"Wir können nicht alles den Großen überlassen"

Mit Thomas Hagen ist erstmals ein Mittelständler an die AUMA-Spitze gewählt worden. Das Bewusstsein für die Qualität von Messen zu stärken ist für ihn Chefsache.

Was ist Ihnen als Mittelständler wichtig?

Thomas Hagen: Dass der Präsident des AUMA_Ausstellungs- und Messe-Ausschusses der Deutschen Wirtschaft jetzt von einem international aufgestellten und sehr messeaktiven größeren mittelständischen Unternehmen kommt, halte ich nur für konsequent. Man kann nicht immer alles nur den Großen überlassen. AUMA und Mittelstand ist schließlich kein neues Thema. Klein- und mittelständische Unternehmen (KMU) bilden das Rückgrat der deutschen ausstellenden Wirtschaft, sind also Adressaten der täglichen Arbeit des Verbandes.
Ich will dazu beitragen, das Thema Messe verstärkt zu positionieren, und zwar in Wirtschaft und Politik. Um mich dieser Aufgabe auch wirklich widmen und den Input leisten zu können, habe ich ein Aufsichtsratsmandat niedergelegt.
Innerhalb der Wirtschaft gilt es, Messen noch eindeutiger zu besetzen als multifunktionales, hocheffizientes Marketinginstrument. Hierzu hat das AUMA-Management kürzlich ein sehr gutes Tool erarbeitet, den MesseNutzenCheck (m+a report 5/04). Das generelle Bewusstsein für die Qualität von Messen zu stärken betrachte ich aber durchaus auch als Chefsache. Denn einzelne Entscheidungen gegen Messen in ausstellenden Unternehmen gehen vielfach auf Vorstandsbeschlüsse zurück, die nicht immer von hinreichender Sachkenntnis geprägt sind.

Deutschland ist ein starkes Exportland. Die Auslandsmesseförderung müsste Ihnen als messeaktivem Mittelständler besonders am Herzen liegen ...

Wir müssen Bundesregierung und Bundesrat davon überzeugen, den Etat für das Auslandsmesseprogramm zu stabilisieren und in Schritten weiter auszubauen. Angesichts immer neuer Haushaltslöcher wird das viel Engagement erfordern. Der Export trägt den gegenwärtigen bescheidenen Aufschwung fast allein. Deshalb muss die Außenwirtschaftsförderung hohe Priorität haben. Dazu werde ich Gespräche mit dem Bundeswirtschaftsminister und mit wichtigen Parlamentariern führen. Es geht nicht nur um den Etat 2005, der heute bei 34,5 Mio. EUR liegt (Vergleich 2004: 36 Mio. EUR), sondern um grundsätzliche Weichenstellungen. Unser Ziel sind mittelfristig 40 Mio. EUR. Die Wirtschaft braucht mehr Planungssicherheit für ihr Auslandsengagement.

Welche anderen Entwicklungen wollen Sie beeinflussen?

Zum Glück gibt es in Deutschland keine gesetzlichen Regelungen für das Durchführen von Messen und für die Beteiligung an Messen. Das ist ein wesentlicher Qualitätsstandard deutscher Messen. Deshalb geht es vor allem darum, dass die Messewirtschaft weiter frei bleibt von gesetzlichen Eingriffen.
Mein Thema ist die Stärkung des Mittelstandes. Erst dadurch bekommen die deutschen Messen die Vielfalt und die qualitative Breite, die sie auch international so attraktiv machen. Es müssen alle notwendigen politischen Maßnahmen ergriffen werden, um durch wettbewerbsfähige Rahmenbedingungen am Standort Deutschland die mittelständischen Firmen als Rückgrat der ausstellenden Wirtschaft zu stabilisieren. Dies betrifft gerade auch die Arbeitsmarkt- und Steuerpolitik.
Besonders müssen Existenzgründungen und Innovationen erleichtert werden. Die Attraktivität von Messen gründet sich auf die Präsentation von Innovationen, auf das Entdecken neuer Produkte und Marktpartner. Deutschland braucht deshalb ein politisches Klima, das die Bereitschaft zu Existenzgründungen und zu Innovationen fördert.
Klar, Ergänzungen und Weiterentwicklungen von Altsystemen sind wichtig. Dennoch: Der Fokus von Messen muss wieder eindeutiger auf neuen Technologien und Produkten, auf echten Innovationen liegen. Applikationen können nur auf Messen dargestellt werden. Das fördert auch die Begeisterung für Technik.
Und Content ist gefordert: Messen müssen Wissensbörsen der Info-Gesellschaft werden. Exklusive Erkenntnisse, Erfahrungen und Gespräche - die entscheidenden Köpfe einer Branche müssen da sein. Vieles kann man aus der Fachpublizistik nicht filtern. Wer es wirklich wissen will, muss hin.

Der Wettbewerb auf Veranstalterseite ist hoch. Glauben Sie, von Industrieseite etwas einbringen zu können?

Eine hohe Wettbewerbsintensität ist grundsätzlich positiv, steigert sie doch die Leistungsfähigkeit. So gewinnen der Kunde - die ausstellende Wirtschaft - und seine Wünsche ständig an Bedeutung. Es genügt heute nicht mehr, mit Parkplätzen und niedrigen Quadratmeterpreisen zu werben, sondern Kundenwünsche frühzeitig zu erkennen und in attraktive Angebote zu verpacken.
Im Wettbewerb geht es heute vielfach sehr konkret um Marktanteile in einem tendenziell stagnierenden Markt. Das bedeutet, dass Beteiligungen an neuen Veranstaltungen bei konstanten Budgets in der ausstellenden Wirtschaft auch zulasten bestehender Messen gehen können.
In dieser Wettbewerbssituation stehen alle Beteiligten in einer besonderen Verantwortung; denn Wettbewerb in der Messewirtschaft funktioniert anders als in den meisten Branchen, gerade wenn es um die Einführung und Positionierung neuer Produkte geht. Wenn sich ein neues Industrieprodukt am Markt nicht durchsetzen kann, hat nur der Hersteller den Schaden. Wenn eine neue Messe nach einer Durchführung vom Markt verschwindet, haben auch die Aussteller, also die Kunden, einen erheblichen finanziellen Verlust; denn eine einmalige Messebeteiligung bringt meistens noch keinen durchgreifenden Erfolg, aber erhebliche Kosten.
Gerade angesichts eingeschränkter Marketingbudgets in der ausstellenden Wirtschaft sind die Veranstalter gefordert, ihre Innovationen besonders sorgfältig zu planen. Diese Sorgfalt ist ebenso geboten, wenn Verbände Empfehlungen für Messeteilnahmen abgeben oder selbst Messen veranstalten. Letztlich entscheidet übrigens der Besucher, welche Messen sich dauerhaft im Wettbewerb behaupten. An alle Aussteller kann ich nur appellieren, nicht anderen nachzulaufen, sondern selbstständig anhand der eigenen Ziele über Beteiligungen zu entscheiden.

Sind Messen mehr als regionale Wirtschaftsförderinstrumente?

Selbstverständlich! Messen sind erst in zweiter Linie Wirtschaftsförderinstrumente. Messen und Messeplätze, die gegründet wurden, um Betten und Taxis zu füllen, werden künftig wesentlich stärker als bisher unter Druck geraten, weil die Wirtschaft sich auf Veranstaltungen konzentriert, die sie wirklich braucht.
Die Förderung der regionalen Wirtschaft ist natürlich eine wichtige Funktion, aber eine Messe muss ihre Existenzberechtigung zunächst durch die Qualität des Konzeptes und des Managements und durch die richtigen Besucherzielgruppen nachweisen. Wenn sie neben der Akzeptanz durch die ausstellende und besuchende Wirtschaft auch die regionalen Dienstleister unterstützt, umso besser. Umgekehrt gilt: Eine Messe, die die Wirtschaft nicht braucht, wird auch durch finanzielle Unterstützung der Eigentümer auf Dauer nicht überleben. Ich empfehle deshalb den Veranstaltern, solche Messen möglichst frühzeitig vom Markt zu nehmen.

Was halten Sie von der Privatisierungsdebatte der großen Messegesellschaften? Ist es nicht egal, ob zum Beispiel die Weidmüller-Gruppe bei einem "öffentlich-rechtlichen" Veranstalter oder einem privaten ausstellt?

Entscheidend ist die Qualität von Veranstaltung und Management. Die deutschen Messegesellschaften sind zwar im öffentlichen Eigentum, aber sie sind keine verbürokratisierten Apparate, sondern professionell geführte Unternehmen. Insofern sind teilweise prognostizierte Qualitäts- und Effizienzfortschritte nach Privatisierungen mit Vorsicht zu betrachten. Immerhin ist Deutschland mit den bisherigen Strukturen Weltmarktführer geworden.
Aus Ausstellersicht gibt es keine zwingende Notwendigkeit zur Privatisierung. Wenn aber einzelne Messegesellschaften zur Kapitalbeschaffung auf Privatisierung setzen, sind das sicherlich sinnvolle Erwägungen der jeweiligen Gesellschafter. Generell gilt für mich: Alles ist hilfreich, was den Kundennutzen steigert.
Aussteller und ihre Verbände sollten bei Entscheidungen für Messen die Qualität von Messemanagement und Service in den Vordergrund stellen und nicht nur kurzfristige finanzielle Vorteile. Auch wenn niedrige Standmieten angenehm sind: Die Wirtschaft muss bereit sein, kostendeckende Preise zu bezahlen. Künstlich verbilligte Messebeteiligungen zu Lasten des Steuerzahlers sind aus meiner Sicht nicht akzeptabel.

Lobbying ist ja nicht nur Thema in Berlin. Was ist mit Brüssel? (Wie) Werden Sie versuchen, auf europäische Entwicklungen in der Messelandschaft Einfluss zu nehmen?

Hier gilt das gleiche wie auf Bundesebene. Unser Ziel ist es, Regelungen zu vermeiden und die Europäische Union darin zu bestärken, gegen Beschränkungen in anderen EU-Ländern vorzugehen. Gerade auf EU-Ebene geht es auch um den Abbau von Zöllen im Handel mit dem EU-Ausland. Der AUMA unterhält in Brüssel ein Büro, das quasi als vorgelagerter Standposten alle EU-Initiativen sondiert und auf Messerelevanz abklopft. Messelobbying betreiben wir aber nicht nur in Brüssel, sondern auch mit und in wichtigen Partnerverbänden.

Der AUMA wurde vor fast 100 Jahren gegründet - als Verband, der die Interessen der ausstellenden Wirtschaft vertritt. Heute scheinen die Messeveranstalter den Verband als den ihren zu betrachten. Mitgliedermäßig sind sie leicht in der Überzahl. Wessen Interessen vertritt der AUMA?

Ein Verhältnis von 41 Veranstaltern gegenüber 40 Wirtschaftsverbänden ist keine wirkliche Überzahl. Im Übrigen gibt es Gespräche mit weiteren Fachverbänden, die zu uns stoßen wollen. Wenn aber diejenigen, die einst außen vor waren, also die Messeveranstalter, heute den AUMA als ihre zentrale Interessenvertretung betrachten, ist das doch eine sehr positive Entwicklung. Der AUMA vertritt die Interessen aller Mitgliedergruppen. Auch der Vorstand des Verbandes ist daher paritätisch mit Vertretern der Veranstalter und der beteiligten Wirtschaft besetzt.
Im Aufgabenspektrum des AUMA überwiegt sicherlich mal die eine, mal die andere Seite. Vielleicht sind manche Verbandsleistungen für die Ausstellerseite weniger von außen sichtbar. Gehen Sie davon aus, dass sich der AUMA bei manchen Streitfällen um Messen im Hintergrund um Lösungen bemüht - im Sinn der ausstellenden Wirtschaft, die das Ganze schließlich bezahlt.
Ich halte die Konstruktion des AUMA, alle Partner unter einem Dach zusammenzuführen, für aktueller denn je. Wir brauchen mehr Dialog zwischen Veranstaltern und beteiligter Wirtschaft. Nicht nur in Ausstellerbeiräten, sondern auch auf der übergeordneten Verbandsebene. Je schwieriger die Zeiten desto mehr sollten die Beteiligten miteinander reden. Der AUMA schafft die entsprechende Plattform.
Wir brauchen einen Grundkonsens darüber, in welche Richtung sich die Messewirtschaft als Ganzes weiterentwickeln soll. Die ausstellende Wirtschaft hat ebenso wie die Veranstalter größtes Interesse an erstklassigen Messen am Standort Deutschland. Als Aussteller brauchen wir eine ergebnisorientierte und vertrauensvolle Zusammenarbeit mit den Veranstaltern.
Interview: Christiane Appel

Thomas Hagen ist nicht nur der erste Mittelständler, der an der Spitze des AUMA-Ausstellungs- und Messe-Ausschusses der Deutschen Wirtschaft steht, er ist mit 42 Jahren auch der jüngste Präsident des Verbandes. Gleich bei seiner Antrittsrede in Berlin im August hat er verkündet, er hoffe, wiedergewählt zu werden und dass seine Amtszeit länger dauere als nur drei Jahre. "In sechs Jahren kann man wirklich was bewegen." Hagen leitet seit 1999 als Alleinvorstand die Weidmüller-Gruppe, Detmold.

m+a report Nr.6 / 2004 vom 24.09.2004
m+a report vom 24. September 2004