Mentale Barrieren abgebaut

Seit der EU-Osterweiterung im Mai 2004 bewegt sich was innerhalb der Messewirtschaft der aufgenommenen Länder. Auf den Beitritt zur Staatengemeinschaft im Januar 2007 bereiten sich Rumänien und Bulgarien indessen rege vor.

Im Januar 2007 sollen auch Bulgarien und Rumänien zur Europäischen Union (EU) gehören. Einige Auflagen haben die Länder noch zu erfüllen. Dann steht dem Beitritt nichts mehr im Wege. Auch wenn es schwer wird, wie gefordert, etwa der Korruption kräftig entgegenzuwirken.
Ergeht es RomExpo oder den Messen in Sofia und Plovdiv dann ähnlich wie ihren Mitbewerbern der Länder, die bereits seit Mai 2004 zur Staatengemeinschaft gehören, können sie sich kräftig die Hände reiben. "Unabhängig vom bevorstehenden Beitritt Bulgariens in die EU hat sich die Anzahl insbesondere der ausländischen Aussteller auf Fachmessen in Plovdiv seit 2001 stetig erhöht", weiß Natalja Winges, Osteuropa-Expertin beim AUMA_Ausstellungs- und Messe Ausschuss der Deutschen Wirtschaft e.V., Berlin. 2005 wurde in Plovdiv ein neues Kongresszentrum eröffnet und der Messeverband BAFEO gegründet.
Die Entwicklung Sofias bleibt abzuwarten: Bislang finden im Inter Expo Center rund 30 Spezialmessen statt. Der Veranstalter, die Bulgareklama Agency, zählte auf ihnen im Jahre 2005 rund 2970 bulgarische und internationale Aussteller aus 35 Ländern. Rund 300 000 Besucher kamen.
Die Rumänen starten derweil durch: "Romexpo hat Verträge mit mehr als 20 ausländischen Vertretungen geschlossen. Deren Aufgabe wird es zukünftig sein, mehr ausländische Aussteller und Besucher nach Bukarest zu locken. In die Infrastruktur des Messegeländes wird ebenfalls kräftig investiert. Bestehende Ausstellungshallen werden modernisiert. Der Neubau einer weiteren Halle mit 12 000 m2 Ausstellungsfläche steht ebenfalls auf dem Programm", so Winges.
Durch die Bank um eine Profilschärfung ihres Fachmessen-Portfolios bemühten sich die Messegesellschaften in Rumänien und Bulgarien, ergänzt Franz Reisbeck, Vorsitzender der Geschäftsführung der GHM Gesellschaft für Handwerksmessen mbH, München, der im Jahr 2007 Präsident der Central Europe Fair Alliance CEFA wird. "Mehrbranchenmessen haben sich gesplittet und konzeptionell wie qualitativ verbessert. Das starke Interesse der westlichen Marktakteure an den hungrigen Hoffnungsmärkten in Südosteuropa kam ihnen dabei ebenso zustatten wie das Interesse ausländischer Direktinvestoren im Zuge der Privatisierungskampagnen." Branchenseitig betrachtet habe das insbesondere zu einem Aufblühen der Messelandschaft in den Sektoren Land- und Forstwirtschaft, Bauwesen, Verkehr und Transport sowie Umweltschutz und Sicherheit geführt. "Durch den Beitritt steigen natürlich die Beteiligungen aus den westeuropäischen Ländern", sagt Bretislav Fabián, Direktor des tschechischen Messeverbandes SOVA CR. Dass die Kontakte einiger Messegesellschaften in den Westen auch schon lange vorher bestens gepflegt worden waren und die hohen Beteiligungen mitunter auch daher rühren, fügt er hinzu. 1998 erwarb die Messe Düsseldorf beispielsweise 60 % der Messe Brünn. "Heute entfallen 80 % der tschechischen Messeaktivitäten auf Brno", sagt Winges. Lucie Zumrova, Marketingdirektorin der Messe Brünn, erklärt: "Das Prestige unserer Messegesellschaft ist ohne Zweifel gestiegen. Als Teil des Konzerns Messe Düsseldorf haben wir Zugang zu den ,höchsten Etagen' der europäischen Messeindustrie. Die Partnerschaft, die auf einer übereinstimmenden Firmenstrategie und dem gemeinsam genutzten Messe-Know-how basiert, schafft eine gute Marke." Den Kunden sei so gewährleistet, dass sie ein Serviceangebot vorfinden, das höchsten europäischen Standards genüge. "So kann Brünn auch nach dem Beitritt der neuen EU-Länder erfolgreich seine Rolle als Vermittler von Geschäften zwischen Firmen aus dem Westen und Besuchern aus dem Osten erfüllen", meint sie.
Ihre Erfahrung im tschechischen Messemarkt zur Verfügung zu stellen, kann sich auch die Deutsche Messe AG, Hannover, vorstellen. Ein finanzielles Engagement lehnen die Hannoveraner beim geplanten Ausbau des Geländes Letnany in Prag allerdings ab. Die Eigentümer ABF und die Stadt suchten lange einen Investor und scheinen ihn schließlich auch gefunden zu haben: Die SP Group, Prag, deren Chef Pavel Sehnal bereit ist, Geld auf den Tisch für die Umstrukturierung, die Erweiterung und die neuen Hallen zu legen. Mehrheitseigner ist die SP Group bereits. Doch wie so oft im Osten, wird wieder einmal auf Baugenehmigungen gewartet. Auch bei Incheba Praha ist ein Neubau geplant. Zunächst wird dort aber lediglich beobachtet, was der Wettbewerber in der tschechischen Hauptstadt zu Stande bringen wird.
Sind indessen die Prager Messen hauptsächlich regionaler Natur, punktet Brünn bei über 50 % seiner Fachveranstaltungen mit dem Prädikat "international". Was "international" für eine osteuropäische Messegesellschaft genau bedeutet, führt Grzegorz Turkiewicz aus Polen aus. Der stellvertretende Vorsitzende der Poznan International Fair beschreibt: "3000 internationale Unternehmen aus 60 Ländern nehmen jährlich an unseren Messen teil. Das ist mehr als die Hälfte (56 %) aller internationaler Aussteller Polens." Insgesamt nutzen rund 11 000 Unternehmen Posens Messen als Plattform. 315 000 Besucher kommen jedes Jahr. 54 % der jährlichen Gesamtstandfläche Polens werden hier vermietet. Turkiewicz ist überzeugt, dass der EU-Beitritt des Landes für die polnische Wirtschaft und auch die Messe Posen von großer Bedeutung war. "Mentale Barrieren zwischen Polen und den westeuropäischen Ländern konnten endlich abgebaut werden", freut er sich. Neben einer Zunahme westeuropäischer Unternehmen seien auch spürbar mehr Russen, Ukrainer und chinesische Firmen zu verzeichnen. "Unternehmer sind sich der hohen Aufnahmefähigkeit des wachsenden polnischen Marktes für ihre Produkte und Dienstleistungen bewusst." Den Veranstaltungen der alten Handelsstadt kommt das zu gute, zumal sie von jeher Zentrum von Industrie, Handel und Forschung Polens ist. Sie bleibt zwar die unangefochtene Messestadt Nummer Eins, doch auch in Warschau finden mehr und mehr Messen statt. Hauptveranstalter sind das Biuro Reklamy Poland S.A. Warsaw Exhibition Board, Miedzynarodowe Targi - Polska Sp. z o.o. und Expomedia Poland. Seit September 2001 finden die rund 50 Messen pro Jahr auch Platz im 10 000 m2 großen Warsaw Expo Centre XXI. Daneben steht der Palast für Kultur und Wissenschaft zur Verfügung.
Der positive Einfluss des EU-Beitritts lässt sich auch statistisch belegen: Stellten laut polnischem Messeverband PVK im Jahr 2003 noch 24 009 Unternehmen aus, waren es im Jahr 2005 bereits 27 630. Turkiewicz bestätigt, dass "die Anzahl der Aussteller schneller wächst, als die verfügbare Nettoausstellungsfläche." Im Jahr 2003 konnten 438 190 m2 umgeschlagen werden, 2005 stieg die Zahl um 12 % auf 525 100 m2 an. "Mit einem Rekordanstieg um 24 % zu 2004 wurden auf den Messen in 2005 mehr als 918 000 Besucher erfasst", ergänzt Osteuropa-Expertin Winges. Insbsondere Polen war es wichtig, wieder einmal ein Plus vor allen Kategorien schreiben zu können. 2003 berichtete der AUMA noch: "Seit 1999 hat die polnische Messewirtschaft durchgehend rückläufige Umsätze verzeichnen müssen." Was im Großen gilt, verändert auch den Status einzelner Veranstaltungen. Turkiewicz greift zur Veranschaulichung aus dem Portfolio Posens die Möbelmessen Furnica und Meble heraus: "Sie konnten dieses Jahr um 35 % zulegen." Die polnische Möbelproduktion sei sehr modern, gut ausgerüstet und stark auf den Export ausgerichtet. "Möbelfirmen wollen expandieren und sehen in Fachmessen ein gutes Medium."
Kaum Veränderungen zwischen den Jahren 2003 und 2005 gibt es hingegen in der Slowakischen Republik. Weder beim Agrokomplex Nitra noch bei Incheba Bratislava gab es den EU-Osterweiterungsschub: Beide Messegesellschaften verbuchen laut Centrex - the International Exhibition Statistics nach wie vor rund 100 000 m2 Nettoausstellungsfläche, zählen ungefähr 2800 Aussteller im Jahr und begrüßen 270 000 Besucher.
Und das, obwohl das Bruttoinlandsprodukt jährlich um 6 % wächst. Vielleicht braucht das knapp 50 000 km2 große Land einfach noch Zeit, um den wirtschaftlichen Aufschwung auf bereits bestehende und dann neu entstehende Messeplattformen zu projizieren. Franz Reisbeck ist sicher: "Mag auch die Infrastruktur mancherorts mit dem vollzogenen Wandel in den Köpfen mangels Finanzmasse noch nicht Schritt gehalten haben, so ist es nach meiner Überzeugung nur noch eine Frage relativ kurzer Zeit, bis sich die Verhältnisse angeglichen haben."

m+a report Nr.7 / 2006 vom 27.10.2006
m+a report vom 27. Oktober 2006