Weltweites Wachstum und endloser Raum

Die Kongressbranche wird auch dieses Jahr wieder zweistellig wachsen, prognostizieren die Marktforscher von Meeting Professionals International (MPI) und American Express in ihrer Studie Future Watch 2006.

Rund 125 000 Teilnehmer besuchten letztes Jahr das Internationale Congress Center München (ICM), 126 Veranstaltungen verbuchte das Kongresszentrum. Gleichzeitig legte der Anteil der Veranstaltungen mit über 2000 Teilnehmern um 6 % zu und macht inzwischen 33 % des Gesamtgeschäftes aus. Großkunden werden nicht nur für das Umsatzportfolio des ICM immer wichtiger.
2006 wird daher für die Münchner wohl kein schlechtes Jahr werden, neben zahlreichen Optionen liegen bereits 150 Buchungen vor. So hat während der WM der internationale Fußballverband FIFA mit rund 1500 Teilnehmern in der bajuwarischen Metropole getagt, und der medizinische Großkongress der European Respiratory Society (ERS) füllte Anfang September mit 18 000 Lungenspezialisten alle Säle des ICM und zwei angrenzende Messehallen.
Gleichzeitig registrierte das Internationale Congress Centrum Berlin (ICC Berlin) letztes Jahr mit 654 Tagungen und mehr als 170 000 Teilnehmern einen zwölfprozentigen Veranstaltungs- und elfprozentigen Teilnehmerzuwachs. Das Ergebnis liegt im Trend, die Spreemetropole hatte 2004 im Ranking der International Congress & Convention Association (ICCA) erstmals einen Platz unter den Top fünf der internationalen Kongressstädte belegt. Mit der bislang besten Platzierung hinter Barcelona (105 Meetings), Wien (101) und Singapur (99) belegte die deutsche Hauptstadt Platz 4 und lag mit 90 Konferenzen noch vor Hongkong (86), Kopenhagen (76) und Paris (75). Erfasst wurden für das ICCA-Ranking die Veranstaltungen internationaler Verbände, die turnusmäßig und alternierend in mindestens drei verschiedenen Ländern stattfinden und zugleich über wenigstens 50 Teilnehmer verfügen.
Die Stadt Berlin wird auch dieses Jahr wieder von der Umwegrentabilität von Megaveranstaltungen profitieren. Ende März tagte dort beispielsweise der Deutsche Krebskongress mit 12 000 Krebsspezialisten und Betroffenenverbänden, Anfang Mai die Deutsche Gesellschaft für Chirurgie mit 7000 Medizinern und Ende Mai der Deutsche Röntgenkongress mit rund 6500 Fachleuten.
Auch national profitiert der Tagungsstandort Deutschland von der steigenden Nachfrage. In dem internationalen Ländervergleich, den der Weltverband ICCA parallel zu dem Städteranking hochrechnete, belegte Deutschland mit 272 Kongressen hinter den USA (288) weltweit Rang 2 und konnte auf dem Branchenbarometer erstmals Länder wie Spanien (267), Frankreich (204) und Großbritannien (196) überflügeln. Im weltweiten Wettbewerb profitiert Deutschland im Gegensatz zu anderen Branchen "auch einmal vom Föderalismus", erklärt Lutz Vogt, Geschäftsführer der German Convention Bureau (GCB). "Wir bieten von Hamburg bis München ein fast gleich gutes Angebot." Länder wie England, Frankreich, Spanien oder Italien verfügten dagegen immer nur über zwei, drei Kongresszentren mit einem vergleichbaren Angebot, wo dann aufgrund der immensen Nachfrage die Preise explodierten und die Qualität der Hotels oft zweifelhaft sei.
Trotzdem wird weltweit der Wettbewerb unter Standorten und Veranstaltern immer härter. Einige attraktive Metropolen sind das ganze Jahr über fast vollständig ausgebucht, aber global stehen nach einer Hochrechnung der Union of International Associations (UIA) rund 600 regelmäßig tagenden internationalen Kongressen mehr als 850 Kongresscenter mit einem Fassungsvermögen von mehr als 2000 Personen gegenüber. Und der übliche Verdächtige China baut zur Zeit mindestens 80 neue große Kongresscenter.
In Deutschland sprudeln außerdem seit 2004 die Einnahmen aus dem Medizinsektor nicht mehr so reichlich wie in früheren Zeiten. Anfang vorletzten Jahres wurde der so genannte Pharmakodex an den europäischen Kodex angepasst. Zuvor hatten Pharmafirmen Medizinkongresse noch großzügig gesponsert. Besonders schöne Hotels und exquisite Rahmenprogramme waren die Regel und wurden auf Kosten der Pharmafirmen gebucht, Kongresse gelegentlich für einen bezahlten Kurzurlaub mit der ganzen Familie genutzt. Um den Vorwurf der Bestechung zu entkräften, verpflichtete sich die Pharmaindustrie dann 2004 zu einer freiwilligen Selbstbeschränkung. Festgelegt wurde in dem Pharmakodex unter anderem, dass Freizeitaktivitäten am Rande von Kongressen prinzipiell nicht mehr von der Industrie bezahlt werden, alle Zuwendungen schriftlich dokumentiert werden und Leistung und Gegenleistung in einem angemessenen Verhältnis stehen müssen. Resultat: Den Meeting-, Incentive und Eventplannern versiegten dadurch profitable Einnahmequellen.
Auf der anderen Seite müssen sich Ärzte nach wie vor regelmäßig fortbilden. Das schreibt der Gesetzgeber vor. Tun sie dies nicht, verlieren sie ihre Zulassung. Und der andere große Kongressnachfragemarkt, die IT-Branche, ist gezwungen permanent Innovationen zu kommunizieren und wird Tagungen in Zukunft eher noch stärker nutzen. Prinzipiell gilt, dass entwickelte Wissensgesellschaften eher mehr als weniger Kongresse brauchen.
Folgerichtig wird sich die Anzahl der Meetings und die geplanten Ausgaben im dritten Jahr in Folge erhöhen, prognostizieren die Marktbeobachter von Meeting Professionals International (MPI) und American Express in der Studie FutureWatch 2006. 758 Meeting-Planer und 510 Anbieter wurden für die Hochrechnung befragt. Mit 7 % Zuwachs rechnen Corporates und Verbandsplaner in Bezug auf die Anzahl der Veranstaltungen, von 21 % gehen unabhängige Meeting-Planer aus. Anbieter rechen mit einem Plus von 10 %. Gleichzeitig prophezeien alle Befragten eine Zunahme der Teilnehmer, der Länge der Meetings und der Ausgaben pro Tagung. Die optimistischen Branchenerwartungen basieren auf der Erwartung, dass Unternehmen und Verbände "den Wert von Tagungen und Kongressen als strategisches Werkzeug zur Erreichung von Geschäftszielen erkennen und zunehmend nutzen". Alle Ergebnisse der Marktumfrage FutureWatch 2006 deuten deshalb darauf hin, dass "wir dieses Jahr mit einer Zunahme der Anzahl, Länge und Größe von Tagungen rechnen können", resümiert Colin Rorrie, CEO von MPI die Ergebnisse der Umfrage (www.mpiweb.org).

m+a report Nr.6 / 2006 vom 22.09.2006
m+a report vom 22. September 2006