessert und Kosten reduziert werden können.
Immer der Nase nach. "Duft wirkt schneller als Sie denken", behauptet Duftregisseurin Elke Kies, Magic Box, Neuss. Sie weiß: "Wer sich wohlfühlt, nimmt sich Zeit und ist aufgeschlossen für Ideen."
Wie häufig räumt auch diese Fachtagung dem Nachwuchs eine Chance ein und lässt Studierende der Fachhochschule Wiesbaden eigene, realisierte Messebauprojekte präsentieren. Rainer Gehr, der dort seit 1982 im Fachbereich Gestaltung, Studiengang Innenarchitektur, tätig ist, weiß: "Messestände eignen sich hervorragend, um mit Studierenden alle Bereiche der Gestaltung zu trainieren: Auf Messen muss man sich messen ..."

m+a report Nr.7 / 2004 vom 27.10.2004
m+a report vom 27. Oktober 2004