Übertragsrecht kennt keine Kompromisse

Mit der Organisation, Vorbereitung und Durchführung von Messen, Ausstellungen, Tagungen und Kongressen übernimmt der Veranstalter eine zentrale Rolle für die Zufriedenheit und für die Sicherheit seiner Kunden.

Das Versammlungsstättenrecht in Gestalt der Musterversammlungsstätten-Verordnung 2005 (MVStättV) lässt in Punkto Sicherheit von Besuchern bei Veranstaltungen keinen Spielraum für die rechtliche Interpretation. Adressat aller sicherheitstechnischen und organisatorischen Pflichten ist allerdings zunächst nicht der Veranstalter, sondern der Betreiber der Versammlungsstätte. Er ist für die Sicherheit der Veranstaltung und die Einhaltung der Vorschriften verantwortlich.
Die Musterversammlungsstätten-Verordnung geht in der Regel davon aus, dass die Versammlungsstätte von ein und demselben Unternehmen betrieben wird. Ist dies nicht der Fall, muss der Betreiber im Zweifelsfall bestimmt werden. Betreiber im Rechtssinn in der Regel der Eigentümer, Pächter, Dauermieter oder auch der Betriebsführer. Wird die Durchführung und Vermarktung von Veranstaltungen allerdings auf eine Gesellschaft, und der technische Unterhalt sowie der Betrieb auf eine andere Gesellschaft übertragen, liegt eine Zweiteilung der Betreiberfunktion vor. Es ist also rechtlich auch möglich, dass es einen Betreiber für den Betrieb und Unterhalt der baulichen und technischen Einrichtungen und einen Betreiber für den eigentlichen Veranstaltungsbetrieb gibt. Die Verantwortung des Betreibers hat eine zivil- und strafrechtliche Komponente: Wegen Verletzung der Verkehrssicherungspflicht haftet, wer einen Dritten schuldhaft dadurch schädigt, dass er Gefahrenquellen geschaffen hat oder für sie aus sonstigem Grund verantwortlich ist, ohne notwendige Schutzvorkehrungen gegen die sich daraus drohenden Risiken getroffen zu haben. Der oder die Betreiber der Versammlungsstätte sind also verpflichtet, alles Erforderliche und Zumutbare zu tun, damit Personen bei der Teilnahme an und beim Besuch von Veranstaltungen nicht zu Schaden kommen.
Mit der Regelung des § 38 Absatz 5 der Musterversammlungsstätten-Verordnung wird dem Betreiber die Möglichkeit eröffnet, diese Verpflichtungen zumindest teilweise auf einen Dritten zu übertragen. Die Übertragung der Verpflichtungen muss durch schriftliche Vereinbarung, also per Vertrag, geregelt werden. Dies ist zwingend, da sonst die Vereinbarung rechtlich nicht wirksam ist. Die Einzelpflichten, die auf den Veranstalter übertragen werden sollen, sind exakt zu bezeichnen. Ansonsten droht die Unwirksamkeit der Vereinbarung. Bei den Pflichten kann es sich neben den in den §§ 31 bis 43 bezeichneten betriebsbezogenen Pflichten zusätzlich um solche handeln, die im Baugenehmigungsbescheid für den bestimmungsgemäßen Betrieb angeordnet sind. Bei der Bewertung veranstaltungsbezogener Brandgefahren ist zu beachten, dass es sich um nicht übertragbare Betreiberpflicht handelt. Nur der Betreiber ist nach dem Willen des Verordnungsgebers in der Lage, auf Grundlage des baulichen Brandschutzes und der vom Veranstalter einzuholenden Auskünfte zum Brandverhalten eingebrachter Materialien zu bewerten, ob von der Veranstaltung in seiner Versammlungsstätte eine erhöhte Brandgefahr ausgeht. Fazit: Die wirksame Übertragung von Betreiberpflichten setzt voraus, dass die Einzelpflichten exakt bezeichnet werden, das Schriftformerfordernis gewahrt und der Veranstalter mit der Versammlungsstätte vertraut ist. Volker Löhr

m+a report Nr.6 / 2006 vom 22.09.2006
m+a report vom 22. September 2006