Konsequentes Shop-Branding gewinnt

Marken präsentieren sich immer öfter in eigenen Stores. Konzeption und Planung neuer Markenwelten brechen dabei die Grenzen zwischen temporärer und permanenter Architektur auf.

Ob Flagship-Store, Ambassador-Shop, Collection-Store, Global Store oder Epicenter - immer mehr Unternehmen präsentieren ihre Produkte und Dienstleistungen in eigenen räumlichen Szenerien, für die immer wieder neue Bezeichnungen kreiert werden. Diese Wortschöpfungen dienen dazu, Räume für die Präsentation und den Verkauf von Waren zu bezeichnen, die in immer neue innenarchitektonische Gewänder gekleidet werden. Die räumliche Präsenz einer Marke wird an einem unverwechselbaren Ort konzentriert, um das damit verbundene Image "hautnah" zu erleben.
Bereits im 19. Jahrhundert erkannte der Architekt und Theoretiker Gottfried Semper "das Prinzip der Bekleidung" als prägendes Element der Baukunst. Von Semper stammt die Vorstellung, dass Haut, Kleidung und Häuser verschiedene Hüllen des Menschen sind, die in verschiedenen Graden von Nähe Schutz und Identität bieten. Räumliche Hüllen, die Aspekte wie Identität und Wertvorstellungen kommunizieren sollen, dienen heute vor allem den Global Playern unter den Markenartiklern dazu, eine Relation vom Image einer Marke zum Konsumenten aufzubauen. Das Dach einer großen Marke bietet dem Kunden gleichermaßen Schutz und Identität sowie die Möglichkeit einer sichtbaren Abgrenzung nach außen.
Im Shop-Branding ist dies meist mit der Reduktion des Warenangebots auf einen einzelnen Hersteller verbunden. Vor allem Anbieter im Premiumsegment nehmen den Vertrieb ihrer Waren gerne in die eigene Hand, um von der Produktion bis zum Verkauf eine gleichbleibende Qualität und den Schutz der Markenwerte bis zum Konsumenten zu garantieren. Zudem reagieren die Hersteller von Markenartikeln bei Preisreduktionen und Sonderangeboten äußerst allergisch. Ein stabiler Preis garantiert schließlich eine langfristige Wertstabilität ihrer Produkte.
Der Trend zu Mono-Markenstores ist beispielsweise in der Textilbranche deutlich ansteigend, während inhabergeführte Läden, die verschiedene Labels anbieten, zu kämpfen haben. Gleichzeitig bieten Flagship-Stores den nötigen Raum für das gesamte Sortiment einer Marke und die angestrebte Diversifikation des Portfolios mit benachbarten Produktlinien. Der ganze Bereich der Accessoires nimmt heute einen immer größeren Bereich ein und so kommt es, dass ein Hersteller von exklusivem Reisegepäck auch Kleidung und Kunstgewerbe anbietet oder ein Schreibwarenhersteller Uhren und Schmuck verkauft.
Aber auch Unternehmen aus ganz anderen Branchen erkennen den Mehrwert, der sich durch eigene Flagship-Stores erzielen lässt. Investitions- und Konsumgüterhersteller wie beispielsweise für den Bau- und Sanitärbedarf, Computerkonzerne oder Anbieter aus dem Kosmetik- und Wellnessbereich präsentieren sich mit innovativen Geschäften und Häusern. So eröffnete die Beiersdorf AG im April in bester Lage am Hamburger Jungfernstieg das weltweit erste Nivea-Haus. Die Bausumme von 2 Mio. EUR und die Kosten für circa 20 Mitarbeiter versteht Beiersdorf als Marketinginstrument und Investition in den Wert der Marke Nivea. Mit einer 95-jährigen Geschichte, die ihren Ursprung in Hamburg hat, ist Nivea heute die weltweit größte Haut- und Körperpflegemarke weltweit. Die Architekten der ECE Projektmanagement aus Hamburg inszenierten unter der Leitung von Klaus-Martin Hoffmann auf drei Etagen mit rund 800 m2 "eine Welt des Wohlbefindens für Körper, Geist und Seele". Das Nivea-Haus nimmt den Trend zur Kurzzeit-Wellness in sogenannten "Day-Spas" auf und bietet eine Vielzahl von Anwendungen rund um die Produkte des Konzerns. Den drei Ebenen wurden die Themen Strand, Himmel und Meer zugeordnet, in denen die typischen Farben Blau und Weiß dominieren. Noch wird das Nivea-Haus vom Bauherrn als neue Dimension der Markeninszenierung verstanden, die nicht unbedingt Gewinn abwerfen muss. Bei einem nachhaltigen Erfolg des Konzepts wird aber schon über weitere Standorte in anderen Metropolen nachgedacht.
Die Entwicklung von Mono-Markenstores hat zu einer neuen Bauaufgabe geführt, bei der die Grenzen zwischen temporärer und permanenter Architektur verschwinden. Während die Architekturen auf Messen und Ausstellungen immer komplexer und deren Aufbauzeiten demzufolge immer länger werden, sind die Nutzungszyklen von markenkonformen Interiors immer dynamischer. Sogenannte Pop-up-Stores werden beispielsweise für den Abriss gebaut, um sofort an anderer Stelle wieder in neuem Glanz zu erstrahlen. Der Wert von Marken nimmt stetig zu, und so ist es nicht verwunderlich, dass konsequentes Shop-Branding an Stellenwert gewinnt. Konzeption und Planung neuer Markenwelten werden zu einem interdisziplinären Prozess aus Architektur und Marketing sowie Szenografie und Messebau. Jons Messedat

m+a report Nr.6 / 2006 vom 22.09.2006
m+a report vom 22. September 2006