Mit Innovationen gegen Kauffrust

Die Deutschen haben immer weniger Freude daran, ihr Geld auszugeben. Für Verbraucherausstellungen heißt das: Nur wer innovativ reagiert, hat Erfolg.

Die Kaufkraft auf Verkaufsmessen betrug im vergangenen Jahr rund 7,5 Mrd. EUR. Dies geht aus einer Untersuchung der Messe- und Kongressberatung Herbert Dirr, Hamburg, hervor. Grundlage der Auswertung waren die Daten der bei der Gesellschaft zur freiwilligen Kontrolle von Messe- und Ausstellungszahlen (FKM) testierten Veranstaltungen und die Ergebnisse der jeweiligen Privatbesuchertests. Während das vom statistischen Bundesamt jährlich ermittelte Nettohaushaltseinkommen von 1999 bis 2002 kontinuierlich anstieg, ist es derzeit rückläufig. Dafür sprechen auch die Angaben der Besucher auf den deutschen Verbrauchermessen. Laut Dirr erreichte die Kaufkraft auf deutschen Verbraucherausstellungen 2001 mit 9,4 Mrd. EUR ihren höchsten Wert, danach sackte sie auf 7,5 Mrd. EUR ab. Und es herrscht wenig Aussicht auf Besserung: Nach der positiven Entwicklung im Monat Juni 2004 ging es laut der Gesellschaft für Konsumforschung (Gfk) im Juli mit durchweg allen Indikatoren, die die Verbraucherstimmung in Deutschland erfassen, wieder bergab. Der Einzelhandel steckt in der Krise.

Von der Kaufschüchternheit der Besucher bleiben auch Aussteller auf Verbrauchermessen nicht verschont. Konsequenz: Die Zahl der Verbraucherschauen und die der Aussteller ist auf das Niveau von 1994 zurückgefallen, ebenso wie die durchschnittlichen Besucherzahlen rückläufig sind. Die vermietete Nettofläche reduzierte sich zwischen 1991 und 2003 von durchschnittlich rund 20 000 auf zuletzt 15 600 m2 netto vermietete Fläche (Hallen und Freigelände) je Ausstellung (2002: 13 100 m2.
Dennoch treffen Unternehmer auf eine hohe Kaufkraft, wenn sie ihre Waren, ihre Ver- und Gebrauchsgüter sowie Dienstleistungen auf Allgemeinen Verbraucherausstellungen präsentieren. Die Höhe des durchschnittlichen Nettohaushaltseinkommens der Besucher bewegt sich laut Messebefragungen seit 1999 zwischen 1930 und 2045 EUR. Der Anteil der Besuchergruppen, die dabei das offizielle Haushaltsnettoeinkommen (1999: 2414 EUR, 2000: 2583 EUR, 2001: 2647 EUR, 2002: 2649 EUR) übertreffen, liegt regelmäßig bei etwa 25 und 30 %.

Die einzelnen Umsatzgrößen pro Person (jeweils ohne Kosten für Anreise, Parken, Verzehr, et cetera) streuen breit: Die Inventa in Karlsruhe meldet für 2004 als durchschnittlich Umsatzgröße pro Besucher 1700 EUR, der Mannheimer Maimarkt pro Person 480 EUR (2001: 490 EUR), Du und Deine Welt geben für die jüngste Veranstaltung 2003 115 EUR an. Auf der Consumenta 2003 meldeten 47 % der Besucher, dass sie bereits Ausgaben bis zu 50 EUR getätigt haben (2000: 56 %). Diese Größe liegt bei der afa in Augsburg für 2004 bei 45 % (2001: 57 %). Diese Beträge sind allerdings nicht objektiv vergleichbar, da die durchschnittliche Höhe der Ausgaben durch das konkrete Messeangebot und die Zahl der Besucher bestimmt wird. Mit hochwertigen Gütern wie Einrichtungsgegenständen ist ein höherer Durchschnittsbetrag zu erreichen als mit kurzlebigen Gebrauchsgegenständen.

"Verbraucherausstellungen, die frühzeitig auf die sich abzeichnende Entwicklung reagierten, haben keine nennenswerten Negativeffekte", weiß Heiko Könicke, Geschäftsführer der AFAG Messen und Ausstellungen GmbH und Vorsitzender des Fachverbands Messen und Ausstellungen e.V. (FAMA). Die Veranstaltungen wurden rechtzeitig modernisiert und mit neuen Themen angereichert. Dadurch konnten neue Ausstellerzielgruppen gewonnen werden, die wiederum neue Besucherzielgruppen im Schlepptau hatten. Trotzdem wird der Wettbewerb immer härter: Umsatz wollen auch die Internetanbieter und die Betreiber von allerorts aus dem Boden sprießenden Shoppingcentern mit hohem Erlebnischarakter machen. "Die Zahl der Besuche ist nicht mehr Kriterium Nr. 1. Wichtig ist es, mehr Kaufkraft in die Ausstellung zu bekommen", berichtet Könicke. Dabei lässt sich die Kaufkraftstruktur der Besucher deutlich beeinflussen: Die AFAG hat an die Consumenta die Ausstellung ,Faszination Pferd' angekoppelt, die eine "junge Zielgruppe mit einkommensstarken Familien anzieht", so Könicke. Die Initiative habe sich sofort positiv auf die Kaufkraftsituation der Consumenta ausgewirkt. Insgesamt investiert die AFAG jährlich bis zu 2 Mio. EUR in Informations- und Sonderschauen.

Auf exakte Zielgruppenansprache und zielführende Kommunikation bei Werbung /PR setzt Christoph Hinte, Geschäftsführer Hinte Messe- und Ausstellungs-GmbH. Die jüngste Inventa im März 2004 erreichte laut Besucherbefragung, die Informationen weit über den vorgegebenen FKM-Kanon hinaus abrief, eine Gesamtkaufkraft von 17 Mio. EUR für 250 Aussteller. Dieser Betrag setzt sich aus den ermittelten Summen über die bereits getätigten Einkäufe/Bestellungen und der noch beabsichtigten Ausgaben zusammen. Mit diesen Informationen sollen Aussteller angesprochen werden, "die was Besonderes bieten", so Hinte. "Wir vergleichen uns nicht mit dem Angebot in Einkaufszentren. Wenn ich das täte, verliere ich meine Identität als Messe", erklärt Hinte. Auch die Verbraucherausstellung Offerta ist mit themenorientierten Informationsschauen angereichert, die eine Brücke zum Ausstellungsangebot schlagen. "Nicht möglichst spektakulär, sondern möglichst engen Bezug zum Ausstellungsangebot", lautet das Motto.

Das sieht auch Sonja Tegtmeyer, Objektleiterin der Du und Deine Welt (DDW) in Hamburg so. Die Besuchergruppe mit über 2500 EUR Nettohaushaltseinkommen hat sich von 22 % in 1996 auf 30 % in 2003 erhöht. "Wir haben in den vergangenen Jahren die Säulen Demonstration und Information sowie Erlebnis deutlich ausgebaut", erklärt Tegtmeyer. Durch die Gliederung nach Themenschwerpunkten konnte auch die Werbung zielgruppenspezifisch ausgebaut werden. "Wir müssen diejenigen Kundengruppen bewerben, die die Produkte unserer Aussteller brauchen", argumentiert Tegtmeyer. Zwar sei es wichtig, die kaufkraftstarken Zielgruppen für die DDW zu gewinnen, "inzwischen ist es aber auch sehr relativ, wer Geld hat und wie er es ausgibt." Das Zahlungsverhalten spielt zunehmend eine Rolle, immer mehr private Haushalte sind verschuldet. Die Vielfalt des Produktangebots auf Verbraucherausstellungen glänze im Gegensatz zu dem in Einkaufszentren, die hauptsächlich globale Handelsketten beherbergen, mit einer ganz anderen Qualität. Auf Verbraucherschauen seien hoch kompetente Verkaufsberater am Werk, jeder Propagandist sei als Spezialist auf seinem Gebiet anzusehen. Die nächste DDW startet Ende August, die Veranstalter melden im Vorfeld rund 100 Aussteller mehr als im Vorjahr.

Nicht in Konkurrenz zum örtlichen Einzelhandel sieht Carola Schwennsen, Geschäftsführerin bei Fachausstellungen Heckmann in Hannover, die Infa. "Wer die Plattform Messe begriffen hat, weiß, dass Verbraucherausstellungen nicht mit dem Einzelhandel konkurrieren", so Schwennsen. Manche Einzelhandelsgeschäfte setzen stattdessen gezielt auf eine langfristige Beteiligung auf der Infa, um ihre Kundenstamm zu erweitern. Investiert wurde regelmäßig in Attraktionen und Shows, die ins Messegeschehen integriert sind. Seit über zehn Jahren tritt die Infa mit einem jährlich wechselnden Sonderthema auf. Dafür wird eine Messehalle (10 000 m2 zur Verfügung gestellt, in der auch ausgesuchte Aussteller ihre Produkte anbieten. Die besondere Atmosphäre soll die Kauflust steigern. Schwennsens Erfahrung: Bei einem deutlich größeren Teil des Publikums habe der Unterhaltungsaspekt im Zusammenhang mit dem Ausstellungsbesuch gewonnen. Gaben im Jahr 2000 bei der Infa-Besucherbefragung 28 % den Unterhaltungsfaktor als Grund des Besuchs an, waren es 2002 schon 36 %.

Spezialisierungen innerhalb der Verbraucherveranstaltungen werden als eine weitere Möglichkeit gesehen, das Publikum zu fesseln. Die Heim+Handwerk in München hat mit den Sonderausstellungen Bionale (Umweltfreundlich bauen und wohnen) und Designale (Designorientiertes Wohnen) schon vor mehr als zehn Jahren eigene Ausstellungen innerhalb der Verkaufsschau begründet, die spezielle Kundenkreise mit gut gefülltem Portemonnaie anspricht.
Zusätzlich zu den verstärkten Eigenaktivitäten im Ausstellungsgeschehen empfehlen die Veranstalter den Ausstellern mehr Zielorientierung und klare Vorgaben darüber, was mit der Messebeteiligung erreicht werden soll. Zu den entscheidenden Qualitätsparametern von Verbraucherausstellungen wird vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung in den nächsten Jahren sicher auch das Durchschnittsalter der Besucher mehr Gewicht bekommen. Nur der richtige Angebotsmix und Qualitätsanspruch machen, dass den Verbrauchermessen künftig nicht das Publikum ausgeht. "Während sich der Handel derzeit mit Rabattaktionen überbietet und damit auch kein Umsatzplus erzielt, setzen wir noch stärker auf Qualität und Individualität", fasst FAMA-Sprecher Könicke zusammen. Gerade die kaufkraftstarke Gruppe der Happy Elder oder Best Ager (auf deutsch: Senioren) wollten keine Billigware sondern Qualitätsprodukte. Große Beachtung bei den Veranstaltern finden daher die Ergebnisse der Aussteller- und Besucherbefragungen, wobei die Besucherbefragung fast wichtiger sei, so Könicke. Die vorgegebene Fragestellung der FKM gehe allerdings für eine fundierte Marktforschungsanalyse nicht weit genug: "Jede ernst zu nehmende Messegesellschaft geht bei ihrer Marktanalyse über die Beantwortung der FKM-Basisfragen hinaus." Petra Schmieder

m+a report Nr.5 / 2004 vom 13.08.2004
m+a report vom 13. August 2004