Die Internationale Messe Plovdiv muss wachsen

Das verkehrsgünstig an der Schnittstelle zwischen Europa und Asien gelegene Bulgarien entwickelt sich seit einigen Jahren wirtschaftlich stark und wird für international operierende Unternehmen als Produktions- und Vertriebsstandort zur Erschließung Südosteuropas immer interessanter.

Bulgariens zweitgrößte Stadt Plovdiv liegt geostrategisch günstig in der thrakischen Ebene an der Kreuzung traditioneller Handelswege von der Nordsee zum Schwarzen Meer und von der Ostsee zum Mittelmeer. Seit im Jahr 1892 dort erstmals eine Industrie- und Landwirtschaftsausstellung abgehalten wurde, ist die Stadt der Messeort Bulgariens. Die Internationale Messe Plovdiv verfügt über das größte Messegelände auf dem Balkan, mit einem modernen Kongresszentrum, 24 Ausstellungshallen und weitläufigen Freiflächen. In diesem Jahr begeht sie das 70. Jubiläum ihrer Mitgliedschaft in der Global Association of the Exhibition Industry UFI. Jeweils im Frühjahr und im Herbst eines jeden Jahres internationalisiert sich Plovdivs Atmosphäre spürbar, wenn Aussteller und Besucher aus der ganzen Welt in die Stadt kommen, um ihre Produkte zu präsentieren und Handel zu treiben. Knapp einhundert Tage vor Bulgariens EU-Beitritt zum Januar 2007 musste die 62. Internationale Technische Messe vom 25. bis zum 30. September vor den Toren des Messegeländes eröffnet werden, weil die knapp 100 000 m2 Ausstellungsfläche von 3548 Ausstellern aus 49 Ländern vollständig beansprucht wurden: "Wenn das so weiter geht", scherzte der bulgarische Wirtschafts- und Energieminister Rumen Ovtscharov, "müssen wir die Herbstmesse künftig vom Ufer der Maritza aus eröffnen."
Über hundert Unternehmen habe er abweisen müssen, weil er ihnen keine angemessene Ausstellungsfläche anbieten konnte, bedauerte der Direktor der Plovdiver Messegesellschaft Iordan Radev und kündigte umfangreiche Umbau- und Erweiterungsvorhaben an. Radev hält hierfür eine Änderung der Eigentümerstruktur der bisher vollständig staatlichen Messegesellschaft für notwendig; sowohl die Stadt Plovdiv als auch private Investoren könnten sich an der Erhöhung des Unternehmenskapitals zur Finanzierung der Entwicklung der Messe beteiligen. Gegenwärtig sind ein Messehotel und ein Parkhaus in Bau.
Die Plovdiver Herbstmesse gilt als wichtigste Investitionsgüterschau Südosteuropas. Sie präsentiert sich seit einigen Jahren nach dem Vorbild der Hannover Messe als ein Bouquet aus zehn Spezialmessen. Auch in diesem Jahr war die dem Maschinenbau gewidmete Machine Building mit 1131 Ausstellern aus 35 Ländern die größte Einzelmesse vor der Stroytech - The City zur Architektur und Bauwirtschaft und der Autotech für die Automobilzuliefererindustrie. Aufgrund des in ganz Südosteuropa eklatanten Nachholbedarfs in Sachen Umweltschutz und Infrastruktur haben auch die übrigen Leistungsschauen gute Entwicklungschancen: Aquatech für Wassermanagement und -technologie, Chemical für die Chemiewirtschaft, Eltech für Elektronik und Elektroingenieurbau, Eneco für Energiewirtschaft und Ökologie sowie Infotech für Informationstechnologie und PC-World für Software. Beim bulgarischen Publikum besonders beliebt ist der Autosalon Motor Show Plovdiv, bei dem internationale Automobilhersteller ihre neuesten Modelle präsentieren. Ein umfangreiches Rahmenprogramm mit Kooperationsbörsen, Konferenzen und Fachseminaren rundet die Messe ab.
Naturgemäß kamen mit 1353 die meisten ausstellenden Unternehmen aus Bulgarien und traditionell war Deutschland auch in diesem Jahr mit 556 Firmen das am stärksten vertretende Gastland vor Italien und der Türkei, die sich als Offizieller Partner der diesjährigen Messe in zwei eigenen Hallen präsentierte. Wie schon auf den Veranstaltungen zuvor traten auch mehrere deutsche Bundesländer wie Bayern, Saarland, Hessen, Rheinland-Pfalz und die mitteldeutschen Länder mit Gemeinschaftsständen in Plovdiv auf.
Außer der Technischen Herbstmesse und der Frühjahrsmesse für die Konsumgüterindustrie verzeichnet das Plovdiver Jahresprogramm fünf weitere internationale Veranstaltungen, die mit dem Gütesiegel der UFI werben dürfen: die Landwirtschaftsmesse AGRA, die Messe für Weinanbau und Weinherstellung Vinaria, die der Medizin, Zahnmedizin und Balneologie gewidmete Messe Medicus, Dento, Galenia, die Druckereimesse Printcom und die Lebensmittelmesse Foodtech. Darüber hinaus gibt es eine Vielzahl weiterer Messen und Ausstellungen wie die dem Kunsthandwerk und der Kultur der Roma gewidmete Roma World vom 26. bis zum 29. Oktober.
Ist in Bulgarien mit Plovdiv auch eindeutig die zweitgrößte Stadt die Messehauptstadt des Landes, so wächst ihr in den letzten Jahren mit dem von der Agentur Bulgarreklama geführten Inter Expo Center (IEC) in Sofia ein zunehmend ernstzunehmender Konkurrent zu. Zwar ist der Ausstellungs- und Kongresskomplex IEC um ein vielfaches kleiner als der des Marktführers, doch ist der Veranstaltungskalender von Bulgarreklama, das seit 2004 Mitglied der UFI ist, kaum weniger umfangreich. Momentan wird das Gelände des Inter Expo Centers ausgebaut; im November soll eine vierte Ausstellungshalle fertig gestellt und damit die Ausstellungsfläche auf 20 000 m2 vergrößert werden. Zu bekannten Messen in Sofia zählen die gemeinsam mit dem Hamburger Unternehmen planetfair organisierte Baumesse Bulgaria Building Week im Frühjahr und die vom 31. Oktober bis zum 5. November stattfindende Bait Expo zur Informationstechnologie.
Ausgehend von vergleichsweise niedrigem Niveau entwickelt sich das verkehrsgünstig an der Schnittstelle zwischen Europa und Asien gelegene Bulgarien seit einigen Jahren wirtschaftlich stark und wird für international operierende Unternehmen als Produktions- und Vertriebsstandort zur Erschließung Südosteuropas immer interessanter. Aus diesem Grund und angesichts der fortschreitenden Integration Bulgariens in den Europäischen Binnenmarkt dürfen die bulgarischen Messeplätze in Plovdiv und Sofia für die kommenden Jahre weiterhin gute Wachstumsperspektiven erwarten. Frank Stier

m+a report Nr.7 / 2006 vom 27.10.2006
m+a report vom 27. Oktober 2006