Kommentar m+a NEWSLINE Nr. 8 / 2005 vom 14.04.2005

HannoverMesse: Schröder und Putin gemeinsam auf dem Trecker, das sind Bilder, wie die Medien sie lieben. Betrachtet man die Presseresonanz, dann scheint auf den ersten Blick alles im Lot. Da wurden milliardenschwere Abschlüsse mit Russland getätigt. Das Geschäft, so scheint es, brummt. Schön für deutsche Unternehmen, die in der gelenkten Demokratie einen Fuß in der Tür haben. Es ist der Exportnation Deutschland zu wünschen, dass es in diesem Bereich aufwärts geht. Um den Export anzukurbeln, ist das Großereignis in Niedersachsen mit Sicherheit bestens geeignet. Wie und ob überhaupt sich der Schulterschluss mit Russland auf die Wirtschaftslage und Stimmung in Deutschland selber auswirken wird, bleibt abzuwarten. Bislang hat niemand glaubhaft versichert, dass die Geschäfte dort hierzulande auch nur einen Arbeitsplatz mehr schaffen werden.

Noch eine Branche steht außerhalb Deutschlands besser da als im Land selber: die Baubranche. Pleiten wie jüngst die von Walter Bau machen aber deutlich, dass das Baugeschäft noch lange nicht gesund geschrumpft ist. In kaum einer zweiten Branche gibt es daher zurzeit so viel Bewegung wie bei den Baufachmessen. Neue Konzepte wie die Zusammenarbeit von Nürnberg und Essen, Zusammenlegung artverwandter Bauthemen und Terminverschiebungen kennzeichnen das Geschäft. Trotzdem: Die deutsche Baulandschaft ist marode. Abriss statt Aufbau ist der Trend vor allem in Ostdeutschland. Sollte Otto Normalverbraucher von den großen Geschäften (siehe oben) nicht bald selber etwas spüren, und sei es, dass sein Arbeitsplatz sicherer wird, dann wird zumindest im privaten Bausektor weiterhin tote Hose herrschen.

Andere Probleme quälen dagegen die Buchmessemacher. Ihnen stößt jetzt schon sauer auf, dass zur Messe im Oktober die Preise für Hotelbetten wieder schwindelerregende Höhen erreichen werden. Recht haben sie. Wenn das Zimmer statt 85 EUR über Nacht plötzlich 180 EUR kostet, dann ist das Beutelschneiderei. Andererseits ist das zumindest in Frankfurt kein System, um arme Poeten auszunehmen, sondern Usus bei jeder größeren Messeveranstaltung. Die Nachfrage regiert das Angebot. Das war schon im Mittelalter so. Pilger und Kaufleute wurden schon immer ausgenommen und stöhnten über hohe Preise für verlauste Betten und schlechtes Essen.Außerdem, selbst beim Tod des Papstes funktionierte das System: Der Espresso in Rom verteuerte sich um ein Vielfaches in der Zeit vor der Beerdigung. So fromm ist dann keiner, dass er sich ein gutes Geschäft entgehen lässt.annic.kolbrueck@dfv.de

m+a NEWSLINE Nr.8 / 2005 vom 14.04.2005
m+a NEWSLINE vom 14. April 2005