Rauher Alltag für den Pressenachwuchs

Mit Projekten für junge Journalisten begaben sich die Messegesellschaften Nürnberg und München auf Neuland. Die Pilot-Presseagenturen kamen bestens an.

"Mir ist klar geworden, dass Messen eine gute Möglichkeit sind, sich über die jeweilige Branche zu informieren. Ich werde von nun an immer mal wieder auf Messen recherchieren", fasst Eva Werner (29), freie Mitarbeiterin beim Münchner Merkur und beim Bayerischen Rundfunk ihre Eindrücke zusammen. Eva Werner gehört zu den Nachwuchsjournalisten in Bayern e.V., ein Interessensverband, in dem sich Young Professionals aktiv zusammen getan haben. Sie nahm am Workshop BioFach-Presseagentur in Nürnberg und beim Pilotprojekt Bauma+Mining-Presseagentur in München teil.

Die Idee der Pilotagenturen ist eine Mischung aus Schreibwerkstatt und Messe-Informationsseminar mit Veröffentlichungsmöglichkeit für junge Journalisten. Die Pilotagentur sei eine Kombination "aus einem ,Crashkurs Messe' und einem Einblick in die Öffentlichkeitsarbeit eines weltweit tätigen Unternehmens", beschreibt Michael Wiesemann, Absolvent der Deutschen Journalistenschule in München seine Teilnahme an der Bauma+Mining-Agentur. Gewinner der Aktion sind beide Seiten: Die jungen Journalistenkollegen lernen das Arbeiten im Agenturstil sowie das Messewesen kennen, die Messe profitiert von einer Berichterstattung jenseits der eigenen PR-Arbeit. Dafür arbeiten die Nachwuchsjournalisten im Vorfeld und während der Messe in einem Redaktionsteam zusammen und erstellen Texte und Berichte aktuell von der Messe. Diese Texte werden den Redaktionen von Tages- und Fachpresse zum Abdruck zur Verfügung gestellt. Die Medienjugend lernt bei der Agenturarbeit die Möglichkeiten kennen, die Messen für journalistische Recherchen bereithalten. Außerdem eignet sich die Agenturarbeit bestens, um schnelles Recherchieren zu trainieren und Inhalte und Zusammenhänge im Agenturstil übersichtlich darzustellen.

Keine einfache Übung! Die Workshop-Teilnehmer werden daher von einer Messejournalistin begleitet, die regelmäßig in Tages- und Fachzeitschriften über Messen berichtet. Alle Texte werden gemeinsam redigiert. Die Pilotprojekte kombinieren effiziente Informationsvermittlung mit der Eigeninitiative der Teilnehmer - aus didaktischer Sicht eine optimale Mischung für erlebnisorientiertes Lernen.
Markus Kaiser, Jungredakteur bei den Nürnberger Nachrichten und Mitorganisator des BioFach-Workshops, urteilt: "Ich hätte nicht gedacht, dass die Messe ein derart lebendiger, nach eigenen Gesetzen funktionierender Betrieb ist. Vom Messebetrieb hatte ich zuvor keinerlei Vorstellungen. Dass dies ein eigener großer Wirtschaftsfaktor ist, war mir erst nach der BioFach bewusst." Für die Messegesellschaft ein durchaus erwünschter Nebeneffekt. Im Vorfeld der BioFach informierte das Messeteam - von Pressesprecher Peter Ottmann über BioFach-PR-Chefin Petra Trommer bis zur Projektleiterin Heike Slotta - die Redaktionstruppe während eines Tages. Als Referenten begleiteten die Wirtschaftskorrespondentin der Süddeutschen Zeitung in Nürnberg, Marion Nobbe, und der dpa-Wirtschaftsredakteur, Stephan Mauerer, das Projekt. Im Anschluss an den Informationstag legten die Teilnehmer eine Themenliste fest. Dabei entstanden auch neue Ideen für die Pressearbeit.

Zu den frei gewählten Themen kamen Berichte und Artikel, die von der Messe oder den Redaktionen im Vorfeld bestellt worden waren. Die rund 30 Meldungen und Kurzberichte wurden aktuell auf der Homepage www.BioFach.de unter dem Stichwort "Presseagentur" veröffentlicht und den Redaktionen von Tages-, Publikums- und Fachzeitschriften kostenfrei zum Download angeboten. Sie kamen bei den Medien so gut an, dass rund ein Dutzend Texte von Redaktionen übernommen und abgedruckt wurde. Höhepunkt war ein ganzseitiger Bericht in einer Fachzeitschrift, der sogar einen ausführlichen Hinweis auf das Nachwuchsjournalistenprojekt veröffentlichte. Ein Imageplus, mit dem sich die Nürnberger schmücken können.

Auf eines müssen sich die Messegesellschaften allerdings einlassen: Die Berichterstattung soll journalistisch sein, die Agentur will sich nicht als verlängerter Arm der Presseabteilung verstanden wissen. Handelt es sich doch um eine Presse- und nicht um eine PR-Agentur. "Im Team haben wir genauso journalistisch und vor allem kreativ arbeiten können, als wären wir freie Mitarbeiter einer Zeitung oder Zeitschrift. Selbst heikle Themen waren möglich", beurteilt Katja Mitic, Absolventin der Deutschen Journalistenschule in München, ihr Mitwirken bei der Bauma+Mining-Pilotprojekt-Presseagentur. Auch in München standen Pressesprecher Ullrich Esser und Bauma+Mining-PR-Chefin Ebba Schiel samt ihrem Team bei einem Vorbereitungstreffen der Redaktion Rede und Antwort. Die Texte werden unter Berücksichtigung journalistischer Grundsätze recherchiert und erstellt. Dabei lernen die Jungjournalisten auch die Pressearbeit von Messen kennen: "Die Pressearbeit der Messe war meiner Meinung nach gut, die Mappen umfassten Reden, Zusammenfassungen und Pressemitteilungen wichtiger Unternehmen - alles was ein Journalist braucht", lobt Mitic die Münchner. "Der intensive Kontakt vermittelte ein eindrucksvolles Bild von der Tätigkeit bei einer Messe. Bisher konnte ich mir nicht vorstellen, wie viel Arbeit dahinter steckt, bei den Ausstellern, bei den Organisatoren und bei den Pressevertretern", bringt es Teilnehmer Matthias Rose auf den Punkt.

Weniger positiv äußern sich die Jungen über die Pressearbeit von Ausstellern und Verbänden: "Die Aussteller und Verbände haben noch viel aufzuholen. Sie sind häufig eher überrascht, dass sich die Medien für sie und ihre Produkte interessieren", so Kaiser über die BioFach. Die Nachwuchsjournalisten empfehlen: Die Aussteller sollten sich schon im Vorfeld Gedanken machen, was für die Presse interessant sein könnte und welche Fragen von Pressevertretern gestellt werden könnten. Besonders die Pressearbeit der Verbände geriet ins Visier: "Beim Verband schienen die inhaltlichen Ressourcen zwar vorhanden. Bei der Aufbereitung der Informationen für Journalisten bleibt viel Potenzial allerdings noch ungenutzt. Die Anforderungen von Redaktionen (zeitnahe Antwort auf Anfragen, Aufarbeitung aktueller Themen) sollten noch stärker berücksichtigt werden", lautet die Empfehlung eines Bauma+Mining Presseagentur-Mitarbeiters. Eine Kollegin sagt: "So wie ich die Pressearbeit des Verbandes erlebt habe, glaube ich, dass er nicht erkennt, welche Chancen in der Pressearbeit stecken." Oft seien die Ansprechpartner nicht richtig vorbereitet gewesen, konnten Zahlen nicht benennen oder wussten nicht, woher sie die gewünschten Informationen nehmen sollten. Insgesamt vermittle die Pressearbeit von Ausstellern und Verbänden den Eindruck, dass sie eher reagiere als agiere: "Wenn sich der Verband mehr Präsenz außerhalb der Fachpresse wünscht, dann sollte er im Vorfeld der Messe Themen erkennen, sich für Anfragen von "Nicht-Fachjournalisten" rüsten oder gar selbst Themen setzen."

Die Teilnahme an den Pilotprojekten bewirkte bei den jungen Journalistenkollegen, dass sie das Medium Messe künftig anders wahrnehmen werden. Für Einige steht fest, "dass Messen einen größeren Stellenwert in der Berichterstattung in den Medien erhalten sollten. Fachmessen spiegeln die wirkliche wirtschaftliche Situation der Industrie wieder. Anhand des Besucherinteresses und der Ausstellerzahlen lassen sich vernünftige Schlussfolgerungen für diesen Industriezweig bilden. Außerdem ist es anhand der Messe möglich auch eher unpopuläre Branchen in die Öffentlichkeit zu bringen", urteilte Teilnehmerin Corinna Bremauer abschließend. Die gute Resonanz beflügelt die Veranstalter NürnbergMesse und Messe München, ihr Engagement mit den Nachwuchsjournalisten fortzusetzen. Weitere Projekte, beispielsweise in Zusammenarbeit mit der Deutschen Journalistenschule in München sind derzeit in Vorbereitung.
Petra Schmieder

m+a report Nr.4 / 2004 vom 11.06.2004
m+a report vom 11. Juni 2004