Let's talk about ... Messen im Radio

Hörfunk erreicht Messebesucher und das Umland oft besser als das Fernsehen. Daher setzen Messegesellschaften gerne auf Kooperationen mit den Sendern vor Ort.

Das Radio ist in Deutschland trotz internet und eines übermächtigen internationalen TV-Angebots ein nicht zu unterschätzendes Medium, dem viele aktive Menschen zu unterschiedlichen Zeiten ihre Aufmerksamkeit schenken. Radio kommt besonders dann zum Tragen, wenn das Fernsehen keine Chance hat - im Auto. Von den Reichweiten, die große Hörfunk-Sender bei wichtigen Zielgruppen im Auto erreichen, können viele TV-Sender nur träumen.
Insofern ist das Medium Messeradio nicht nur für die Profilierung von Standorten und Programmanbietern hochinteressant, sondern auch für Messegesellschaften, um ihren Kunden eine Plattform zu bieten und sie gezielt und unterhaltend mit wichtigen messespezifischen Informationen zu versorgen.

Es gibt zwei Strategien, mit denen große Messeanbieter über die tagesaktuelle Berichterstattung hinaus die Präsenz ihrer Veranstaltungen und Kunden im Radio forcieren: mit Messeradio in Kooperation mit starken Sendern, auf eigenen Frequenzen und indem sie "elektronische Presse-Informationen" anbieten.
Pionier und seit fast Jahren 40 Jahren erfolgreich in Sachen Messeradio ist der NDR mit seinem ganztätigen "Messe-Journal" zur Hannover Messe und zur CeBIT. NDR 1 Niedersachsen behauptet aktuell mit einem bundesweiten Marktanteil von 4,6 % seinen Platz als meist gehörtes Radioprogramm in Deutschland. Während der beiden großen Messen erreicht das "Messe-Journal" auf seinen beiden Frequenzen UKW 90,9 und 100,8 rund 700 000 Hörer.
Für Eberhard Roloff, Pressechef der Deutschen Messe AG, Hannover, ist das NDR-Messe-Journal rundum eine "positive Sache". Die lange Tradition dieses Messeradios habe wesentlich "zur Identifikation der Menschen in der Region mit ,ihrem' Messestandort" beigetragen. Das Messeradio-Projekt des NDR wird weder von der Messe noch von Ausstellern gesponsert und läuft ohne Werbung.
Birgit Koch, Leiterin des NDR-Studios in Hannover und des NDR Messe-Journals, betont die Unabhängigkeit des Messeradios, das weder Besucherzahlen schöne noch sich sonst in seiner Berichterstattung beeinflussen liesse. Koch lobt jedoch die "freundlich-kritische Auseinandersetzung und die guten Kontakte" mit der Hannoveraner Messeleitung. Man gehe "fair, sachlich und professionell" miteinander um und sei auch bei für die Messe kritischen Themen "nicht gleich eingeschnappt".

Der NDR verfügt im Messegelände über ein voll digitalisiertes Hörfunkstudio und zwei Ü-Wagen, in denen zu Messezeiten 15 bis 18 "stressresistente" NDR-Radioprofis (einschl. Technik) an den Start gehen. Von dort aus wird auch die gesamte ARD mit täglich zwei Sammelangeboten beliefert.
Die Messeradio-Mannschaft sei hochmotiviert und Koch schätzt besonders, dass journalistisch schöne und spannende Formen wie Autorengespräche oder Reportagen umgesetzt werden könnten. Natürlich werde nicht nur über die Messe berichtet, sondern auch über das, was die Menschen von der Region und darüber hinaus interessiere. Besonders relevant speziell für Messegäste seien die halbstündlich gesendeten Verkehrsnachrichten direkt von der Move-Zentrale der Verkehrsplaner.
Und das schätzen ausländische Messekunden in Hannover: Das NDR-Messe-Jounal sendet in Kooperation mit der BBC London zwei Mal täglich live aus London speziell aufbereitete News in englischer Sprache.

Im Gegensatz dazu betreibt die Messe Frankfurt mit "Radio Via Mobile" seit über 15 Jahren ein stark hitorientiertes Hörfunk-Projekt mit kurzen Wortbeiträgen, das sich überwiegend über Werbung finanziert. Bis 2003 wurde das Frankfurter Messeradio für drei Jahre auf die Region mit spezieller UKW-Frequenz (95,1) ausgeweitet. Rund um die Uhr wurde bei allen grossen Veranstaltungen im Umkreis von rund 80 km gesendet. Martin Hecht, Ex HR- und FFH-Moderator, dann Programmdirektor von "Radio Via Mobile", bedauert, dass es im Moment wieder nur noch innerhalb des Geländes laufe. Er ist jedoch zuversichtlich, in Zukunft wieder auch in der Region senden zu können mit einem "Konzept, das sich über Werbung und Sponsoren vollkommen selbst trägt".
Hochattraktiv, um ihre relevanten Zielgruppen zu erreichen, ist das Frankfurter Messeradio auch für Veranstalter hochkarätiger Gastmessen mit großer Publikumsfrequenz wie die Internationale Automobil-Ausstellung (IAA) oder die Buchmesse. Sponsoren sind zum Beispiel bei der IAA nicht nur der Veranstalter selbst, sondern auch große Automobilhersteller.

Ein stark vom Veranstaltungsthema her motiviertes Projekt war das sehr erfolgreiche "photokina MesseRadio" in Köln in den 80er und 90er Jahren - eine Kooperation von WDR, Deutschlandfunk, Deutscher Welle und Koelnmesse. Mitinitiator Manfred Erdenberger hat in seiner Zeit als Mitglied der Chefredaktion und späterer Chefredakteur des WDR Hörfunk von 1982 bis 1996 Messeradios in Köln und Düsseldorf organisiert.
Die Gründe für den großen Erfolg des "photokina MesseRadios" sieht Erdenberger im wesentlichen darin, dass es neben der guten organisatorisch-logistischen Unterstützung durch die Koelnmesse "gemeinsam getragen wurde von den drei Intendanten der jeweiligen Anstalten, den Direktoren auf der Programm- wie auf der Technikseite sowie durch eine homogene Mannschaft im redaktionellen und technischen Bereich."
Aktuell hält Erdenberger die Finanzierung angesichts des Spardrucks auf die öffentlich-rechtlichen Sender für den "heikelsten Punkt". Das gelte insbesondere "für die klare Werbung, aber auch für die mittelbare Finanzierung durch Sponsoring". Es müsse auf jeden Fall der Eindruck vermieden werden, "dass es sich bei Messeradio um eine ,Dauer-Werbe-Sendung handelt."
Auch zur Internationalen Funkausstellung in Berlin, die ebenfalls von den Inhalten her für Messeradio prädestiniert ist, ist der SFB während der Veranstaltung auf eigener Frequenz berlinweit täglich 24 Stunden auf Sendung.

Als "kleine Alternative" zum Messeradio bieten die meisten großen deutschen Messegesellschaften den Radiostationen von ihnen finanzierte, vorproduzierte Beiträge an, die den Radiosendern als Audio CD oder via ISDN übermittelt werden. Hier kann durchaus bei attraktiven Themen bundesweit sehr gute Resonanz erzielt werden. Für Meinolf Bauer, Chef des EigenArt Redaktionsbüros für Film-, Fernseh- und Hörfunk-Produktionen, ist bei einem solchen Angebot der "wichtigste Punkt" für die Akzeptanz bei den Redaktionen "eine von Messegesellschaft und Ausstellern unabhängige Berichterstattung".
Die derzeitige Hörfunklandschaft gestaltet sich aus seiner Sicht "durchaus nicht einfach", da die populären Sender (mehrheitlich die privaten) "nahezu keine Wortbeiträge (vor allem nicht länger als 90 Sekunden)" im Programm hätten. Für diese Situation bietet er "kleine, sehr flott gestaltete Stücke an, die am besten als Telefoninterview oder als Life-Schalte laufen". Die öffentlich-rechtlichen Sender böten demgegenüber einen breiteren Gestaltungsspielraum und damit verbunden eine größere Themenvielfalt. Wichtig sei es, den unterschiedlichen Programmstrukturen gerecht zu werden.
Eva Rugenstein, Pressechefin der Messe Düsseldorf, die zur Zeit nicht auf Messeradio, jedoch auf einen professionell aufgezogenen Hörfunk-Service setzt und auf Kooperationen in Form von Live-Sendungen bei attraktiven Publikumsmessen wie zum Beispiel der Boot mit dem WDR und Antenne Düsseldorf. Aber auch verbrauchernahe Themen bei Fachmessen wie der Medica "laufen hervorragend im Radio". Komplexere Sachverhalte, bei denen die Visualisierung eine untergeordnete Rolle spielt, sind für das Medium Radio natürlich besonders gut geeignet. Wichtig sei, dass die Beiträge von einem erfahrenen Radiomacher angeboten würden.

Eine deutliche Gegenposition vertritt Peter Ottmann, Pressechef der NürnbergMesse: Er erteilt einem Messeradio "wegen der sowieso schon starken Reizüberflutung" seiner Messegäste eine klare Absage. Der regionale Charakter des Messeradios entspreche zudem nicht den Interessen der ausländischen Kunden, die bei den Veranstaltungen in Nürnberg bis zu 50 % der Besucher ausmachten. Eliza Nürnberger

m+a report Nr.4 / 2004 vom 11.06.2004
m+a report vom 11. Juni 2004