Für eine Hand voll Tickets

Das Interesse geht zurück, der Verkauf von Besucherkarten verliert für IHKs und Messen an Bedeutung. Während die ersten Kammern sich bereits aus dem Geschäft zurück gezogen haben, ist auch vielen Messen der Vertrieb über die IHKs zu mühselig.

Der Verkauf von Besuchermessekarten büßt für die Industrie- und Handelskammern mehr und mehr an Bedeutung ein. Mit der IHK Nordschwarzwald und der IHK Berlin haben sich bereits zwei Kammern komplett aus dem Geschäft zurückgezogen. Bei anderen IHKs wird der Service derzeit überdacht: "In der Tat haben wir in der IHK für München und Oberbayern schon mehrmals darüber nachgedacht, den Messekartenverkauf einzustellen", sagt eine Sprecherin der IHK München. "Sollte das Interesse in Zukunft weiter zurückgehen, werden auch wir den Verkauf der Karten sicherlich stoppen."
Auch für Karin Zeni, Geschäftsführerin der IHK Frankfurt, wäre es immerhin langfristig denkbar, den Service einzuschränken: "In jedem Fall werden wir weiterhin Karten für unsere Frankfurter Veranstaltungen verkaufen. Die Frage ist, ob wir uns einmal aus dem Verkauf für Messen zurückziehen, die nur eine sehr geringe Menge über uns absetzen." So sei es mit Blick auf die Abwicklung ein ähnlich großer interner Aufwand fünf Karten zu verkaufen wie 200 Karten.
Generell nimmt der Absatz der Karten bei den Frankfurtern "durch die Bank" ab, wie Zeni sagt. So seien 2001 noch 4500 Karten für 20 Messen an den Messebesucher gebracht worden. Vergangenes Jahr waren es aber nur noch 1506 Karten für zehn Messen. Die größten Kontingente gingen 2006 für die Frankfurter Konsumgütermessen über den Tresen: 623 für die Ambiente (2005: 675) und 353 für die Tendence Lifestyle (2005: 502).
Nicht anders sieht es bei der IHK für München und Oberbayern aus: Seit 2003 ist der Verkauf um 40 % gesunken. Im vergangenen Jahr wurden gerade noch rund 220 Karten nachgefragt (bei rund 310 000 Mitgliedsunternehmern).
Ähnliche Entwicklungen verzeichnet auch Hubert Spannagel, Leiter Geschäftsbereich Dienstleistungen bei der IHK Nordschwarzwald: "Die Anzahl der verkauften Karten ist in letzter Zeit mehr und mehr zurück gegangen. In den vergangenen Jahren pro Messe zwischen 15 und 30 %."
Nach Meinung von Sabine Gehrig, derzeit stellvertretende Leiterin des Servicebereichs der IHK Berlin, hat der Verkauf der Messekarten über die Schalter der IHKs seine Bedeutung verloren: "Ich kann mich noch an den regen Andrang im Vorfeld der CeBIT vor einigen Jahren erinnern: Die Leute wollten damals nicht in den Schlangen in Hannover warten. Aber heute sind sie wegen des Internets nicht mehr auf uns angewiesen."
Finanziell lohnt sicher der Aufwand der IHKs kaum. Die rund 20-prozentige Provision, welche die Industrie- und Handelskammern auf den Vorverkaufspreis erheben, sei jedenfalls nicht kostendeckend, heißt es aus München. "Ich glaube, dass sich die IHKs mehr und mehr zurückziehen werden. Der Aufwand ist groß und steht nicht im Verhältnis zu den Erlösen", sagt Andreas Bade, Abteilungsleiter Besucherservice bei der Deutschen Messe AG in Hannover. Das scheint im Übrigen nicht nur für die IHKs zu gelten, sondern auch für die Messen. So hat die Koelnmesse beispielsweise den Kartenvertrieb über die IHK Frankfurt von sich aus eingestellt und die NürnbergMesse verkauft ihre Tickets generell nicht über die IHKs. Entsprechend hat der Rückzug der IHK Nordschwarzwald und der IHK Berlin nicht gerade ein Beben in der Messebranche ausgelöst. "Mir liegt von den Messen überhaupt keine Reaktionen auf die Einstellung des Verkaufs vor", sagt IHKler Spannagel. Auch die Messe in der Hauptstadt sieht den Rückzug "ihrer" IHK gelassen: "Wir haben unsere Messekarten gar nicht über die IHK Berlin verkauft", heißt es von der Messe Berlin.
Zuletzt hatte die IHK Berlin nur noch Karten für die Messe Leipzig und die Frankfurter Paperworld im Portfolio. Michael Reichhold, Objektleiter Paperworld, muss dennoch keinen Besucherrückgang bei seiner Veranstaltung befürchten: "Rechnet man die Eintrittskarten zusammen, die über sämtliche IHKs, Handwerkskammern und Verbände verkauft werden, macht dieser Anteil 2 % der verkauften Paperworld-Karten aus", sagt er gelassen. "Wir bieten mit unserem Online-Ticket-Service eine äußerst komfortable und günstige Alternativlösung. Ich glaube, dass die Tendenz ohnehin in Zukunft deutlich in Richtung Online-Ticket gehen wird." Mit dieser Meinung steht Reichhold nicht alleine da. "Das Thema Internet wird noch weiter an Attraktivität gewinnen", sagt auch Deutsche Messe-Mann Bade. "Man wird die Tickets zudem noch stärker mit zusätzlichen Funktionen aufladen, schon heute können viele Tickets als Fahrkarten für den Nahverkehr genutzt werden". Zudem solle in Zukunft auch die elektronische Gästekarte verstärkt angeboten werden. Gemeinsam mit T-Mobile hat Bade zudem Testreihen in Sachen Mobile-Ticketing gestartet. Hierbei sollten Interessierte ihr Billet direkt via Handy ordern können.
Ob das Thema Handy-Ticket an Bedeutung gewinne, sei allerdings noch nicht absehbar, meint Bade und hebt hervor, dass eine Messe für viele Besucher ein relativ seltenes Ereignis sei. "Der Aufwand, sich in die Bedienung einzuarbeiten, ist aber zu groß, wenn man einmal im Jahr ein Messeticket ordern will. Aber wir beobachten das Thema weiter."
Bade hat in der Vergangenheit auch andere innovative Kanäle getestet. So konnten Besucher der Hannover Messe ihre Karten vergangenes Jahr an den Ticketautomaten der Deutschen Bahn lösen. "Wir haben noch nicht entschieden, ob wir dieses Projekt weiterverfolgen, zurzeit gibt es an den DB-Automaten aber keine Messe-Tickets mehr." Auch hier sei der Aufwand relativ hoch, es bestehe zudem ein Risiko für die Besucher, da sie sich später im Eingangsbereich der Messe als Fachbesucher ausweisen müssen. "Können sie das nicht, riskieren sie, nicht eingelassen zu werden", sagt der Hannoveraner Bade.
Den höchsten Deckungsbeitrag erzielt Bade mit Tageskarten, die rund 20 % der verkauften Besucherkarten ausmachen, aber auch die Vergabe von Gästekarten (zwischen 40 % und 60 %) ist für ihn interessant, da hier große Kontingente abgenommen werden. Außerdem kann er aufgrund der georderten Gästekarten eine Prognose darüber abgeben, wie hoch das Besucheraufkommen auf der jeweiligen Veranstaltung sein wird. 20 % der Karten setzt er zudem durch den Vorverkauf via Reisebüros und den Online-Ticketshop ab. Bleiben etwa 5 % für den Verkauf über die IHKs - Tendenz sinkend. Bade: "Vor zehn Jahren waren es noch fast doppelt so viele".
Markus Ridder

m+a report Nr.1 / 2007 vom 13.02.2007
m+a report vom 13. Februar 2007