Streit um die Kölner Messehallen spitzt sich zu

Die EU leitet ein Verfahren gegen die Bundesrepublik wegen Verletzung des Vergaberechtes ein. Die Frage der Ausschreibung ist nicht die einzige Ungereimtheit rund um den Neubau der vier Messehallen im Stadtteil Deutz.

Der Neubau der Kölner Messehallen kommt nicht aus den Schlagzeilen. DerStreit um die Auftragsvergabe an einen geschlossenen Immobilienfonds der Oppenheim-Esch-Holding hat nun auch die Europäische Union (EU) auf den Plan gerufen. Und die setzt Deutschland respektive die Stadt Köln unter Druck. Denn Brüssel hat gegen die Bundesrepublik jüngst ein Vertragsverletzungsverfahren wegen Verstoßes gegen das europäische Vergaberecht eingeleitet. Nach Auffassung der zuständigen EUKommission hätte der Auftrag öffentlich ausgeschrieben werden müssen - und zwareuropaweit. Dies war Ende 2003 aber nicht geschehen. Das eröffnete Verfahren kann in letzter Instanz zu einer Klage vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) führen, wo bei einem Schuldspruch Strafgelder in Millionenhöhe drohen. Die Bundesrepublik hat nun zwei Monate Zeit für eine Stellungnahme.
Die Kommission wertet die Verträge zwischen Messe, Stadt und Esch-Fonds - dahinter verbirgt sich ein Zusammenschluss von Europas größter Privatbank, der Kölner Sal. Oppenheim, und dem Immobilienentwickler Josef Esch aus dem rheinischen Troisdorf - als Bauauftrag einer öffentlichen Stelle. Entsprechend gälten die Vorschriften für die Vergabe öffentlicher Aufträge. Die Bundesrepublik und die Stadt Köln aber sehen das anders und sprechen von sehr weiter Rechtsauslegung seitens der EU. "Wir haben das geprüft. Europarechtlich, vergaberechtlich und wettbewerbsrechtlich ist alles einwandfrei", sagt Stadtkämmerer Peter Soénius. Nach seiner Auffassung stehen die Parteien lediglich in einem Mietverhältnis zueinander. Und in der Tat mietet die Stadt die von Oppenheim gebauten neuen Nordhallen, um sie anschließend an die Koelnmesse weiterzuvermieten.
Die EU lässt diese Argumentation jedoch nicht gelten. Sie weist darauf hin, dass für den Neubau der Messehallen seitens der Stadt genaue Vorgaben gemacht wurden und sie damit kaum als einfacher Mieter zu betrachten sei. Kommunalrechtsexperten sehen es ähnlich: "In dem vorliegenden Fall handelt es sich um den misslungenen Versuch, die Auuschreibungspflicht zu umgehen, indem der Auftrag als Mietgeschäft betitelt wird", sagt etwa Jan Byok. Der Sachverständige spricht in diesem Zusammenhang von einem rechtswidrigen Umgehungstatbestand. Einige Lokalpolitiker befürchten nun einen Imageschaden für die Stadt. Und auch Messechef Jochen Witt hattenach Informationen des m+a-reports vor den Vertragsbedingungen gewarnt und zumindest eine eingehende Prüfung wegen möglicher Ausschreibungspflichten angemahnt.
Wie in der Stadtspitze sieht auch Oppenheim die ganze Sache gelassen. "Wir kommentieren die aktuelle Situation nicht", heißt es von den Projektfinanziers. Und dazu bestehe auch gar kein Grund, schließlich handele es sich um eine Sache zwischen der EU und der Bundesrepublik. "Wir sind nur Beobachter." Gleiches gilt für die Koelnmesse, die sich zu dem Verfahren - übrigens eines von rund 700 Vergaberechtsverfahren in den EU-Mitgliedstaaten - ebenfalls nicht äußern will.
Die Frage der Ausschreibung ist nicht die einzige Ungereimtheit rund um den Neubau der vier Messehallen im Stadtteil Deutz. So ermittelt die Staatsanwaltschaft seit gut einem Jahr gegen Oberbürgermeister undMesse-Aufsichtsratschef Fritz Schramma (CDU) wegen des Verdachts der Untreue, Bestechlichkeit und Vorteilsnahme. Dabei geht es um die Frage, ob die Auswahl des von der Stadt Köln schon mehrfach beauftragten privaten Investors Oppenheim-Esch
- die Projekte Kölnarena und Coloneum wurde beispielsweise gemeinsam realisiert
- trotz vorliegender günstigerer Angebote "wirtschaftlich nicht vertretbare Zahlungsverpflichtungen zum Nachteil der Stadt Köln verursacht". Hintergrund: Die Stadt hat sich verpflichtet, bis zum Jahr 2035 den jährlich anfallenden Mietzins von anfänglich 20,7 Mio.EUR zu zahlen, wenn die Koelnmesse dies aus eigener Kraft nicht mehr schaffen sollte. Abhängig von der allgemeinen Preissteigerung könnten so Zahlungen von mehr als 750 Mio.EURanfallen. Und so ist der ermittelnden Staatsanwaltschaft zufolgeein Ende der Untersuchung "noch lange nicht abzusehen".
Derweil hat die Stadt Köln kommunalrechtlich nichts mehr zu befürchten. Zwar hatte der Kölner Regierungspräsident Hans Peter Lindlar Schramma und Co. erhebliche Versäumnisse rund um das Neubauvorhaben bescheinigt. Ungeachtet dessen seien die Messeverträge wirksam. Möglichkeiten, gegen die Stadt oder die beteiligten PersonenSanktionen zu verhängen, habe er nicht.
"Man muss sich die Frage stellen, ob alle Ratsmitglieder in der Lage waren zu beurteilen, was sie da abstimmen", so Lindlar, der "kluge Köpfe" hinter dem Vorgehen der Stadt vermutet. Carsten Dierig

m+a report Nr.7 / 2006 vom 27.10.2006
m+a report vom 27. Oktober 2006