Klein aber oho

Die privaten Messeveranstalter glauben, dass sie die erfolgreicheren Publikumsmessen organisieren. Durch Kooperationen wollen sie auch die Großmessen an ihrem Know-how teilhaben lassen.

Verbrauchermessen sind bei den kleineren, privaten Messeveranstaltern besser aufgehoben. Das zumindest ist die These von Peter Kinold, Geschäftsführer der Kinold-Ausstellungsgesellschaft im bayerischen Lindau-Bodolz. Der Grund: die Flexibilität der Kleinen, die höhere Wertschätzung der Consumer-Messen und das bessere Verständnis des Verbrauchers. "Die Großmessen konzentrieren sich vor allem auf internationale Veranstaltungen und auf Fachmessen", sagt Kinold: "Auf die Consumer-Messen legen sie keinen großen Wert - entsprechend schlecht ist die Performance."
Kinold bekommt Schützenhilfe aus dem Kollegenkreis: "Dort, wo die Spezialisten am Werk sind, klappt es besser", sagt Christoph Hinte, Geschäftsführer des gleichnamigen privaten Veranstalters in Karlsruhe. So seien die internen Standards, mit denen die Großmessen ans Werk gehen, nur schwer auf Verbraucherausstellungen zu übertragen. "Verbrauchermessen müssen am Markt entwickelt werden. Das betrifft auch das Marketing: Die Ansprache muss die kleinen Betriebe in den Blickpunkt nehmen. Auf diese Themen muss man organisatorisch vorbereitet sein." Wenn man im Prozessmanagement mit Standards komme, die eher auf spezialisierte Fachmessen ausgerichtet sind, drohe das Scheitern.
Auch sein mitstreiter auf dem Verbraucherparkett, Kinold, sieht im Messemarketing einen der Knackpunkte, weshalb die Consumer sich bei von Großmessen veranstalteten Schauen eher zurückhalten: "Für eine Verbrauchermesse zu werben ist alles andere als einfach. Man muss in der Lage sein, mit wenig Geld hohe Effizienz zu erzeugen." Die Großmessen wüssten aber mit kleinen Etats nicht umzugehen. Zudem gehe es um das Verständnis der Konsumenten, die sich eben nicht nur aus internationalen Städtern rekrutieren. Kinold sieht die in Frankfurt gescheiterte Verbraucherschau Lifetime als Beispiel: "Mit dem englischen Titel kamen zwar die Städter klar, aber nicht das Frankfurter Umland."
Und noch einen strukturellen Nachteil hätten viele Großmesseplätze, stellen die Experten fest: Da es zum Launch immer speziellerer Fachveranstaltungen komme, litten die Konsumentenevents. Allzu häufig verlören die Verbrauchermessen wichtige Themen, wenn Spezialmessen an den Start gingen. Als eines der Negativbeispiele wird immer wieder die IBO in Friedrichshafen angeführt, die seit Jahren unter Besucher- und Ausstellerschwund leidet. Parallel entwickeln sich hingegen andere Themen am Bodensee prächtig. Doch Messen wie die Motorradwelt, die Eurobike, die Interboot sind natürlich auch für den Verbraucher interessant. Und wieso soll dieser neben den Spezialveranstaltungen auch noch die allgemeine Verbrauchermesse besuchen?
Christoph Hinte stellt fest: "Die Bedeutung einer Verbrauchermesse in einem übersättigten Portfolio hochzuhalten, ist eine Ding der Unmöglichkeit." Kinold sekundiert: "Der Verbraucher will auf seiner Messe die ganze Vielfalt neuer Produkte sehen - er will auf seiner Messe alles sehen." Und wo er nicht alles bekommt, bleibt er eben daheim, oder geht ins Kino, oder flaniert über Fußgängerzonen oder in den Einkaufsmalls. Die Möglichkeiten, vor allem in den großen Städten, werden immer vielfältiger - auch das könnte ein Grund sein, warum sich auf der Rheinschiene und in Frankfurt am Main langfristig keine größere Verbraucherausstellung halten konnte. Allerdings zeigen Hannover, Essen, Leipzig und Hamburg, dass auch in Zentren erfolgreiche Consumer-Shows möglich sind.
So uneinheitlich die Entwicklungen auf den Großmesseplätzen sind, so einig sind sich die Experten über die notwendige Ausrichtung der Veranstaltungen: "Das Prinzip der Verbraucherausstellung bleibt nach wie vor dasselbe: Der Verbraucher will anfassen, sehen, hören, riechen, ausprobieren", sagt Carola Schwennsen, Geschäftsführerin bei Fachausstellungen Heckmann in Hannover. "Dennoch: Der Erlebnisfaktor wird für die Messen immer wichtiger. Mit der reinen Veranstaltung ist es heute nicht mehr getan. Der Verbraucher erwartet, dass er immer etwas Neues geboten bekommt."
Kinold sieht die derzeit in den USA aus dem Boden sprießenden Science Center als Vorbild, "wo man selbst an Knöpfen drehen kann und in neue Welten eintaucht". Vor allem Kinder wollten im wahrsten Sinn des Wortes begreifen können. "So muss es auch auf der Messe sein." Heiko Könicke, Geschäftsführer der AFAG in Nürnberg, hat mit seinen so genannten "Themenparks" auf die Entwicklung reagiert. So war auf der Frühjahrsausstellung AFA bereits zum wiederholten Male die "Easy-Living"-Welt zu sehen, die eine komplette Halle mit 6000 m2 auf dem Augsburger Messegelände füllt.
Der Themenpark wurde von den Lechwerken und den Stadtwerken Augsburg initiiert. Die AFAG tritt als konzeptioneller Partner auf und deren Eventabteilung übernimmt auch den Aufbau. "Der Themenpark ist eine Art Messe in der Messe zum Thema Energie und Energiesparen", erklärt Könicke. In der Mitte gibt es eine Aktionsebene mit Vorträgen und Präsentationen, auch mit überregionalen Experten. Rund 100 Partner präsentieren sich hier pro Veranstaltung", sagt Könicke. Eine Kannibalisierung mit traditionellen Ausstellern gebe es nicht: "Das sind hauptsächlich neue Kunden."
Jetzt will Könicke auf der AFA im März einen Gesundheitspark mit einem ähnlichen Konzept einrichten, zunächst in einer halben Halle. Teilnehmen sollen unter anderem die Pharmaindustrie, Verbände und Kliniken. Mit dem Konzept konnte der Messemacher immerhin die Zahlen bei Fläche und Ausstellern in den letzten beiden Jahren konstant halten und die Besucherzahlen leicht auf rund 88 000 steigern. Zur kommenden AFA will er wieder deutlich zulegen. "Wir spüren derzeit eine steigende Flächennachfrage bei den Ausstellern. Was im Frühjahr auf uns zukommt ist gigantisch."
Solche Aussagen hat man lange nicht mehr von den Organisatoren der Consumer-Shows gehört. Denn mit der anhaltenden Einzelhandelsflaute in den vergangenen Jahren entwickelten sich auch die Tempel des Konsums zu Sorgenkindern: Die Verbraucherausstellungen. "Die Krise begann 2001", diagnostiziert Kinold und fasst zusammen: "Die Konjunktur bekam einen Knick, die Wiedervereinigungseuphorie war zu Ende und auch der 11. September hat seine Spuren hinterlassen." Die Entwicklungen habe schließlich auch die Verbraucher irritiert. "Es kam zu einer Art Spiraleffekt, der sich besonders negativ auf die Verbrauchermessen ausgewirkt hat."
Mit der anspringenden Konjunktur erhoffen sich die Privaten jetzt auch ein Wiedererstarken der Verbrauchermessen. Damit auch die Großmessen hiervon profitieren, will Kinold in den kommenden Monaten und Jahren verstärkt auf Zusammenarbeit drängen: "Die Zukunft liegt in der Kooperation zwischen kleinen Veranstaltern und großen Messen. Wir führen hierüber derzeit intensive Gespräche", sagt er und deutet an, dass der erste Deal bereits in trockenen Tüchern ist.
Doch nicht immer ist das Gebaren zwischen privaten und staatlichen respektive städtischen Playern partnerschaftlich. Erst Ende vergangenen Jahres musste Heckmann-Chefin Carola Schwennsen erfahren, was es bedeutet, wenn die Messeplätze ihre Macht ausspielen. 37 Jahre organisierte sie die HAFA in Bremen, der Terminplan stand bis 2010, doch dann wollte die Messe- und Ausstellungsgesellschaft Hansa (MGH) plötzlich keinen weiteren Folgevertrag mehr bewilligen. Stattdessen will Messechef Hans-Peter Schneider jetzt eine eigene Publikumsveranstaltung unter dem Titel HanseLife starten - zum HAFA-Termin.
"Die Messe nutzt ihre Monopolstellung aus und greift auch auf unsere Kundenstrukturen zurück", beschwert sich Schwennsen über das Vorgehen. Abgeschrieben hat sie ihre Messe aber noch nicht; sie will gegen das "schlechte kaufmännische Verhalten" der Bremer Messe klagen: "Wir sehen unsere rechtlichen Chancen nicht schlecht." Dabei hätte es soweit nicht kommen müssen. "Wir hätten uns durchaus eine Kooperation mit Bremen vorstellen können."
Markus Ridder

m+a report Nr.1 / 2007 vom 13.02.2007
m+a report vom 13. Februar 2007