Identifizieren und Sichern

Schön wäre es, hätten alle auf einer Messe gezeigten Produkte "Standvermögen". Leider sind es oft gerade die Neuheiten, die Beine bekommen ...

Mobilfunkanbieter wie O2 und Vodafone offerieren Audio-Identifikationsdienste. Wer ein unbekanntes Musikstück hört, soll den Dienst anwählen und sein Handy vor die Tonquelle halten; daraufhin empfängt er eine SMS mit Titel und Interpret. Leider lässt sich auf diese Weise nicht der telefonierende Dieb eines Handys identifizieren. Überhaupt ist das mit dem Identifizieren von gestohlenen Gegenständen so eine Sache.
Die erwähnte Musikidentifizierung nennt sich AudioID und ist nicht zu verwechseln mit RF-ID oder anderen Identifizierungs- beziehungsweise Auto-ID-Methoden. Oftmals ist mit Identifizierung auch eigentlich eine Ortung gemeint. Während man dazu beim GPS (Global Positioning System) spezielle Hardware benötigt, bedarf es zur passiven GSM-Ortung nur eines Handys. Einige Fachleute bemängeln, dass die GSM-Ortung nicht präzise genug und die entsprechende Werbung übertrieben sei. Ein Experte drückt es drastisch aus: um per GSM-Ortung einen Handydieb auf dem Münchner Messegelände zu identifizieren, müsste er der einzige Mensch auf dem gesamten Gelände sein. Genauer wird die Ortung durch die Kombination von GSM- und GPS-Ortung; noch genauer soll es werden, wenn eines Tages statt GPS das Europäische Satellitennavigationssystem Galileo benutzt wird.

Grundsätzlich sollte man die Antidiebstahlfunktion eines Handys nicht losgelöst sehen. So schreibt zum Beispiel Bosch zum Track Pro, dem GSM+GPS-Telematik-Telefon, dass damit nicht nur Kfz-Flotten, sondern auch Personen betreut werden könnten. Zudem ließe sich das Gerät auf mehrere Leitstellenzentralen aufschalten, "so dass beispielsweise der Nutzer über das Internet die Position des Gerätes abfragen kann". In diesem Zusammenhang sei auch noch eine weitere Funktion erwähnt: der automatische Alarm bei Verlassen oder Betreten von vorgegebenen Bezirken/Regionen. Da könnte man das Handy doch so programmieren, dass es Alarm gibt, wenn das Handy ohne Besitzer den Stand verlässt.

Halt! Niemand verlässt den Stand! Auf das Umfeld konzentrieren sich verschiedene Anbieter mit unterschiedlichen Techniken. So will Visortech per USB-Funk-Schlüssel das Notebook vor unbefugtem Zugriff schützen, wenn man sich weiter als zwei Meter vom Gerät entfernt. Hingegen soll der Lostprotector von H-G-S Systeme Controlling GmbH bei Kleinteilen wie Handy oder Schlüssel vor unbemerktem Diebstahl, Vergessen und Verlieren schützen. Den Empfänger trägt der Besitzer bei sich; die Sender werden als Magnetstreifen am Handy oder als Anhänger am Schlüssel deponiert. Entfernt sich einer der Sender mehr als fünf Meter vom Empfänger, schlägt dieser Alarm. Eine Variante, die schon seit Jahren auf dem Markt ist, sind Ketten oder Schlösser mit Bewegungsmeldern und Alarmsirene (beispielsweise Kensington Sonic Lock) für Notebooks und Aktenkoffer; sie alarmieren, wenn der Gegenstand bewegt wird.
Die dänische BlueTags A/S will mit ihrem System eigentlich den Verlust von Kindern (in Parks, Kaufhäusern) verhindern, aber das System ließe sich auch auf Gegenstände auf Ausstellungsgeländen anwenden; zumal viele Messeveranstalter in den letzten Jahren Bluetooth-Netze installiert haben, damit die Besucher sich darüber per Notebook oder PDA ins Messe-Informationssystem einwählen können. Denn bei BlueTags wird der jeweilige Standort der Kleinen über Tags (Etiketten), die die Kinder in Form von Armbändern tragen, mittels eines Bluetooth-Netzes ermittelt (und dann den Eltern als SMS aufs Handy mitgeteilt).

In diesem Antidiebstahlartikel geht es eigentlich um die Identifizierung von Gegenständen, aber weil sich das Thema Personenidentifizierung dabei nicht völlig ausschließen lässt, hier eine kurze Erklärung der Begriffe Identifizierung, Authentifizierung und Verifizierung. Laut Duden bedeutet "identifizieren" die "Echtheit einer Person oder Sache feststellen". Die meisten der heute üblichen Identifizierungsverfahren können aber nicht die Echtheit einer Person, sondern höchstens einer Sache (etwa einer Chipkarte) feststellen. Deshalb muss durch Verifikation beziehungsweise Authentifikation (beispielsweise einer PIN-Eingabe) die Wahrscheinlichkeit erhöht werden, dass Person und Ausweis zusammengehören.

Die Biometrie hingegen kann eine Person identifizieren; trotzdem tauchen in diesem Zusammenhang ebenfalls die Begriffe Authentifikation und Verifikation auf. Hier geht es aber um einen ganz anderen Aspekt. Bei der Identifizierung muss das System feststellen, zu wem die gerade erfassten biometrischen Daten gehören, und deshalb seine Datenbank nach einem entsprechenden Referenzmuster durchsuchen (one-to-many searching). Bei der Verifikation (one-to-one matching) hingegen prüft das System nur, ob es sich bei der Person um diejenige handelt, als die sie sich ausgibt. Das System kann also direkt auf den Referenzmuster-Datensatz zugreifen, der sich aus der ‘Angabe' der Person ergibt. Diese Angabe kann der verbal genannte Name, aber auch der Code aus einer SmartCard sein.

Gewissermaßen der Artikelidentifizierung aufgedrängt wird die Personenidentifizierung bei der Auszeichnung mit RF-ID-Etiketten (Radio Frequency Identification). Personenschützer befürchten, dass die von einem Kunden mitgeführte mit RF-ID ausgezeichnete Ware den Kunden - zumindest als ganz speziellen Verbraucher - identifizieren könnte. Der Kampf gegen die Auszeichnung mit RF-ID-Tags hat im Verlauf der letzten Jahren zu absonderlichen Situationen geführt. Da musste nicht nur Metro in seinem Rheinberger Future Markt bei RFID-Etiketten zurück in die Vergangenheit, sondern das Sicherheitsunternehmen RSA Security hat sogar auf der CeBIT 2004 einen RSA Blocker-Tag, einen kleinen Störsender, präsentiert, der jedes RFID-Lesegerät abblockt, das ohne eine entsprechende Berechtigung RFID-Chips aufzustöbern versucht. Doch weltweit schreitet die RFID-Auszeichnung weiter.

Nach einem Bericht von heise online im Internet vom 11. Juli sollen Schüler im japanischen Tabe ab Oktober Funketiketten auf Schulranzen oder Namensschildern tragen, um eine automatische Überwachung auf dem Schulweg zu ermöglichen. Nach Plänen der Schulträger sollen RFID-Leser an den Schultoren automatisch festhalten, wann jedes Kind zum Unterricht erscheint.

Im Prinzip könnte man auf ähnliche Weise jeden Gegenstand auf einer Messe überwachen. Aber eine Überwachung bedeutet noch nicht, dass man einen Dieb auch schnappt. Besser wäre es eigentlich, alle Wertgegenstände zu befestigen. Auf der Hannover Messe Interkama 2004 fiel beispielsweise auf, dass viele Tastaturen und Monitore an Armen fest verankert waren. Aber solche Installationen sind typisch für die Industrie und lassen sich leider nicht so einfach auf das mobile Business übertragen. In einer IT-Fachzeitschrift lautete die Überschrift eines mehrseitigen Artikels "Handhelds gesichert - Mehr Sicherheit für PDA-Benutzer". Thema war aber nur die Sicherung der Daten durch Verschlüsselung und Ähnliches. Den Verlust des Gerätes können diese Maßnahmen nicht verhindern.

Im m+a report 7/2003 ging es um Leinensicherung und EAS (Elektronische Artikel-Sicherung), die man in fast allen Kaufhäusern findet und sich in beschränktem Umfang auch auf Messepräsentationen anwenden lassen. Gleiches gilt für die Sicherung von Gegenständen kleineren Formats gegen die einfache Wegnahme durch Glasvitrinen oder Schaukästen.
Die Sigurbox, für die der Hersteller mit dem Slogan "schneller als ein Diebstahl" wirbt, macht die Klappe zu; genauer gesagt: Bei einem Alarm fällt der Tisch, auf dem die zu schützenden Gegenstände präsentiert werden, nach unten in ein einbruchhemmendes Gehäuse der Box. Dabei verschließt und verriegelt ein Metallrollladen die Box. Der ganze Vorgang soll weniger als eine Sekunde dauern und so behutsam sein, dass "trotz des Tempos selbst ein Champagnerglas nicht umstürzt". Die Box ist an eine Alarmanlage angeschlossen, wobei der Alarm durch verschiedene Detektoren (Alarmglas, Erschütterungsmelder, Öffnungskontakt, Überfalltaster) ausgelöst werden kann. Sicherlich ist das eine Lösung für Gegenstände im Rolex-Wert, die man gut betrachten können, aber nicht anfassen soll. Außerdem kann man die Box natürlich nicht nur zur Sicherung von Ausstellungsstücken benutzen, sondern für alle Wertgegenstände; etwa zum Verschließen der Mitarbeiter-Notebooks, während diese Konkurrenzbesuche machen.

Hand aufs Herz, aufs Handy und auf die Kreditkarte: Im Prinzip den umgekehrten Einsatzzweck hat der im Vorjahr von edding vorgestellte 8280 Securitas UV-Marker. Mit ihm kann man zwar keinen Diebstahl verhindern, aber später den richtigen Eigentümer identifizieren beziehungsweise verifizieren. Der edding beschriftet Gegenstände, ohne offensichtliche Spuren zu hinterlassen; erst unter UV-Licht wird die Markierung wieder sichtbar. Auf Messen könnten Standmitarbeiter beispielsweise auf diese Art schnell beweisen, dass das Handy, das ein Besucher "aus Versehen" eingesteckt hat, ihnen gehört.

Nicht das Handy ist der wertvollste Gegenstand, den man einem Menschen auf einer Messe stehlen kann, sondern die Kredit- oder EC-Karte. Deshalb plädiert der Verein Sperr (www.sperr-ev.de) für eine einheitliche Notrufnummer zum Sperren von Karten. Die 116 als Pendant zur 110 und 112 hielt die Bonner Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post (RegTP) nicht für realisierbar, wohl aber die 116 116. Grundsätzliches Ziel ist es, weltweit mit einem Anruf über neutrale Server elektronische Berechtigungen wie zum Beispiel Kredit- und EC-Karten, Handys, digitale Signaturen, Krankenkassenkarten, Mitarbeiterausweise, Kundenkarten oder Online-Berechtigungen sperren lassen zu können.

Es ist ein Irrtum zu glauben, dass nur kleine Gegenstände gefährdet sind. So meldete die Fachhochschule Rottenburg am 2. Juli 2004 den Diebstahl eines Alien bei einer Ausstellung. Die 170 cm hohe Skulptur mit der Aufschrift "help", die einen Wert von zirka 2500 EUR hat, wiegt 150 bis 200 kg. Hilfe könnte man auch schreien bei der Yellow-Press-Schlagzeile "Gestohlenes Geld meldet sich per GSM". Denn die Euro-Scheine haben wohl kaum ein GSM-Modul eingebaut. Auch keine allzu große Hilfe für die Geldbörsen des Ausstellungspersonals versprechen die elektronisch gesteuerten Einfärbungssysteme (basierend auf Rauch und Tinte) von 3S Security Systems. Und der Slogan des Anbieters "Personenschutz durch Bargeldschutz" ist fragwürdig. Zumindest beim Stadtbummel am Messeabend. Fritz J. Schmidhäusler

m+a report Nr.6 / 2004 vom 24.09.2004
m+a report vom 24. September 2004